Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesellschafterhaftung für Vergütungsansprüche in der Insolvenz
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Haftungsdurchgriff der Gläubiger auf die Gesellschafter einer GmbH wegen eines sog. “existenzgefährdenden Eingriffs” kommt nicht in Betracht, wenn über das Vermögen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Der Ausschluss des Haftungsdurchgriffs erfasst auch möglicherweise bestehende Ansprüche aus § 826 BGB.
2. Wird eine zum Zwecke des Personalabbaus zunächst ausgesprochene Kündigung später im Wege eines gerichtlichen Vergleich “zurückgenommen” und gehen die Parteien übereinstimmend von einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses aus und damit, dass die “zurückgenommene” Kündigung gerade nicht zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses geführt hat, so fehlt es an einer Entlassung des Arbeitnehmers im Sinne von § 113 Abs. 3 BetrVG.
Normenkette
GmbHG § 13 Abs. 2; InsO § 93; BGB § 826; BetrVG § 113 Abs. 3, § 111; ZPO § 520 Abs. 3 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche und einen Nachteilsausgleich.
Die Beklagte zu 1. ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie führte einen Drucksatz-Betrieb. In der sog. Akzidenzabteilung wurden Satz- und Montagearbeiten für hochwertige Produkte, in der sog. Zeitungsabteilung für die Zeitungsherstellung durchgeführt. In der Zeitungsabteilung erzielte die Beklagte zu 1. den größten Teil ihres Umsatzes mit den Aufträgen “Extrablatt” und “Blickpunkt”. Der Kläger war seit 1991 im Bereich des Satzes für das “Extrablatt” tätig. Im Betrieb war ein Betriebsrat gewählt.
Zum Jahreswechsel 1999/2000 übernahm die Beklagte zu 2. den Auftrag “Blickpunkt”. Die Beklagte zu 2. hielt zu dieser Zeit die Mehrheit der Geschäftsanteile der Beklagten zu 1. Aus Anlass der Auftragsübernahme wurden einige Maschinen in das Nachbargebäude geschafft, in dem die Beklagte zu 2. tätig war. Auch wurden Arbeitsplätze zur Beklagten zu 2. verlegt. Die Beklagte zu 1. war mit den bei ihr verbliebenen Satzarbeiten weiterhin ausgelastet, keiner ihrer Mitarbeiter wurde entlassen.
Zu Anfang des Jahres 2001 veräußerte die Beklagte zu 1. ihre Akzidenzabteilung an die neu gegründete Beklagte zu 4. Die in der Akzidenzabteilung beschäftigten Arbeitnehmer wechselten zur Beklagten zu 4. Diese zahlte den Kaufpreis in Höhe von etwa 350.000,00 DM an die Beklagte zu 2.; mehr als die Hälfte der Geschäftsanteile der Beklagten zu 2. wurden zu dieser Zeit von der Beklagten zu 3. gehalten.
Mitte Mai 2001 kündigten die Herausgeber des “Extrablatt” den Satzvertrag mit der Beklagten zu 1. und vergaben ihn an eine andere Setzerei. Die Beklagte zu 1. kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis des Klägers und weiterer neun Mitarbeiter der Zeitungsabteilung. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. In deren Verlauf verpflichtete sich die Beklagte zu 1. durch gerichtlichen Vergleich, die Kündigung zurückzunehmen; tatsächlich beschäftigte sie den Kläger nicht weiter.
Mit seiner im November 2001 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger gegenüber den Beklagten zu 1., 2. und 3. Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug und einen Anspruch auf Nachteilsausgleich – letzteren zusätzlich gegenüber der Beklagten zu 4. – geltend gemacht. Am 28. November 2001 kündigte die Beklagte zu 1. das Arbeitsverhältnis der Parteien erneut, nunmehr zum 31. Januar 2002. Der Kläger erweiterte die Klage um einen gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Kündigungsschutzantrag.
Am 17. Dezember 2001 wurde über das Vermögen der Beklagten zu 1. das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Arbeitsgericht hat daraufhin die gegen sie gerichtete Klage vom vorliegenden Verfahren abgetrennt.
