Mietpreisbremse und Mietendeckel: Placebo mit Nebenwirkungen?
Die mietenregulierenden Maßnahmen, die Mitte 2015 eingeführt und 2020 verschärft wurden, haben keine nachhaltige Wirkung – im Gegenteil, heißt es in einer aktuellen Analyse von Aengevelt Research: Der Versuch, mit solchen Markteingriffen die Symptome zu bekämpfen, schrecke Investoren ab und das verschärfe erst den Wohnungsmangel in den wachsenden Städten. Diese Knappheit wiederum sei ursächlich für die steigenden Mieten, wie sie seit 2008 zu beobachten seien.
Wohnungsmangel: Ursache für steigenden Mieten
Aengevelt zufolge sind die Wohnungsmieten in den Wachstumsregionen seit dem Jahr 2008 um 81 Prozent angestiegen – in schrumpfenden Regionen hingegen nur um 37 Prozent. Nach Einführung der Mietpreisbremse Mitte 2015 fiel in den Metropolen Hamburg, Köln, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Stuttgart und vor allem in Berlin der durchschnittliche jährliche Anstieg der Mieten in Höhe von drei bis vier Prozent sogar noch stärker aus als vor der Bremse, schreibt Aengevelt. Auch mittelgroße Universitätsstädte wie beispielsweise Münster (Westfalen) oder Freiburg (Breisgau) verzeichneten seitdem massive Preissteigerungen – im Vergleich mit Großstädten wie Magdeburg, Dresden und Leipzig, in denen die Mietpreisbremse nicht eingeführt wurde, seien wesentliche Unterschiede nicht einmal erkennbar.
"Kam es nach Einführung der Mietenbremse überhaupt zu einem geringfügigen Rückgang der Mieten, was nur in wenigen Städten der Fall war, verpuffte dieser Effekt spätestens nach einem Jahr wieder", sagt Prof. Dr. Volker Eichener von der Hochschule Düsseldorf, der die Aengevelt-Studie geleitet hat. Er schließt daraus, dass mietenregulierende Maßnahmen den Einfluss von Angebot und Nachfrage auf die Preisbildung nicht außer Kraft setzen können.
"Die mietpreisregulierenden Maßnahmen sind nichts als ein Placebo, das keine Wirkung hat, dafür aber gefährliche Nebenwirkungen aufweist." Prof. Dr. Volker Eichener, Hochschule Düsseldorf
Berlin, durch den "Hauptstadteffekt" laut Aengevelt seit 2008 besonders von steigenden Mieten betroffen, habe deshalb den radikalen Mietendeckel eingeführt – auch der werde langfristig erfolglos bleiben. Um Mietenanstiegen effektiv gegenzusteuern, müssten den Researchern zufolge die Bedingungen für den Neubau von Wohnungen radikal verbessert werden.
Berliner Mietendeckel stärkt Markt für Eigentumswohnungen
Zwar sind die Angebotspreise für Berliner Mietwohnungen seit der Einführung des Mietendeckels im Februar 2020 gesunken, um 1,50 Euro pro Quadratmeter im Vergleich zu einer simulierten Normalentwicklung – doch zeitgleich sei die Zahl inserierter Mietwohnungen signifikant um 42 Prozent zurückgegangen, heißt es in der jüngsten Analyse von 21st Real Estate zu den Auswirkungen des Mietendeckels auf den Berliner Wohnungsmarkt. Für die Untersuchung hat 21st Real Estate nur angebotene Wohnungen mit Bezugsfertigstellung vor 2014 einbezogen.
"Der aktuelle Rückgang bei den Angebotsmieten ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Einfluss des Mietendeckels zurückzuführen", sagt Nicolai Wendland, Chief Information Officer (CIO) von 21st Real Estate. Mögliche Effekte durch die Covid-19-Pandemie seien durch die angewendete Methodik statistisch weitgehend eliminiert. Bei nüchterner Betrachtung der vorliegenden Zahlen habe der Mietendeckel im Grunde genau das Gegenteil dessen bewirkt, wofür er eingeführt worden sei.
"Unsere Analyse bestätigt demnach den von vielen Marktteilnehmern gefühlten Eindruck, dass der Berliner Mietwohnungsmarkt momentan so gut wie leergefegt sei; zumindest wenn Mieter auf der Suche nach Wohnungen für die Baujahre vor 2014 sind." Nicolai Wendland, CIO 21st Real Estate
Statistisch signifikante Auswirkungen auf die Kaufpreisentwicklung für Eigentumswohnungen gab es demnach nicht – doch sei die Zahl der Angebote deutlich gestiegen: verglichen mit einem Szenario ohne Mietendeckel im Durchschnitt um 60 Prozent. "Wir können hier quasi eine Verschiebung vom Mietwohnungsmarkt hin zur Eigentumsbildung ablesen", sagt Wendland. Das sorge nicht unbedingt für Entspannung auf dem Wohnungsmarkt Berlin.
