Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung. Tendenzbetrieb. Wirtschaftsausschuss
Leitsatz (amtlich)
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG (vom 5.10.2000 – 1 ABR 14/00 – AP Nr. 67 zu § 118 BetrVG 1972; vom 29.06.1988 – 7 ABR 15/87 – AP Nr. 37 zu § 118 BetrVG 1972; Beschluss vom 24.05.1995 – 7 ABR 48/94 – AP Nr. 57 zu § 118 BetrVG 1972; vom 31.01.1995 – 1 ABR 35/94 – AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 56) dienst ein Unternehmen karitativen Bestimmungen, wenn es sich den sozialen Dienst am körperlich oder seelisch leidenden Menschen zum Ziel gesetzt hat, wenn es auf Heilung oder Milderung äußerer und innerer Nöte des Einzelnen gerichtet ist, sofern diese Betätigung ohne die Absicht der Gewinnerzielung erfolgt und das Unternehmen selbst nicht von Gesetzes wegen unmittelbar zu derartiger Hilfeleistung verpflichtet ist.
2. Ob ein Mischunternehmen überwiegend tendenzgeschützten Bestimmungen dienst richtet sich danach, in welcher Größenordung das Unternehmen seine personellen und sonstigen Mittel zur Verwirklichung seiner tendenzgeschützten und anderen Ziele einsetzt. Bei personalintensiven Unternehmen liegt daher das Hauptaugenmerk auf dem Umfang der für die geschützten Ziele eingesetzten Arbeitszeit aller Arbeitnehmer.
3. Es steht dem Tendenzcharakter nicht entgegen, dass der Beteiligte zu 1) für die überwiegende Mehrzahl ihrer Bewohner Dienstleistungen anbietet, die er sich vergüten lässt und die gleichen Leistungen anderweitig am Markt abgefragt werden können. Dieser Umstand wäre nur dann beachtlich, wenn das Anbieten dieser Leistung sich einerseits nicht in der Hilfe am bedürftigen Menschen erschöpft und andererseits überwiegend erbracht würde. Für die Annahme karitativer Zielrichtung genügt es, wenn der Betrieb mit seiner Hilfeleistung keine eigennützigen Zwecke im Sinne einer Gewinnerzielung verfolgt, mag er auch bis zur Höhe der Kostendeckung Einnahmen aus der Betätigung, erzielen (vgl. BAG vom 29.06.1988 – 7 ABR 15/87 –, a.a.O.; vom 22.11.1995 – 7 ABR 12/95 – AP Nr. 58 zu § 118 BetrVG 1972).
Normenkette
BetrVG §§ 106, 118
Verfahrensgang
ArbG Hannover (Beschluss vom 24.06.2004; Aktenzeichen 6 BV 16/03) |
Nachgehend
Tenor
1) Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 24.06.2004 abgeändert:
Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Einigungsstelle vom 14. Dezember 2003, zugegangen am 22. Dezember 2003, unwirksam ist.
Im übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
2) Es wird festgestellt, dass die Bildung eines Wirtschaftsausschusses bei der Beteiligten zu 1) und 2) unwirksam ist.
3) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei dem gemeinnützigen Arbeitgeber, dem E… e.V., zu Recht ein Wirtschaftsausschuss gebildet worden ist, und um die Rechtswirksamkeit eines Einigungsstellenbeschlusses, der auf einer entsprechenden Feststellung beruht.
Der E… e.V. – Beteiligter zu 1) – betreibt ein gemeinnütziges Wohnstift mit einem Jahresumsatz von ca. 12,5 Mio EUR, in dem er alte Menschen betreut. Die Beteiligte zu 2), die mit ihr zusammen einen Betrieb bildet, ist gegründet worden, um Aktivitäten wahrzunehmen, welche die Anerkennung der Gemeinnützigkeit der Beteiligten zu 1) gefährden würden. Ihr jährlicher Umsatz beträgt 400.000,– EUR.
Satzungszweck des Beteiligten zu 1) ist:
„Altenhilfe, insbesondere die Führung einer Wohnstätte für alte Menschen”.
In der neuen, am 16.05.2003 zur Eintragung beantragten Satzung heißt es hierzu:
„Der Zweck des Vereins ist die Förderung der Altenhilfe, insbesondere die Führung eines Wohnstiftes für ältere Menschen einschließlich pflegerischer und kultureller Angebote”.
Konzept der Einrichtung soll auch die Erhöhung der Lebensqualität durch Prophylaxe sein. Der Gesellschaftsvertrag der Betriebsgesellschaft E… mbH sieht vor:
„Gegenstand der Gesellschaft ist der Betrieb von Einrichtungen und die Durchführung von Geschäften, die im Zusammenhang mit Altenwohnzentren stehen”. Gewinnerzielungsabsicht liegt nicht vor.
Das Eintrittsalter der Bewohner liegt zwischen 70 und 80 Jahren; das Durchschnittsalter beträgt 85,94 Jahre; die durchschnittliche Wohndauer liegt bei 12,4 Jahren. Vor 10 Jahren lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei 89 Jahren.
Die Beteiligten zu 1) und 2) beschäftigen bei 530 Bewohnern 130 Vollzeitarbeitnehmer. Die Bewohner verfügen über Mietverträge mit dem Beteiligten zu 1) und geben Darlehen, mit denen der Beteiligte zu 1) das Anlagevermögen ganz oder teilweise finanziert. Der Beteiligte zu 1) begreift sein Wohnkonzept für alte Menschen als ganzheitliches Versorgungssystem, das es ermöglicht, möglichst lange bei möglichst hoher Vitalität die Lebensqualität alter Menschen sicherzustellen. Von den 530 Bewohnern, welche die Einrichtung des Beteiligten zu 1) nutzen, sind 45 Bewohner auf der Pflegestation untergebracht. Der Beteiligte zu 1) betreut 59 Pflegefälle ambulant, außerdem sind 57 Bewohner auf dem Gelände untergebracht, die dement sind. Weitere ...