Corona-Schließung kann als Störung der Geschäftsgrundlage gelten
Für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse, die von staatlichen Covid-19 Maßnahmen betroffen sind, wird künftig gesetzlich vermutet, dass die Einschränkungen ein Umstand im Sinne von § 313 BGB sind, der zu einer Anpassung des Mietvertrages unter dem Gesichtspunkt einer Störung der Geschäftsgrundlage führen kann. Ein Automatismus, dass Gewerbemieter bei coronabedingten Maßnahmen eine Reduzierung der Miete oder eine sonstige Vertragsanpassung verlangen können, ist mit der Neuregelung allerdings nicht verbunden.
Die vom Bundestag beschlossene Regelung im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) lautet:
Artikel 240 § 7 EGBGB Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen
(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.
(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.
Vermutungswirkung gilt nur begrenzt, Einzelfall bleibt entscheidend
Laut der Gesetzesbegründung gilt die Vermutung nur für das sogenannte reale Merkmal des § 313 Absatz 1 BGB, dass sich also ein Umstand, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.
Auch nach der gesetzlichen Neuregelung muss ein Mieter daher darlegen und beweisen, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten (hypothetisches Element) und dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (normatives Element).
Auch an der Rechtsfolge, dass eine Vertragsanpassung nur im angemessenen Umfang begehrt werden kann, soll sich durch die Neuregelung nichts ändern. Es könne nur diejenige Rechtsfolge begehrt werden, welche die schutzwürdigen Interessen beider Vertragsteile in ein angemessenes Gleichgewicht bringe, so die Gesetzesbegründung. Es hänge daher immer vom Einzelfall ab, ob für den Zeitraum, in dem ein Betrieb von einer staatlichen Maßnahme betroffen ist, zum Beispiel eine Stundung oder Anpassung der Miethöhe, eine Verringerung der angemieteten Fläche bei gleichzeitiger Herabsetzung der Miete oder auch die Aufhebung des Vertrags angemessen sei.
Gewährleistungsrecht bleibt vorrangig
Erklärtes Ziel der neuen Regelung ist, die Verhandlungsposition von Gewerbemietern zu stärken. Gleichzeitig betont der Gesetzgeber, dass allgemeine und mietrechtliche Gewährleistungs- und Gestaltungsrechte vorrangig gegenüber § 313 BGB seien und hieran auch nichts geändert werden solle.
So könnten öffentlich-rechtliche Beschränkungen – abhängig von den Umständen des Einzelfalls und den konkreten vertraglichen Vereinbarungen – auch einen Mangel im Sinne von § 536 BGB darstellen.
Gerichtsverfahren werden beschleunigt
Eine weitere vom Bundestag beschlossene Gesetzesänderung sieht vor, dass Mietprozesse im Zusammenhang mit coronabedingten Beschränkungen oder Schließungen vorrangig behandelt werden sollen.
Hierzu wird im Gesetz, betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (EGZPO) folgende Vorschrift eingefügt:
§ 44 EGZPO Vorrang- und Beschleunigungsgebot
(1) Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung derCOVID-19-Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln.
(2) In Verfahren nach Absatz 1 soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.
Gerichte urteilen bisher unterschiedlich
Wie coronabedingte Schließungen und Einschränkungen in Bezug auf Gewerbemietverhältnisse zu beurteilen sind, haben Gerichte in Prozessen um Mietminderungen und Vertragsanpassungen wegen des Lockdowns im Frühjahr unterschiedlich bewertet. Teilweise haben die Gerichte angeordnete Schließungen als Mangel angesehen, teilweise einen Mangel verneint. Ebenso uneinheitlich war die Linie bezüglich der Frage, ob sich Mieter auf eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB berufen können.
Sonderregelung im Mietrecht: Das Mietenmoratorium aus "Phase eins" der Corona-Beschränkungen
Eine Sonderregelung im Mietrecht gab es schon einmal: Das sogenannte Mietenmoratorium. Nach dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie konnten Mietrückstände aus dem Zeitraum Anfang April bis Ende Juni 2020 – soweit sie auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie beruhten – nicht zur Begründung einer ordentlichen oder fristlosen Kündigung herangezogen werden. Diese Regel galt für Wohn- und Gewerbemietverhältnisse ebenso wie für Pacht einschließlich Grundstückspacht. Sonstige Kündigungsgründe, wie Eigenbedarf, waren davon nicht berührt.
Mieter müssen gestundete Mieten bis Ende Juni 2022 nachzahlen
Den Zusammenhang zwischen Coronakrise und Zahlungsproblemen musste ein Mieter glaubhaft machen, etwa durch Vorlage eines Bescheids über staatliche Leistungen, einer Bescheinigung des Arbeitgebers oder anderer Nachweise über einen Verdienstausfall. Mieter von Gewerbeimmobilien konnten den Zusammenhang zwischen Covid-19-Pandemie und Nichtleistung beweisen, wenn der Betrieb des Unternehmens im Rahmen der Bekämpfung von Corona durch Rechtsverordnung oder behördliche Verfügung untersagt worden ist.
Zur Zahlung der Miete bleiben die Mieter unabhängig vom Ausschluss des Kündigungsrechts verpflichtet. Sie haben bis zum 30.6.2022 Zeit, coronabedingte Mietrückstände auszugleichen.
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