Entscheidungsstichwort (Thema)
13. Monatseinkommen im Baugewerbe. Fahrerstunden
Leitsatz (amtlich)
Übernimmt ein Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit mit einem vom Arbeitgeber gestellten Fahrzeug die Beförderung von Arbeitnehmern zur Baustelle, so ist die dafür in einer Betriebsvereinbarung festgelegte Vergütung nicht in die Berechnung des 13. Monatseinkommens nach § 2 Abs. 2 des Tarifvertrages über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe einzubeziehen.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 30.06.1993; Aktenzeichen 2 Sa 525/93) |
ArbG Essen (Urteil vom 17.02.1993; Aktenzeichen 5 Ca 3954/92) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. Juni 1993 – 2 Sa 525/93 – wird zurückgewiesen.
- Der Kläger trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe eines 13. Monatseinkommens für das Jahr 1992.
Der Kläger ist seit 1967 bei der Beklagten, die ein Bauunternehmen betreibt, als Baumaschinenführer zu einem Bruttostundenlohn von 23,56 DM beschäftigt. Zusätzlich hat er übernommen, Arbeitskollegen mit einem von der Beklagten gestellten Firmenfahrzeug zur Bau- oder Arbeitsstelle und zurückzufahren. Die Fahrerstunden werden mit 20,53 DM brutto vergütet. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) und der Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe (TV 13. Monatseinkommen) Anwendung.
Der BRTV-Bau enthält – soweit hier von Bedeutung – folgende Regelungen:
§ 3 Nr. 1.5 Beginn und Ende der Arbeitszeit an der Arbeitsstelle
“Die Arbeitszeit beginnt und erdet an der Arbeitsstelle, sofern zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine andere Vereinbarung getroffen wird. Bei Baustellen von größerer Ausdehnung beginnt und endet die Arbeitszeit an der vom Arbeitgeber im Einvernehmen mit dem Betriebsrat zu bestimmenden Sammelstelle. Kommt eine Einigung im Falle des Satzes 2 nicht zustande, so sind vor Anrufung der tariflichen Schlichtungsstelle die Organisationsvertreter zu hören.”
§ 5 Nr. 3. Lohnanspruch
“Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf den Gesamttarifstundenlohn der für ihn maßgebenden Berufsgruppe. Der Gesamttarifstundenlohn setzt sich aus dem Tarifstundenlohn und dem Bauzuschlag zusammen.
Übernimmt der Arbeitnehmer außerhalb seiner Arbeitszeit mit einem vom Arbeitgeber gestellten Fahrzeug die Beförderung von Arbeitnehmern zur Bau- oder Arbeitsstelle des Betriebes (Hin- und/oder Rückfahrt), so ist die Vergütung für diese Tätigkeit einzelvertraglich zu regeln.”
§ 7 Nr. 3.1 Fahrtkostenabgeltung
“Der Arbeitnehmer, der auf einer mindestens 6 km von seiner Wohnung entfernten Bau- oder Arbeitsstelle außerhalb des Betriebes arbeitet, und dem kein Auslösungsanspruch gemäß Nr. 4.1 zusteht, hat Anspruch auf Fahrtkostenabgeltung. Unterhält der Arbeitnehmer mehrere Wohnungen, so bemißt sich die Entfernung von der der Bau- oder Arbeitsstelle nächstgelegenen Wohnung…
Ein Anspruch auf Fahrkostenabgeltung besteht nicht, wenn die Möglichkeit der kostenlosen Beförderung mit einem vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten ordnungsgemäßen Fahrzeug gegeben wird…”
Am 19. Juni 1991 wurde zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen. In der Vereinbarung heißt es:
“
Zwecks Regelung der Bus-Fahrerstunden wird zwischen der Firma S… & Co. und deren Betriebsrat ab 1.7.1991 folgende Regelung vereinbart:
1. |
a) |
ganzjährig bis 25 km |
= 1 Fahrerstunde |
b) |
ganzjährig zwischen 25 – 75 km |
= 2 Fahrerstunden |
c) |
ab 76 km jeweils nach besonderer Vereinbarung… |
“
In den Monaten Dezember 1991 bis Oktober 1992 wurden vom Kläger 60 Fahrerstunden erbracht.
§ 2 des Tarifvertrages über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe enthält – soweit vorliegend von Interesse – folgende Regelung:
- “
- Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis a.m 30. November des laufenden Kalenderjahres (Stichtag) mindestens zwölf Monate ununterbrochen besteht, haben Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen. Es beträgt … ab 1. Januar 1992 10,7 v.H. ihres in der Zeit vom 1. Dezember des Vorjahres bis zum Stichtag (Berechnungszeitraum) erzielten Arbeitsentgelt, mindestens jedoch das 102fache ihres in der Lohntabelle ausgewiesenen Gesamttarifstundenlohnes (Mindestbetrag).
Arbeitsentgelt ist der Gesamttarifstundenlohn, der sich für den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Fälligkeit des 13. Monatseinkommens aus der Lohntabelle ergibt, vervielfacht mit der Zahl der im Berechnungszeitraum tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Als solche gelten auch die Stunden, für die nach
ein Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bestand.”
Bei der Berechnung des 13. Monatseinkommens wurden von der Beklagten die Fahrerstunden nicht einbezogen.
