Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortführung einer Mitgliedschaft bei einer Pensionskasse
Leitsatz (amtlich)
- Die Satzung einer Pensionskasse (§ 1 Abs. 3 BetrAVG) kann Bestimmungen darüber enthalten, ob ein versichertes Mitglied nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit dem Trägerunternehmen als freiwilliges Mitglied in der Pensionskasse mit dem Recht auf Fortführung der Versicherung bleiben kann, auch wenn die Anwartschaft des Mitglieds aufgrund gesetzlicher Bestimmungen noch nicht unverfallbar geworden ist. Hängt die Fortführung der Versicherung in diesen Fällen von der Genehmigung des Vorstandes der Kasse ab, muß die Entscheidung nach billigem Ermessen getroffen werden; § 315 Abs. 1 BGB ist auf das Rechtsverhältnis zwischen Mitglied und Pensionskasse entsprechend anzuwenden.
- Eine Entscheidung nach § 315 Abs. 1 BGB setzt voraus, daß die beiderseitigen Interessen abgewogen und alle wesentlichen Umstände bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Ob die Entscheidung der Pensionskasse der Billigkeit entspricht, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB).
- Die Pensionskasse kann bei ihrer Entscheidung über die Fortführung der Versicherung die Interessen des Trägerunternehmens, dem das Mitglied angehört hat, berücksichtigen. Es entspricht der Billigkeit, wenn der Arbeitgeber (Trägerunternehmen) die Genehmigung von einer Mindestbetriebszugehörigkeit von fünf Jahren abhängig macht.
Normenkette
BetrAVG § 1; BGB §§ 162, 315; BetrAVG § 17 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 15.10.1992; Aktenzeichen 15 Sa 66/92) |
ArbG Stuttgart (Urteil vom 07.04.1992; Aktenzeichen 11 Ca 332/92) |
Tenor
- Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 15. Oktober 1992 – 15 Sa 66/92 – aufgehoben.
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 7. April 1992 – 11 Ca 332/92 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der beklagten Pensionskasse die Genehmigung zur Fortführung einer freiwilligen Mitgliedschaft.
Der Kläger war vom 1. Januar 1988 bis zum 31. März 1991 bei dem W… G… verband (WGV) als Leiter der Treuhandstelle beschäftigt. Der WGV gewährt seinen Arbeitnehmern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über die beklagte Pensionskasse. Nach der Betriebsvereinbarung vom Dezember 1984 (BV) bietet der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern mit mindestens 20 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit nach angemessener Betriebszugehörigkeit und Bewährung den Eintritt in die Pensionskasse. Das Angebot des WGV erfolgt in der Regel nach fünfjähriger Betriebszugehörigkeit und nach Vollendung des 30. Lebensjahres (1.2 BV).
Der WGV bot dem Kläger den Beitritt zur Pensionskasse mit Schreiben vom 20. Januar 1988 bereits ab Beginn des Arbeitsverhältnisses an. In dem Schreiben wies der Arbeitgeber auf die Betriebsvereinbarung vom Dezember 1984, die Satzung der Pensionskasse und deren Allgemeine Versicherungsbedingungen hin. Der Kläger nahm das Angebot an. Entsprechend den Regelungen der Betriebsvereinbarung entrichtete der Arbeitgeber die Beiträge zur Pensionskasse in Höhe von 12 % des versicherungsfähigen Gehalts von 5.000,-- DM. Von diesem Beitrag wurden 9 %-Punkte vom Arbeitgeber und 3 %-Punkte vom Kläger getragen (Abschnitt 2.3 der BV).
