Leitsatz (amtlich)
1. Gibt ein Bieter für ein ausgeschriebenes Los nicht nur ein eigenes Angebot ab, sondern bewirbt sich daneben als Mitglied einer Bietergemeinschaft um den Zuschlag auf ein Einzelangebot für dieselbe Leistung (Doppelangebot), so ist der Geheimwettbewerb in Bezug auf beide Angebote grundsätzlich nicht gewahrt.
2. Die Obliegenheit zur Rüge einer vergaberechtswidrigen nicht produktneutralen Ausschreibung besteht bereits nach Erhalt der Verdingungsunterlagen. Es kommt nicht darauf an, ob der Bieter auch Kenntnis davon hat, dass sich u.U. ein Wettbewerber an der Ausschreibung beteiligt, der unmittelbaren Zugang zu dem ausgeschriebenen Produkt hat.
3. Zur Rügefrist bei vermeintlich vergaberechtswidriger Leistungsbeschreibung.
Verfahrensgang
Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 30.06.2004; Aktenzeichen VK2-19/04) |
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin zu 2) auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt v. 30.6.2004, VK 2-19/04, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsgegner, ein Eigenbetrieb des Landes, schrieb im Februar 2004 den oben genannten Dienstleistungsauftrag EU-weit im Offenen Verfahren auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) - Ausgabe 2002 - zur Vergabe aus. Der Auftrag ist in elf Lose unterteilt, wobei Angebote sowohl als Einzelangebote auf ein Los, als zusammengefasste Angebote auf mehrere Einzellose oder als Gesamtangebot für alle Lose zugelassen waren. Der Wert des gesamten Auftrages überschreitet den hier maßgeblichen Schwellenwert von 200.000 Euro erheblich.
Innerhalb der bis zum 31.3.2004 laufenden Angebotsfrist gingen Angebote von vierundzwanzig Bietern ein, darunter diejenigen der Antragstellerin zu 2), einer Bietergemeinschaft, die aus sechs mittelständischen Unternehmen besteht, der Beigeladenen zu 1) und der Beigeladenen zu 2), die zugleich Mitglied der Antragstellerin zu 2) ist.
Der Antragsgegner beabsichtigt ausweislich seines Vergabeantrages v. 30.4.2004, den Zuschlag für die Lose 1 bis 5, 8 und 11 auf das Angebot der Beigeladenen zu 1) und den Zuschlag für die Lose 6, 7 und 9 jeweils auf Einzelangebote weiterer Bieter zu erteilen. Hinsichtlich des Loses 10 ist eine Teilaufhebung der Ausschreibung beabsichtigt.
Die Antragstellerin zu 2) hat Antrag auf vergaberechtliche Nachprüfung bei der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt eingereicht und begehrt letztlich die Wiederholung der Wertung. Sie hat im Verlaufe des Vergabenachprüfungsverfahrens drei Rügen erhoben:
a) der Antragsgegner habe in Los 4 entgegen § 8 Nr. 3 VOL/A die geforderte Software nicht produktneutral beschrieben, sondern das Angebot der Software "WISKI/SODA" verlangt;
b) der Antragsgegner habe die Bieter für Los 5 ungleich behandelt durch die nur selektive Übergabe von Etagenplänen der Gebäude, in denen die Telekommunikationseinrichtungen installiert werden sollten;
c) der Antragsgegner habe das Vergabeverfahren und insb. den Verlauf und die Zwischenschritte der Angebotswertung nur unzureichend dokumentiert.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zu 2) nach mündlicher Verhandlung durch Beschluss v. 30.6.2004 als unzulässig verworfen. Sie stützt ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass die Antragstellerin zu 2) hinsichtlich der unter lit. a) und c) aufgeführten Rügen ihrer Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge nicht nachgekommen und daher mit diesen Rügen präkludiert sei und dass ihr hinsichtlich der unter lit. b) aufgeführten Rüge die Antragsbefugnis fehle, weil ihr Einzelangebot zu Los 5 wegen Verstoßes gegen § 2 Nr. 1 VOL/A zwingend auszuschließen sei. Die Vergabekammer hat den Antragsgegner darüber hinaus verpflichtet, die Einzelangebote der Antragstellerin zu 2) und der Beigeladenen zu 2) für die Lose 5 bis 11 vom weiteren Verfahren auszuschließen.
Gegen diese ihr am 2.7.2004 zugestellte Entscheidung richtet sich die mit Schriftsatz v. 16.7.2004 erhobene und am selben Tage vorab per Fax beim OLG Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu 2). Die Antragstellerin zu 2) verfolgt ihr Begehren auf Wiederholung der Wertung unter Berücksichtigung ihres Gesamtangebotes für alle Lose weiter. Sie vertritt die Auffassung, dass ihr Angebot sich von Anfang an nur auf eine Gesamtvergabe für alle Lose bezogen habe. Eine Zuschlagserteilung auf Angebote zu Einzellosen strebt sie nicht (mehr) an.
Zugleich hat die Antragstellerin zu 2) die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsmittels bis zur Entscheidung in der Hauptsache beantragt.
Der Senat hat den Antragsgegner und beide Beigeladene zum letztgenannten Antrag angehört. Er hat die Akten der Vergabekammer und diejenigen des Antragsgegners beigezogen.
II. Der Antrag auf Anordnung der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde, d.h. der Verlängerung des Zuschlagverbots nach § 115 Abs. 1 GWB, ist nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zulässig; ...