Der Kläger hat Vergütung für die Monate Juli und August 2001, für die Zeit vom 1. bis zum 15. September 2001, die Zeit vom 17. bis 21. Dezember 2001 und die Monate Januar bis August 2002 einschließlich eines Weihnachtsgelds für 2001 verlangt; für den Zeitraum vom 16. September bis 16. Dezember 2001 hatte er Insolvenzgeld erhalten. Arbeitslosengeld, das er bezogen hat, hat er sich auf seine Forderungen anrechnen lassen. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagten zu 2. und 3. hätten für die Erfüllung seiner – des Klägers – Vergütungsansprüche gegen die Beklagte zu 1. einzustehen. Er hat behauptet, die Beklagte zu 2. als Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten zu 1. und die Beklagte zu 3. als Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten zu 2. hätten die Geschäftschancen der Beklagten zu 1. im eigenen wirtschaftlichen Interesse vereitelt. Der Kläger hat ferner gemeint, er habe gegen die Beklagten zu 2., 3. und 4. einen Anspruch auf Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG. Die Beklagte zu 1. habe über den Personalabbau in der Zeitungsabteilung im Mai/Juni 2001 einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat nicht versucht, obwohl die dafür erforderliche Betriebsgröße vorgelegen habe: Sie habe zu diesem Zeitpunkt einen Gemeinschaftsbetrieb mit den Beklagten zu 2. und 4. geführt, in dem sämtliche Satzarbeiten verrichtet und über 30 Arbeitnehmer beschäftigt worden seien.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten zu 2., 3. und 4. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn als Nachteilsausgleich 23.242,82 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach dem Diskontüberleitungsgesetz seit dem 1. September 2001 zu zahlen,
2. die Beklagten zu 2. und 3. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn – nach Monaten aufgeschlüsselt – weitere insgesamt 27.361,56 Euro brutto abzüglich 10.308,47 Euro Arbeitslosengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach dem Diskontüberleitungsgesetz auf die monatlichen Differenzbeträge jeweils seit dem Beginn des Folgemonats zu zahlen.
Die Beklagten des vorliegenden Verfahrens haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben die Ansicht vertreten, ein Anspruch des Klägers auf Nachteilsausgleich bestehe schon deshalb nicht, weil die Beklagte zu 1. nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt habe; keine von ihnen habe einen Gemeinschaftsbetrieb mit der Beklagten zu 1. geführt. Auch die Voraussetzungen einer Haftung für mögliche Verbindlichkeiten der Beklagten zu 1. aus Annahmeverzug lägen nicht vor. Die Beklagten zu 2. und 3. haben bestritten, in die Geschäftschancen der Beklagten zu 1. eingegriffen zu haben. Diese sei mit dem verbliebenen Auftrag “Extrablatt” weiterhin existenzfähig gewesen; durch die Zahlung des Kaufpreises für die Akzidenzabteilung an die Beklagte zu 2. sei die Beklagte zu 1. von eigenen Verbindlichkeiten dieser gegenüber befreit worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 4. richtete; es hat sie zurückgewiesen, soweit sie gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagten zu 2. und 3. gerichtet war. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitgericht hat richtig entschieden.
I. Im Umfang ihrer Verwerfung ist die Berufung unzulässig. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, soweit die Berufung die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 4. angreife, genüge ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
1. Nach § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine klare Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll; bei verschiedenen Streitgegenständen gilt dies für jeden von ihnen gesondert (BAG 22. Juli 2003 – 1 ABR 28/02 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 108 = EzA BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 4, zu B I der Gründe mwN). Andernfalls kann die Berufungsbegründung ihren Zweck, eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs herbeizuführen (Thomas/Putzo ZPO 26. Aufl. § 520 Rn. 20), Berufungsgericht und Gegner darüber zu unterrichten, wie der Berufungskläger den Streitfall beurteilt wissen will, und sie in die Lage zu versetzen, sich auf die Rechtsmittelangriffe erschöpfend vorzubereiten (BGH 11. Mai 1999 – IX ZR 298/97 – NJW 1999, 2435, zu I 1 der Gründe mwN), nicht erfüllen. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein. Sie muss klar und konkret erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher und rechtlicher Art und aus welchen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält (BAG 6. März 2003 – 2 AZR 596/02 – AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 32, zu II 1a der Gründe mwN). Hat das Gericht seine Entscheidung auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss der Berufungskläger in der Berufungsbegründung für jede dieser Erwägungen darlegen, warum sie nach seiner Auffassung die angegriffene Entscheidung nicht trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel insgesamt unzulässig (BAG 11. März 1998 – 2 AZR 497/97 – BAGE 88, 171, zu I der Gründe).