Der Kläger meint, die Beklagte hätte bei der Berechnung des 13. Monatseinkommens die Fahrerstunden berücksichtigen müssen. Die Beförderung der Arbeitskollegen sei eine Arbeitsleistung gem. § 611 BGB. Die Tätigkeit sei fremdbestimmt. Sie sei nach Anweisung der Beklagten zu bestimmten Zeiten zu erbringen. Es handele sich um tatsächlich geleistete Arbeitsstunden im Sinne von § 2 Abs. 2 des Tarifvertrages über die Gewährung eines 13, Monatseinkommens im Baugewerbe. Die Betriebspartner hätten in der Betriebsvereinbarung von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Beginn und Ende der Arbeitszeit abweichend vom Tarifvertrag zu vereinbaren. Ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG liege nicht vor. § 5 Nr. 3 Abs. 2 BRTV enthalte eine Öffnungsklausel. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne die Vergütung für die Fahrertätigkeit auch in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 130,35 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag auszuzahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der Kläger werde nicht im arbeitsrechtlichen Sinne als “Fahrer” beschäftigt. Die Beförderung der Arbeitskollegen werde im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses erbracht. Aus § 5 Nr. 3 Abs. 2 BRTV i.V.m. § 3 Nr. 1.5 BRTV ergebe sich, daß die Fahrertätigkeit keine Arbeitszeit darstelle.
Die Höhe der Fahrervergütung berechne sich anders als das 13. Monatseinkommen nicht nach dem Gesamttarifstundenlohn. Es sei eine Pauschalvergütung. Die Einbeziehung einer Pauschalvergütung in die Berechnung des 13. Monatseinkommens sei in § 2 Abs. 2 des Tarifvertrages über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe nicht vorgesehen. Die Tarifvertragsparteien hätten abschließend geregelt, welche Stunden in die Berechnung des 13. Monatseinkommens fließen sollten, nämlich geleistete Arbeitsstunden im Zeitlohn, im Akkord, Überstunden und Stunden der Reisezeit. Die abschließende Aufzählung der den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden gleichgestellten Stunden erfasse nicht die Fahrervergütung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf ein höheres 13. Monatseinkommen nicht zu. Die Vergütung für die Fahrerstunden ist in die Berechnung des 13. Monatseinkommens nach § 2 Abs. 1 TV 13. Monatseinkommen nicht einzubeziehen.
I. Aus dem Tarifwortlaut und dem tariflichen Gesamtzusammenhang, die für die Tarifauslegung maßgebend sind (BAGE 46, 308, 310 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) folgt, daß die Fahrerstunden bei der Berechnung des 13. Monatseinkommens nicht zu berücksichtigen sind.
Nach § 7. Abs. 1 TV 13. Monatseinkommen beträgt das 13. Monatseinkommen 10,7 v.H. des im Berechnungszeitraum erzielten Arbeitsentgelts. Arbeitsentgelt i.S. dieser tariflichen Bestimmung ist jedoch nicht der von dem Arbeitnehmer im Bezugszeitraum erzielte Gesamtverdienst, zu dem auch die Vergütung für die Fahrerstunden gehören würde. Vielmehr haben die Tarifvertragsparteien in § 2 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen abschließend bestimmt, wie das Arbeitsentgelt i.S.v. § 2 Abs. 1 TV 13. Monatseinkommen zu berechnen ist. Danach ist das Arbeitsentgelt aus dem Gesamttarifstundenlohn vervielfacht nach der Zahl der im Berechnungszeitraum tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden zu ermitteln.
Die Vergütung für die Fahrertätigkeit gehört nicht zum Gesamttarifstundenlohn. Dies ergibt sich aus § 5 Nr. 3 Abs. 1 BRTV-Bau. Danach setzt sich der Gesamttarifstundenlohn aus dem Tariflohn und dem Bauzuschlag zusammen. Die Vergütung für die Fahrertätigkeit ist hingegen nach § 5 Nr. 3 Abs. 2 BRTV-Bau einzelvertraglich zu regeln, wobei auch eine betriebliche Regelung in Form einer Betriebsvereinbarung zulässig ist (vgl. BAG Urteil vom 1. Dezember 1992 – 1 AZR 234/92 – AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt).
Die aufgrund der Betriebsvereinbarung pauschal ermittelten Stunden zur Vergütung der Fahrertätigkeit sind auch nicht als tatsächlich geleistete Arbeitsstunden i.S.v. § 2 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen anzusehen.
Zu den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden im Tarifsinne zählen nur solche Arbeitsstunden, die innerhalb der Arbeitszeit geleistet werden und für die dem Arbeitnehmer der für die Hauptleistungspflicht zustehende Gesamttarifstundenlohn zu zahlen ist. Dies folgt aus dem von den Tarifvertragsparteien in § 2 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen festgelegten Berechnungsmodus, der eine Vervielfachung des jeweiligen Gesamttarifstundenlohns mit den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden vorsieht.
Demgegenüber ist nach der tariflichen Regelung in § 5 Nr. 3 Abs. 2 BRTV-Bau die Fahrertätigkeit außerhalb der Arbeitszeit zu leisten und als eine mit der Hauptleistungspflicht nicht vergleichbare Tätigkeit (vgl. BAG Urteil vom 1. Dezember 1992 – 1 AZR 234/92 – AP Nr. 3 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt) auch nicht mit dem Gesamttarifstundenlohn, sondern mit der gesondert zu vereinbarenden Vergütung abzugelten.
Die Fahrertätigkeit fällt auch nicht unter die Tatbestände, die die Tarifvertragsparteien in § 2 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden gleichgestellt haben. Insoweit haben die Tarifvertragsparteien nur den gesetzlich festgelegten Lohnfortzahlungsverpflichtungen Rechnung getragen. Mit diesen ist die nach § 5 Nr. 3 BRTV-Bau einzelvertraglich oder betrieblich zu regelnde Vergütungspflicht für Fahrerstunden nicht vergleichbar.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Hauck, Fr. Holze, Lindemann
Richter Dr. Freitag ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert
Matthes
Fundstellen
Haufe-Index 857024 |
NZA 1995, 1005 |