Der Beklagte ist eine in der Form eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit verfaßte überbetriebliche Pensionskasse. Die Arbeitnehmer der angeschlossenen Trägerunternehmen sind Versicherte dieser Kasse und deren Mitglieder. Nach § 2 Abs. 4 der Satzung des Beklagten endet die Mitgliedschaft des Versicherten, “wenn nicht ein anderes Trägerunternehmen die ordentliche Mitgliedschaft fortführt
mit Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit dem Trägerunternehmen, soweit nicht die Pensionskasse auf Antrag des Mitglieds eine freiwillige Mitgliedschaft (ohne Stimmmrecht) zuläßt oder die Anwartschaft des Mitglieds auf Grund gesetzlicher Bestimmungen … unverfallbar geworden ist und deshalb eine Mitgliedschaft ohne Stimmrecht eingeräumt ist,
…”
In § 2 Abs. 7 der Satzung heißt es:
“Die Mitgliedschaft erlischt nicht, wenn die Pensionskasse dem aus dem Beschäftigungsverhältnis beim Trägerunternehmen ausscheidenden Mitglied auf dessen Antrag die Fortführung der Versicherung genehmigt (freiwillige Mitgliedschaft ohne Stimmrecht).”
Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete durch Aufhebungsvertrag zum 31. März 1991. Vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses bat der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 24. März 1991, gemäß § 2 Abs. 7 der Satzung die Fortführung der Versicherung ab dem 1. April 1991 zu genehmigen. Der Beklagte lehnte dies ab und begründete die Ablehnung wie folgt:
“Der WGV hat uns mitgeteilt, daß bei ihm eine Regelung dahingehend besteht, daß eine Fortführung der Mitgliedschaft als freiwilliges Mitglied nur dann empfohlen wird, wenn die Mitgliedschaft bei unserer Kasse beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mindestens 5 Jahre bestanden hat.
Auf Grund dieser Stellungnahme hat der Vorstand unserer Kasse gemäß § 2 Abs. 7 unserer Satzung Ihren Antrag auf Fortführung der Versicherung als freiwilliges Mitglied abgelehnt.
Gemäß Artikel 11 Ziffer 3 unserer Allgemeinen Versicherungsbedingungen erhalten Sie Ihre Mitgliedsbeiträge mit 3,5 % Zinseszins zurückgezahlt.
…”
Die zugunsten des Klägers einbezahlten Beiträge betrugen zum Zeitpunkt seines Ausscheidens 23.400,-- DM. Der Beklagte zahlte den vom Kläger selbst getragenen Anteil der Versicherungsbeiträge nebst Zinsen, zusammen 6.248,04 DM, zurück. Der vom Arbeitgeber getragene Beitragsanteil verblieb ihm als “Stornogewinn”.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe die Fortführung der Versicherung zu Unrecht abgelehnt. Die Entscheidung der beklagten Pensionskasse entspreche nicht billigem Ermessen. Mit der Zusendung von Informationsbroschüren über die Möglichkeit der Altersversorgung beim Beklagten sei bei ihm bereits vor Abschluß des Arbeitsvertrages der Eindruck erweckt worden, eine Fortführung der Versicherung sei bei einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zum Trägerunternehmen ohne weiteres möglich. Der Beklagte könne sich nicht auf einen Beschluß des Arbeitgebers berufen, wonach die Fortführung der Mitgliedschaft erst nach einer Dauer von fünf Jahren empfohlen werde. Einen derartigen Beschluß habe der Beklagte nicht nachgewiesen. Die Empfehlung würde ihm – dem Kläger – gegenüber auch nicht wirksam sein, da sie erst nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zustande gekommen wäre.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, die Fortführung der Versicherung des Klägers beim Beklagten gemäß § 2 Abs. 7 seiner Satzung zu genehmigen,
hilfsweise,
den Beklagen zu verurteilen, die Versicherung des Klägers beim Beklagten in eine beitragsfreie Versicherung umzuwandeln.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, er könne frei entscheiden, ob er die Fortführung der Versicherung genehmigen wolle oder nicht. Im übrigen entspreche die Ablehnung billigem Ermessen. Die Empfehlung des WGV, eine Mindestmitgliedschaft von fünf Jahren für die Fortführung einer freiwilligen Mitgliedschaft vorauszusetzen, sei sachgerecht. Die dem Kläger ausgehändigten Broschüren hätten keinen Vertrauenstatbestand begründet; sie enthielten nur Eckwerte zur ersten Information. Bereits im Schreiben vom 20. Januar 1988 sei der Kläger auf die Satzung und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen hingewiesen worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben. Mit der Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Kläger kann von der beklagten Pensionskasse nicht die Genehmigung zur Fortführung einer freiwilligen Mitgliedschaft verlangen.