2. Danach hat sich der Kläger mit den Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils nicht hinreichend auseinander gesetzt. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung für die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 4. ausgeführt, selbst bei Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs richteten sich die Zahlungsansprüche nicht gegen sämtliche am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgeber, sondern grundsätzlich nur gegen den jeweils eigenen Vertragspartner, hier die Beklagte zu 1. In der Berufungsbegründung hat der Kläger dieser Auffassung entgegengehalten, die Beklagte zu 4. hafte für Nachteilsausgleichsansprüche, weil sie am Gemeinschaftsbetrieb beteiligt gewesen sei.
Darin liegt keine hinreichende Diskussion des angefochtenen Urteils. Zwar kann vom Rechtsmittelführer nicht mehr an Begründung verlangt werden als vom Gericht seinerseits aufgewendet (BAG 16. März 2004 – 9 AZR 323/03 – AP TzBfG § 8 Nr. 10 = EzA TzBfG § 8 Nr. 8, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu A II 1 der Gründe). Weil aber das Arbeitsgericht darauf abgestellt hatte, dass sich Zahlungsverpflichtungen auch bei Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs nur gegenüber dem Vertragsarbeitgeber ergeben könnten, hätte der Kläger darlegen müssen, weshalb diese Auffassung des Arbeitsgerichts unrichtig sein soll. Mit dem Bemerken, dass die Beklagte zu 4. am Gemeinschaftsbetrieb beteiligt gewesen sei – was das Arbeitsgericht gerade unterstellt hatte –, ist der Kläger auf das tragende Argument des Arbeitsgerichts nicht eingegangen.
II. Die Klage gegen die Beklagten zu 2. und 3. ist nicht begründet. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
1. Ein Anspruch auf Nachteilsausgleich besteht nicht.
a) Nach § 113 Abs. 1, Abs. 3 BetrVG setzt ein solcher Anspruch voraus, dass der Unternehmer eine geplante Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden. Zwar hat die Beklagte zu 1. als Arbeitgeberin des Klägers einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat über die von ihr geplante Entlassung von zehn Mitarbeitern der Zeitungsabteilung im Mai 2001 nicht versucht. Es ist jedoch fraglich, ob sie dazu verpflichtet war.
aa) Gemäß § 111 BetrVG in seiner bis zum 27. Juli 2001 geltenden und deshalb auf den Streitfall anzuwendenden Fassung hatte der Unternehmer den Betriebsrat an einer beabsichtigten Betriebsänderung nur zu beteiligen “in Betrieben” mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern. Der Kläger hat behauptet, die Beklagte zu 1. habe ihren Betrieb als Gemeinschaftsbetrieb mit den Beklagten zu 2. und 4. geführt; in diesem seien etwa 30 Arbeitnehmer beschäftigt worden.
bb) Der Kläger hat zu der für einen Gemeinschaftsbetrieb erforderlichen Einheit der betrieblichen Organisation bislang nicht ausreichend vorgetragen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf eine Beteiligung der Beklagten zu 2. Der Kläger hat behauptet, dass nicht deren gesamter Betrieb Teil des Gemeinschaftsbetriebs gewesen sei, sondern nur die Satzabteilung. Das ist nur denkbar, wenn innerhalb des Betriebs der Beklagten zu 2. eine betriebsverfassungsrechtlich beachtliche Grenze zwischen der Satzabteilung und den übrigen Betriebsteilen verlaufen wäre. Dies wiederum begegnet schon von der Rechtskonstruktion her kaum auszuräumenden Bedenken und wird in tatsächlicher Hinsicht vom bisherigen Vorbringen des Klägers nicht getragen.
b) Ob der Kläger in einem ausreichend großen (Gemeinschafts-)Betrieb beschäftigt wurde, muss nicht weiter aufgeklärt werden. Ebenso kann dahinstehen, ob beim Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs neben der Beklagten zu 1. auch die Beklagten zu 2. und 4. Schuldnerinnen eines Nachteilsausgleichsanspruchs geworden wären (vgl. dazu Däubler FS Zeuner S. 19, 27 f.; die Frage offen lassend BAG 12. November 2002 – 1 AZR 632/01 – BAGE 103, 312, zu A II 2e aa der Gründe). Nach § 113 Abs. 3 BetrVG setzt der Anspruch auf Nachteilsausgleich voraus, dass die betreffenden Arbeitnehmer infolge der Betriebsänderung entlassen worden sind oder andere wirtschaftliche Nachteile erlitten haben. Das ist hier nicht der Fall.