Mietendeckel-Wohnungen werden zur Mangelware
Seit dem 23. Februar mussten "nur" die Mieten bei Neuvermietung für die Baujahre vor 2014 gesenkt werden, wenn sie zu hoch sind. Erhöht werden dürfen sie für fünf Jahre nicht. Als am 23. November die sogenannte Stufe zwei des Berliner Mietendeckels in Kraft trat, mussten auch die Mieten in laufenden Verträgen gesenkt werden, wenn die Wohnungen vor 2014 gebaut wurden. Das hat das Problem mit der "Mangelware Mietwohnung" noch verschärft.
Laut einer Umfrage des BFW-Landesverbands Berlin / Brandenburg unter seinen Mitgliedern muss seit dem 23. November in fast jeder dritten (31 Prozent) der von den Unternehmen bewirtschafteten Berliner Wohnungen die Miete gesenkt werden. Das sind rund 92 Euro pro Monat weniger pro Wohnung. Insgesamt dürften sich die Mieteinbußen auf rund eine Million Euro monatlich summieren. Analysiert wurden 35.000 Wohnungen.
Wie die Umfrage des BFW auch zeigt, mussten die meisten Vermieter (70 Prozent) wegen der geringeren Mieteinnahmen bei Wiedervermietung bereits jetzt einen Großteil der geplanten Modernisierungen und Sanierungen auf Eis legen. Ohne den Mietendeckel hätten die befragten BFW-Unternehmen im Schnitt rund 14.300 Euro in jede Wohnung investiert, insgesamt wären das mehr als 17 Millionen Euro gewesen, heißt es in der Mitteilung.
In einer jüngeren Umfrage des BFW im November gaben Berliner Investoren, Bauträger und Wohnungsverwalter an, ihre geschäftlichen Aktivitäten überwiegend nach Brandenburg verlagert haben, 38 Prozent sind in andere Bundesländer abgewandert. Knapp zwei Drittel (63 Prozent) der bauenden Unternehmen sagten, sie spürten die negativen Auswirkungen des Mietendeckels auf ihre Geschäftstätigkeit. Statt Mietwohnungen wollen 50 Prozent der Unternehmen in Zukunft vermehrt Eigentumswohnungen bauen.
Berlins Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) hat mittlerweile ausgeschlossen, dass das befristete Mietendeckel-Gesetz verlängert wird. Scheel kritisierte Vermieter, die sogenannte Schattenmieten vereinbaren – also höhere Mieten, die sofort greifen, wenn das Mietendeckel-Gesetz vom Verfassungsgericht gekippt werden sollte.
BVerfG-Urteil zum Berliner Mietendeckel wird für Sommer 2021 erwartet
Ob der Mietendeckel überhaupt rechtens ist, werden die Verfassungsgerichte klären. Der Berliner Senat will bei der juristischen Überprüfung des Mietendeckels auf eine Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) setzen, wie eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Wohnen im Juli sagte. Die Richter am BVerfG seien schon länger mit der Thematik befasst als das Gericht in Berlin, hieß es zur Begründung.
Vor dem BVerfG klagen die Bundestagsfraktionen von Union und Freien Demokraten. Sie sind davon überzeugt, dass Mietrecht Sache des Bundes ist und das Land Berlin keine Gesetzgebungskompetenz hatte. Die Berliner Regierung ist wiederum davon überzeugt, dass die Landesebene sehr wohl ermächtigt war, gesetzlich etwas gegen steigende Mieten zu tun.
Einen Eilantrag auf die einstweilige Aussetzung des Mietendeckels hatte das oberste deutsche Gericht im Frühjahr dieses Jahres abgelehnt (BVerfG, Beschluss v. 10.3.2020, Az.1 BvQ 15/20): Die Antragstellerin, Eigentümerin eines Mietshauses mit 24 Wohnungen, wollte die Bußgeldvorschriften in dem Gesetz vorläufig außer Kraft gesetzt haben, bis Rechtsklarheit herrscht. Das Gericht sah den Nachteil, falls Bußgelder bezahlt werden und das Gesetz später doch nicht gilt, zwar als besonders gewichtig an – aber der Nachteil sei größer, wenn das Gesetz doch gültig bleibe und die Bußgelder nicht bezahlt wurden, so die Richter.
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