1. Das Landesarbeitsgericht geht zutreffend davon aus, daß der Beklagte nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) zu entscheiden hat, ob er die Fortführung der Versicherung eines aus einem Trägerunternehmen ausscheidenden Arbeitnehmers nach § 2 Abs. 7 der Satzung genehmigt. Die Satzung enthält zwar keine Regelung, unter welchen Voraussetzungen die Genehmigung zu erteilen oder zu versagen ist. Damit steht die Entscheidung aber nicht im freien Belieben des Beklagten. Im Zweifel ist die Entscheidung nach billigem Ermessen zu treffen (§ 315 Abs. 1 BGB).
§ 315 BGB ist auf die Ausübung des der Kasse nach § 2 Abs. 7 der Satzung zustehenden Gestaltungsrechts entsprechend anzuwenden. Der Anwendung dieser Vorschrift steht nicht entgegen, daß es um die Regelung eines Mitgliedschaftsverhältnisses geht. § 315 BGB enthält einen allgemeinen Grundsatz, der in der gesamten Rechtsordnung gilt. Kann in einem Rechtsverhältnis eine Seite die Rechte und Pflichten der anderen Partei durch rechtsgestaltende Erklärung beeinflussen, muß sie ihre Entscheidung nach billigem Ermessen treffen. § 315 BGB gilt daher nicht nur für Vertragsverhältnisse; die Bestimmung ist auch auf sonstige Rechtsverhältnisse entsprechend anzuwenden. Das Ausmaß der Analogiefähigkeit ist allerdings umstritten (vgl. Soergel-Wolf, BGB, 11. Aufl., § 315 Rz 9; Staudinger/Mayer-Maly, BGB, 12. Aufl., § 315 Rz 1 und Rz 36 ff.; MünchKomm-Söllner, BGB, 2. Aufl., § 315 Rz 31 ff.; von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 76). Der Senat hat sogar Satzungsänderungen von Versorgungseinrichtungen einer Billigkeitskontrolle unterzogen (vgl. Urteil des Senats vom 14. November 1974 – 3 AZR 547/73 – AP Nr. 1 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Zusatzversorgung, zu I 2 der Gründe; Urteil des Senats vom 26. Mai 1981 – 3 AZR 1175/79 – AP Nr. 6 zu § 242 BGB Ruhegehalt-Zusatzversorgung, zu II 2 der Gründe). Im übrigen berührt die Fortführungsentscheidung der Pensionskasse nicht nur das Mitgliedschaftsverhältnis und das Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien, sondern auch das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Trägerunternehmen WGV. Die Möglichkeit, eine Versicherung nach dem Ausscheiden weiterführen zu können, ist ein Umstand, der die Eingehung und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses entscheidend beeinflussen kann. Für den Arbeitnehmer und die Planung seiner Altersversorgung haben die Entscheidungen des Versicherers große Bedeutung.
2. Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Beklagten zu Unrecht beanstandet.
a) Eine Entscheidung nach § 315 BGB setzt voraus, daß die beiderseitigen Interessen abgewogen und dabei alle wesentlichen Umstände berücksichtigt werden (BAGE 47, 238, 249 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht, zu A II 2 der Gründe; BAGE 55, 53 = AP Nr. 131 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB).