aa) Eine Entlassung iSv. § 113 Abs. 3 BetrVG liegt nur vor, wenn das Arbeitsverhältnis im Zusammenhang mit der Betriebsänderung rechtlich beendet worden ist. Der damit einhergehende Verlust des Arbeitsplatzes ist der wirtschaftliche Nachteil, der nach § 113 Abs. 3, Abs. 1 BetrVG durch eine Abfindung ausgeglichen werden soll (BAG 31. Oktober 1995 – 1 AZR 372/95 – AP ArbGG 1979 § 72 Nr. 29 = EzA ArbGG 1979 § 72 Nr. 20, zu B I 2a der Gründe). Daran fehlt es, wenn gegen eine ausgesprochene Kündigung Klage erhoben und die Unwirksamkeit der Kündigung rechtskräftig festgestellt wird (BAG 31. Oktober 1995 – 1 AZR 372/95 – aaO).
bb) Hier liegt zwar keine rechtskräftige Entscheidung vor, die auf die Unwirksamkeit der Kündigung aus Mai 2001 und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien erkannt hätte. Diese Kündigung ist aber von der Beklagten zu 1. “zurückgenommen” worden. Dementsprechend gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass die Kündigung vom Mai 2001 nicht zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses geführt hat.
Unter diesen Umständen fehlt es an einer “Entlassung” des Klägers, zu der die Betriebsänderung vom Mai 2001 geführt hätte. Der Umstand, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers im November 2001 erneut gekündigt wurde, ist insoweit ohne Bedeutung. Unbeschadet des noch offenen Ausgangs der vom Kläger auch dagegen erhobenen Kündigungsschutzklage beruht die Kündigung vom November 2001 nicht mehr auf der im Mai 2001 beabsichtigten Betriebsänderung. Mögliche Nachteilsausgleichsansprüche im Zusammenhang mit einem späteren Personalabbau sind nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.
2. Der Kläger kann von den Beklagten zu 2. und 3. keine Gehaltszahlungen verlangen. Die Beklagten zu 2. und 3. haften nicht für Vergütungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 1. Dafür fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
a) Eine Haftung der Beklagten zu 2. und 3. erwächst nicht aus dem möglichen Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs. Selbst wenn die Beklagte zu 2. einen Betrieb zusammen mit der Beklagten zu 1. geführt haben sollte, hätte dies nicht zur Folge, dass sie für Gehaltsansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 1. haftet. Ein Arbeitnehmer bleibt auch im Gemeinschaftsbetrieb individualrechtlich Vertragspartner allein des Arbeitgebers, mit dem er ein Arbeitsverhältnis begründet hat. Nur diesem gegenüber stehen ihm vertragliche Vergütungsansprüche – ggf. aus Annahmeverzug – zu (BAG 7. Dezember 2000 – 2 AZR 585/99 –, zu B I 2c der Gründe).
b) Die Beklagten zu 2. und 3. haben nicht nach Maßgabe der Grundsätze zur konzernrechtlichen Ausfallhaftung für Verbindlichkeiten der Beklagten zu 1. einzustehen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Gesellschafter einer GmbH für diejenigen Nachteile einstehen, die den Gesellschaftsgläubigern dadurch entstehen, dass sie – die Gesellschafter – der Gesellschaft Vermögen entzogen haben, das diese zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten benötigt (BGH 24. Juni 2002 – II ZR 300/00 – BGHZ 151, 181; 25. Februar 2002 – II ZR 196/00 – BGHZ 150, 61). Solche “existenzgefährdenden Eingriffe” in das Vermögen der Gesellschaft führen zu einer Ausfallhaftung der Gesellschafter mit der Folge, dass diese sich nicht auf die Haftungsbegrenzung des § 13 Abs. 2 GmbHG berufen können. Ein existenzgefährdender Eingriff liegt vor, wenn ein Gesellschafter beim Zugriff auf das Vermögen oder bei einer Vereitelung von Geschäftschancen der Gesellschaft keine angemessene Rücksicht auf deren eigene Belange nimmt; diese sind seiner Disposition entzogen. Die Gesellschafter haben damit beim Abzug von Vermögen der Gesellschaft darauf zu achten, dass diese die Fähigkeit zur Bedienung ihrer Verbindlichkeiten behält (BGH 25. Februar 2002 – II ZR 196/00 – aaO).
