Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Herausgabe von Vertragsunterlagen im Hinblick auf bereits beendete Lebens- und Rentenversicherungsverträge zum Zwecke der Prüfung eines Widerspruchsrechts aus § 5a VVG
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Stufenklage ist unzulässig, wenn ein Kläger auf erster Stufe die Herausgabe von Vertragsunterlagen begehrt, die nicht der Bezifferung seines Leistungsanspruchs, sondern der Prüfung dienen, ob ihm noch ein Widerspruchsrecht gemäß § 5a VVG a.F. zusteht.
2. Auch im Fall eines bereits gekündigten und abgerechneten Lebens- oder Rentenversicherungsvertrags kann dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Herausgabe von Vertragsunterlagen aus § 242 BGB zustehen, wenn ihm diese nicht mehr vorliegen und er geltend macht, er benötige sie, um zu prüfen, ob ihm noch ein Widerspruchsrecht gemäß § 5a VVG a.F. zusteht.
3. Für die Geltendmachung dieses Anspruchs besteht keine Frist. Er verjährt jedenfalls so lange nicht, wie kein Widerspruch erklärt worden ist. Er ist allein dadurch begrenzt, dass die Unterlagen beim Versicherer nicht mehr vorhanden sind, weil dieser sie berechtigterweise vernichtet hat.
Normenkette
BGB §§ 242, 812; VVG § 5a; ZPO § 254
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die folgenden die Versicherungsverträge aaa, bbb und ccc betreffenden Unterlagen in Kopie herauszugeben, Zug um Zug gegen Zahlung von 0,50 EUR pro Kopie für die ersten 50 Seiten und 0,15 EUR für jede weitere Seite:
- die jeweils vom Kläger gestellten Anträge auf Abschluss der Lebensversicherungsverträge;
- die jeweilige Versicherungspolice;
- die dem Kläger jeweils erteilte Verbraucherinformation;
- das jeweilige Begleitschreiben, mit dem die Police an den Kläger übersandt worden ist.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten der Kläger zu 87 % und die Klägerin zu 8 %. Die Beklagte trägt 5 % der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Kläger wenden sich gegen die Abweisung ihrer auf Rückabwicklung von insgesamt vier Lebensversicherungsverträgen und eines Rentenversicherungsvertrags gerichteten Klage.
Der Kläger und die Klägerin beantragten seit dem Jahr 1999 den Abschluss verschiedener Lebens- und Rentenversicherungen bei der Beklagten. Sie erhielten jeweils den Versicherungsschein und weitere Vertragsunterlagen. Die Kläger leisteten bis zu ihrer jeweiligen Kündigung im Jahr 2008 die vereinbarten Beiträge. Im Jahr 2017 ließen sie jeweils durch einen Rechtsanwalt den "Widerspruch gem. § 5a VVG bzw. den Rücktritt gem. § 8 VVG" erklären. Hinsichtlich dreier (der nachfolgend zunächst genannten) Verträge liegen dem Kläger Vertragsunterlagen heute nicht mehr vor. Ihre Herausgabe verlangt er im Wege einer Stufenklage.
Vertrag mit der Versicherungsscheinnummer aaa
Im Jahr 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags. Die Beklagte übersandte einen Versicherungsschein. Versicherungsbeginn sollte der 1. Oktober 1999 sein. Der Versicherungsbeitrag betrug zunächst 51,13 EUR pro Monat. Mit Schreiben vom 7. März 2008 (Anlage BLD 1, Bl. 49) erklärte der Kläger die Kündigung dieses Vertrags und sieben weiterer Lebens- und Rentenversicherungsverträge. Zum 1. Mai 2008 wurde der Vertrag beendet und abgerechnet. Den von ihr errechneten Rückkaufswert in Höhe von 3.829,30 EUR zahlte die Beklagte dem Kläger aus. Mit Schreiben vom 5. März 2009 beanstandete der Kläger einen vermeintlich vorgenommenen Stornoabzug im Zuge der Vertragsbeendigung. Die Beklagte teilte mit, dass es keinen Stornoabzug gegeben habe.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 16. Oktober 2017 erklärte der Kläger einen Widerspruch. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Schreiben vom 24. Oktober 2017 zurück. Mit Schreiben vom 2. November 2017 ließ der Kläger die Beklagte über seinen Bevollmächtigten unter Bezugnahme auf den erklärten Widerspruch zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung auffordern und verlangte die Herausgabe diverser Vertragsunterlagen (Anlage K 1, Bl. 9). Die Beklagte wies diese Forderung zurück (Anlage K 2, Bl. 10).
Vertrag mit der Versicherungsscheinnummer bbb
Im Jahr 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluss einer weiteren Lebensversicherung. Die Beklagte übersandte einen Versicherungsschein. Versicherungsbeginn sollte der 1. Februar 2003 sein. Der Versicherungsbeitrag betrug zunächst 50,- EUR pro Monat. Mit Schreiben vom 7. März 2008 kündigte der Kläger den Vertrag. Zum 1. Mai 2008 wurde der Vertrag beendet und abgerechnet. Die Beklagte zahlte den von ihr errechneten Rückkaufswert in Höhe von 1.689,- EUR aus. Im ...