Davon zu unterscheiden ist die Frage, inwieweit die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich überprüft werden kann. Diese Frage wird in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht einheitlich beantwortet. Während der Fünfte Senat und ihm folgend der Zweite Senat die Auffassung vertreten haben, die Entscheidung sei in der Revisionsinstanz unbeschränkt nachzuprüfen (BAGE 47, 238, 249 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht, zu A II 2 der Gründe; Urteil vom 19. Juni 1985 – 5 AZR 57/84 – AP Nr. 11 zu § 4 BAT, zu A II 2a der Gründe; Urteil vom 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – AP Nr. 36 zu § 611 BGB Direktionsrecht, zu II 2b aa der Gründe, sowie Urteile des Vierten Senats vom 28. September 1977 – 4 AZR 743/76 – und vom 26. November 1986 – 4 AZR 789/85 – AP Nr. 4 und 15 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk), hat sich der Achte Senat auf den Standpunkt gestellt, das Revisionsgericht könne nur prüfen, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff verkannt habe, den äußeren Ermessensrahmen überschritten oder innere Ermessensfehler begangen habe, also von unsachlichen Erwägungen ausgegangen sei oder wesentliche Tatsachen außer acht gelassen habe (BAGE 60, 362, 366 = AP Nr. 14 zu § 50 BAT, zu B I 2d cc der Gründe). Im Urteil vom 29. Januar 1992 (– 5 AZR 266/90 – AP Nr. 104 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 4 der Gründe) hat der Fünfte Senat die Frage unentschieden gelassen. Auch im vorliegenden Fall kann dahinstehen, welcher Auffassung zu folgen ist. Die Revision hat auch dann Erfolg, wenn nur ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab angewendet wird. Das Berufungsgericht hat bei seiner Billigkeitskontrolle wesentliche Umstände außer acht gelassen.
b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Beklagte habe sich lediglich der Empfehlung des Arbeitgebers angeschlossen, ohne die Interessen des Klägers zu berücksichtigen. Der Kläger verliere bei Ablehnung der Fortführung seiner Versicherung den bisher erworbenen Versicherungsschutz einschließlich der Beitragsanteile des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber verliere bei einer Fortführung der Versicherung zwar den “Stornogewinn”, der Versicherer habe aber durch die künftigen Beitragszahlungen des Klägers wirtschaftliche Vorteile. Schließlich habe der Arbeitgeber durch die Übersendung der Broschüre beim Kläger die Erwartung geweckt, er könne seine Versicherung nach einem Ausscheiden problemlos weiterführen.
c) Dieser Beurteilung folgt der Senat nicht. Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Abwägung wesentliche Umstände außer acht gelassen.
Es ist zunächst nicht zu beanstanden, daß sich die Pensionskasse bei ihren Entscheidungen nach vernünftig begründeten, personalpolitisch vertretbaren Erwägungen des Trägerunternehmens richtet. Die Pensionskasse ist eine Versorgungseinrichtung der Arbeitgeber. Im Rahmen der Erwägungen zur Entscheidung, ob die Versicherung eines vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmers weitergeführt werden soll, dürfen die Interessen des Arbeitgebers berücksichtigt werden. Ob und wann es zu einem allgemeinen Beschluß über die Behandlung vorzeitig ausgeschiedener Arbeitnehmer gekommen ist, ist für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich. Die erstmals in diesem Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu treffende Entscheidung muß billigem Ermessen entsprechen.
Das Landesarbeitsgericht hat den wesentlichen Umstand, daß der Kläger bis zu seinem Ausscheiden beim WGV nur 3 1/4 Jahre Mitglied der beklagten Pensionskasse war und auch das Arbeitsverhältnis nur für diese Dauer bestand, nicht ausreichend bewertet. In der Regel erlöschen die Mitgliedschaft und das Recht des Versicherten nur dann nicht, wenn die Versorgungsanwartschaft des Arbeitnehmers (Versicherten) unverfallbar geworden ist (§ 2 Abs. 4 der Satzung). Damit wird auf die im Grundverhältnis (Arbeitsverhältnis) zu erbringende Betriebstreue des Arbeitnehmers verwiesen. Nach § 1 Abs. 1 BetrAVG behält ein vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidender Arbeitnehmer nur dann seine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung, wenn die Versorgungszusage für ihn mindestens zehn Jahre bestanden hat oder der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens zwölf Jahre zurückliegt und die Versorgungszusage für ihn mindestens drei Jahre bestanden hat. Der Arbeitnehmer ist nur dann schutzwürdig, wenn er eine gewisse Mindestbetriebstreue erbracht hat. Der Arbeitgeber möchte mit der Versorgungszusage die Betriebstreue des Arbeitnehmers fördern und belohnen. Leistet der Arbeitnehmer nur eine relativ geringe Betriebstreue, so verliert er nach dieser Bestimmung seine Versorgungsanwartschaft.