bb) Das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für einen existenzgefährdenden Eingriff der Beklagten zu 2. in das Vermögen der Beklagten zu 1. bejaht. Es hat ihn nicht im Entzug des Auftrags “Blickpunkt”, aber in dem Umstand gesehen, dass der Kaufpreis für die Übertragung der Akzidenzabteilung an die Beklagte zu 4. am Jahresbeginn 2001 von dieser nicht an die Beklagte zu 1., sondern an sie selbst – die Beklagte zu 2. – entrichtet wurde.
cc) Ob dem zu folgen ist, kann dahinstehen. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht entschieden, dass ein Haftungsdurchgriff des Klägers auf die Beklagten zu 2. und 3. auch dann nicht in Betracht kommt. Eine Außenhaftung und unmittelbare Inanspruchnahme der ohne die gebotene Rücksicht auf die Belange der Gesellschaft handelnden Gesellschafter durch die benachteiligten Gesellschaftsgläubiger scheidet aus, wenn über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. In diesem Fall kann im Interesse anderer Gläubiger nur der Insolvenzverwalter die in erster Linie ohnehin der Gesellschaft selbst zustehenden Ansprüche gegen die Gesellschafter auf Ausgleich der ihr durch den existenzvernichtenden Eingriff entstandenen Nachteile geltend machen (vgl. BGH 24. Juni 2002 – II ZR 300/00 – BGHZ 151, 181; Altmeppen ZIP 2002, 1553, 1560; Nassall ZIP 2003, 969, 972).
Eine solche Einschränkung entspricht dem in § 93 InsO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken. Danach kann die persönliche Haftung der Gesellschafter einer Personengesellschaft während der Dauer des über das Vermögen der Gesellschaft eröffneten Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden. Andernfalls würde zumindest mittelbar der das Insolvenzverfahren beherrschende Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger verletzt. Es stünde ein Wettlauf der Gesellschaftsgläubiger zu befürchten, die ohne Rücksicht auf die Verteilungsgrundsätze des Insolvenzverfahrens ihre Forderungen gegen die Insolvenzschuldnerin durch Inanspruchnahme der Gesellschafter zu realisieren suchten. Sind die Gesellschafter nur eingeschränkt leistungsfähig, müssten andere Gläubiger befürchten, mit ihren Forderungen auszufallen. Das gesetzgeberische Ziel des § 93 InsO, die persönliche Haftung der Gesellschafter der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger zugute kommen zu lassen, geriete in Gefahr. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Insolvenzverwalter, der sich an diesem Wettlauf beteiligen müsste, mit seinem Versuch, die Masse durch die persönliche Inanspruchnahme der Gesellschafter aufzufüllen, zu spät käme.
c) Ansprüche aus § 826 BGB bestehen ebenfalls nicht. Nach dieser Vorschrift ist zum Schadensersatz verpflichtet, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt. Die Tatbestandsvoraussetzungen sind erfüllt, wenn GmbH-Gesellschafter der Gesellschaft planmäßig und zu ihrem eigenen Vorteil Vermögen entziehen und auf diese Weise die Gläubiger der Gesellschaft durch eine Verringerung der Zugriffsmasse schädigen (BGH 24. Juni 2002 – II ZR 300/00 – BGHZ 151, 181, zu 1 der Gründe).
Ob diese Voraussetzungen im Streitfall vorliegen, kann erneut dahinstehen. Auch wenn ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten zu 2. und 3. entstanden sein sollte, vermöchte ihn der Kläger wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten zu 1. nicht geltend zu machen. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, dass das Ziel der gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger durch eine deliktische (Außen-)Haftung der Gesellschafter gleichermaßen vereitelt würde. Wird die Schädigung durch eine Verringerung der Zugriffsmasse von Seiten der Gesellschafter nicht gezielt gegen einen bestimmten Gesellschaftsgläubiger geführt, sondern – wie hier – gegen die Gläubiger in ihrer Gesamtheit, führt deshalb die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu einer Durchsetzungssperre auch für mögliche Ansprüche aus § 826 BGB. Im Übrigen kann die Höhe eines Schadens erst bemessen werden, wenn feststeht, in welchem Umfang die Gesellschaft nach Abschluss des Insolvenzverfahrens tatsächlich ausfällt.
Unterschriften
Linsenmaier, Kreft, Hayen, Rath
zugleich für den in den Ruhestand versetzten Präsidenten Prof. Dr. Wißmann
Fundstellen