Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der Falschbezeugung durch Eigentestat, mehrdeutige Leistungsbeschreibung, Selbstzeugnis vor Veröffentlichung der Ausschreibung, Feststellung von Tatsachen, Bindung an Entscheidung in Parallelverfahren, Kostenentscheidung. Vergabenachprüfungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1) Genügt als Nachweis der Erfüllung des Leistungsprofils einer Ausschreibung ein Eigentestat, so ist der Nachweis einer Falschbezeugung durch einen Konkurrenten im Vergabeverfahren zu beachten. Der Nachweis der Falschbezeugung kann auch noch vor dem Vergabesenat erbracht werden.
2) Es verstößt gegen § 8 Nr 1 I VOL/A (Abschnitt 1), wenn die Leistungsbeschreibung lediglich Angaben allgemeiner Art enthält oder verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zulaßt oder Zweifelsfragen aufkommen läßt. Auslegungsschwierigkeiten führen aber nur dann zur Beanstandung des Vergabeverfahrens, wenn Angebote dadurch nicht mehr miteinander vergleichbar werden können oder dem Bieter eine Teilnahme an der Ausschreibung nicht mehr zumutbar ist. Daran fehlt es, wenn das Verständnis des Ausschreibenden und der Bieter nach Erläuterung durch den Ausschreibenden ein gemeinsames ist.
3) Verlangt die Ausschreibung ein schriftliches Selbstzeugnis des Bieters, so muß dieses im […] Vergabeverfahren abgegeben werden. Die Vergabestelle ist nicht verpflichtet, Korrespondenz von Bietern aus der Zeit vor der Veröffentlichung der Ausschreibung beizuziehen und auf ihre Relevanz für das Vergabeverfahren zu untersuchen. Ein Bieter, der das geforderte schriftliche Selbstzeugnis nicht fristgerecht abgibt, kann nach § 25 Nr 1 II a VOL/A aus dem Verfahren ausgeschlossen werden.
4) Auf Feststellung einer Tatsache (hier: daß das Angebot des Beschwerdeführers nach der Wertung der Vergabestelle an erster Stelle stehe) besteht kein Rechtsanspruch.
5) Der Vergabesenat kann rechtskräftig gewordene Entscheidungen der Vergabekammer in einem Parallelverfahren nicht überprüfen.
6) Für die Kosten eines von einem Beigeladenen erfolglos eingelegten Rechtsmittels gilt § 154 II VwGO. Die Kosten des obsiegenden Beigeladenen sind in der Regel vom unterlegenen Teil zu tragen.
Normenkette
VOL/A. (Abschnitt 1) § 8 Nr. 1 I, § 25 Nr. 1 Abs. 2 Buchst. a; VwGO § 154 II
Beteiligte
Landeskriminalamt Baden-Württemberg |
Verfahrensgang
Vergabekammer Baden-Württemberg (Aktenzeichen 1 VK 20/99) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss der Vergabekammer des Landes Baden-Württemberg vom 24.01.2000 geändert.
2. Es wird festgestellt, daß der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin vom 12.11.1999 und dessen Nichtberücksichtigung bei der Vergabeentscheidung rechtmäßig war.
3. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
4. Eine Kostenerstattung findet nicht statt. Die Gerichtskosten tragen die Verfahrensbeteiligten, mithin auch die Beschwerdeführerin, zu gleichen Teilen.
Beschwerdewert: 30.000,00 DM
Tatbestand
A
Die Antragsgegnerin, das Landeskriminalamt Baden-Württemberg als Vergabestelle, hat im Rahmen eines öffentlichen Teilnehmerwettbewerbes vor Beschränkter Ausschreibung nach VOL/A 8 Bewerber (vgl. K 15) zur Abgabe eines Angebotes für molekulargenetisch-analytische Leistungen aufgefordert. Dabei sollte im Wege der ausgeschriebenen Dienstleistung eine DNA-Analyse-Datei (Rahmenvertrag mit Bezugsbindung bei zweijähriger Laufzeit) aufgebaut werden; jeden Monat sollten rund 200 bis 300 DNA-Analysen von Mundhöhlenabstrichen nach neuestem Wissenschaftsstand in der Molekulargenetik vom Anbieter erstellt werden (so Ziff. I „Einführung” der Aufforderung). Als weitere Ausschreibungsmerkmale und insbesondere Leistungsanforderungen waren u. a. bestimmt: [Nur teilweise und gegenüber dem Original mit einem anderen Umbruch wiedergegeben]
II. |
Ablaufformalitäten für das Angebot |
Berichtigungen, Änderungen undErgänzungen zu bereits abgelieferten Angeboten könnenschriftlich bis zum Ende der Angebotsfrist in einemverschlossenen und entsprechendgekennzeichneten Umschlag nachgereicht werden.
III. |
Ferner ist zu beachten: |
Mit der Abgabe Ihres Angebotes unterliegen Sie auch denBestimmungen über nicht berücksichtigte Angebote (§ 27 VOL/A).
Nicht Vertragsbestandteil werden die Allgemeinen Bestimmungen für dieVergabe von Leistungen: (VOL/A). Demzufolge haben die Bieter kein einklagbares Recht auf Anwendung dieser Bestimmungen.
VI. |
Weitere Bedingungen zur Angebotsabgabe: |
1. ALLGEMEINES:
Der Auftraggeber verfährt nach den Allgemeinen Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen – ausgenommen Bauleistungen – (VOL/A einschl. „ a” – §§) und den Mittelstandsrichtlinien für öffentliche Aufträge (MRöA).
Bieter, die Verstöße des Auftraggebers gegen die Vergabebestimmungen monieren wollen, können in begründeten Fällen einNachprüfungsverfahren bei der folgendenVergabeprüfstelle beantragen:
Landesgewerbeamt Baden-Württemberg – Willi-Bleicher-Straße 19 – 70174 Stuttgart Telefon: 0711/123-0 – Telefax: 0711/123-2755 |
4. BEWERTUNGSKRITERIEN FÜR DAS ANGEBOT:
Die Auswahl des geei...