Zwar können die Parteien im Arbeitsvertrag zugunsten des Arbeitnehmers von den gesetzlichen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen abweichen (§ 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG). Das haben sie im vorliegenden Fall aber nur eingeschränkt getan. Der Arbeitnehmer konnte bei einem früheren Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht auf die unbedingte Weiterführung der Versicherung vertrauen. Er mußte sich einer Entscheidung nach billigem Ermessen unterwerfen. Bestand, wie im vorliegenden Fall, für den Arbeitgeber bzw. für den Versorgungsträger ein Ermessensspielraum, so ist es nicht unbillig, wenn eine Mindestbetriebstreue von fünf Jahren verlangt wird. Diese Zeit entspricht der Hälfte der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist. Der Kläger hat im Hinblick auf die gesetzliche Wertung in § 1 Abs. 1 BetrAVG mit einer Betriebszugehörigkeit von 3 1/4 Jahren nur eine relativ geringe Betriebstreue erbracht.
Hinzu kommt, daß der Kläger die in der Betriebsvereinbarung vorgesehene normale Vorlaufzeit von fünf Jahren Betriebszugehörigkeit für die Aufnahme in die Pensionskasse nicht zu erfüllen brauchte. Mit ihm war sogleich zu Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Versorgungsvereinbarung geschlossen worden. Das war eine Vergünstigung. Der Kläger konnte aber nicht erwarten, daß bei einer Betriebstreue, die nicht einmal der regelmäßigen Vorlaufzeit entsprach, der Fortführung der Versicherung zugestimmt werde.
Aus der Übersendung der Broschüre zur Altersversorgung kann der Kläger nichts Entscheidendes zu seinen Gunsten herleiten. Der Kläger ist bereits im Schreiben des WGV vom 20. Januar 1988 auf die Satzung und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Beklagten hingewiesen worden. Er mußte daher wissen, daß bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine Genehmigung der Pensionskasse zur Fortsetzung der Versicherung erforderlich war.
3. Der Senat kann abschließend entscheiden. Der Rechtsstreit braucht nicht an die Vorinstanz (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO) zurückverwiesen zu werden.
Grundsätzlich ist die Kontrolle von Entscheidungen nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB Aufgabe des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur dann abschließend entscheiden, wenn sicher ist, daß alle maßgeblichen Tatsachen festgestellt sind (Urteil des Senats vom 8. Juni 1982 – 3 AZR 661/79 – AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Hinterbliebenenversorgung, zu 3 der Gründe, m.w.N.). Das ist vorliegend der Fall.
Unklar sind nur die Gründe, aus denen der Kläger ausgeschieden ist. Diese Gründe könnten Einfluß auf die Entscheidung über die Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses haben. So könnte sich der Beklagte unter Umständen dann nicht mit Erfolg auf die zu geringe Betriebstreue des Klägers berufen, wenn der Kläger gegen seinen Willen und ohne einen in seiner Person liegenden Grund seinen Arbeitsplatz verlassen mußte, obwohl eine längere Zusammenarbeit geplant war. Nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB darf niemand aus einem von ihm selbst treuwidrig herbeigeführten Ereignis Vorteile herleiten. Dabei muß die beklagte Pensionskasse sich das Verhalten ihres Trägerunternehmens bei der Auflösung des Arbeitsvertrages zurechnen lassen.
Auf die Beendigungsgründe kommt es im vorliegenden Fall aber nicht an. Nach dem Auflösungsvertrag vom 8. Juni 1990 endete das Arbeitsverhältnis “im gegenseitigen Einvernehmen – jedoch auf Veranlassung des WGV”. Zu den Gründen, die den Arbeitgeber zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses bewogen, hat der Kläger keine Angaben gemacht. Auch vor dem Senat wollte er dazu keine Erklärung abgeben. Es ist daher davon auszugehen, daß der Kläger keine Tatsachen vortragen will, die die Berechtigung der Entscheidung des Beklagten aus dem erörterten Grund in Frage stellen könnten.
Unterschriften
Dr. Heither, Griebeling, Dr. Wittek, Weinmann, Hayser
Fundstellen
Haufe-Index 848125 |
BAGE, 110 |
BB 1994, 361 |
BB 1994, 76 |
NZA 1994, 361 |
ZIP 1994, 148 |