6.1 Umgang mit den Ergebnissen des betrieblichen Eingliederungsmanagements
Die Verpflichtung der Arbeitgeber im Rahmen des § 167 Abs. 2 SGB IX besteht zunächst nicht in konkreten Maßnahmen, sondern sie haben "nur" die Pflicht zur Klärung möglicher Maßnahmen zur Reduzierung oder Überwindung der Arbeitsunfähigkeitszeiten und darüber hinaus auch noch zur Hinzuziehung der Rehabilitationsstellen oder des Integrationsamts. Weitergehende Handlungspflichten werden dem Arbeitgeber durch § 167 Abs. 2 SGB IX nicht auferlegt. Daher ergibt sich aus dieser Vorschrift selbst kein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes; so muss der Arbeitgeber z. B. nach dieser Vorschrift den häufiger erkrankten Arbeitnehmer nicht auf einen Schonarbeitsplatz nach dessen Wünschen versetzen.
Auch kann zwar eine stufenweise Wiedereingliederung Ergebnis des betrieblichen Eingliederungsmanagements sein. Einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung entsprechend den Vorgaben eines Wiedereingliederungsplans räumt § 167 Abs. 2 SGB IX dem Betroffenen allerdings nicht ein. Ein solcher Anspruch kann sich nur aus anderen Normen ergeben.
Ein Wiedereingliederungsverhältnis ist Vertragsverhältnis eigener Art, zu dessen Begründung es einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf, wobei für beide Seiten das Prinzip der Freiwilligkeit gilt. Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB IX kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, an einer stufenweisen Wiedereingliederung eines schwerbehinderten Beschäftigten in das Erwerbsleben dergestalt mitzuwirken, dass er diesen entsprechend den Vorgaben eines Wiedereingliederungsplans beschäftigt.
Davon getrennt zu betrachten ist die Frage, ob der Arbeitgeber angesichts positiver Ergebnisse aus dem betrieblichen Eingliederungsmanagement gleichwohl krankheitsbedingt kündigen kann. Der Arbeitgeber hat vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung eine durch ein betriebliches Eingliederungsmanagement empfohlene Rehabilitationsmaßnahme schon von sich aus in Erwägung zu ziehen und ihre Durchführung in die Wege zu leiten. Hat das betriebliche Eingliederungsmanagement zu einem positiven Ergebnis geführt, ist der Arbeitgeber grundsätzlich gehalten, die empfohlene Maßnahme – soweit dies in seiner alleinigen Macht steht – umzusetzen. Dies gilt jedenfalls vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung. Für die Frage, ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Zuweisung eines anderen leidensgerechten Arbeitsplatzes hat, ist zu unterscheiden zwischen schwerbehinderten/gleichgestellten und sonstigen Arbeitnehmern.
Vorab ist auf Folgendes hinzuweisen: Ergibt sich aus oder in Zusammenhang mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement, dass der Arbeitnehmer die ihm zuletzt zugewiesene Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausführen kann, gerät der Arbeitgeber zunächst entgegen weit verbreiteter Ansicht nicht in Annahmeverzug, wenn er ihm nicht eine leidensgerechte Tätigkeit zuweist. In Annahmeverzug kann der Arbeitgeber nämlich nur dann geraten, wenn der Beschäftigte die geschuldete Tätigkeit überhaupt auszuüben in der Lage ist (§ 297 BGB). Geschuldete Tätigkeit in diesem Sinne ist die ihm zuletzt vom Arbeitgeber aufgrund des Weisungsrechts zugewiesene Tätigkeit. Eine andere Tätigkeit schuldet der Arbeitnehmer nicht. Allerdings kann der in der Ausübung der zugewiesenen Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkte Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen nach § 241 Abs. 2 BGB die Neuausübung des Weisungsrechts verlangen, bei der der Arbeitgeber sodann im Rahmen seiner Ermessensausübung nach § 106 GewO auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Arbeitnehmers im Rahmen seiner betrieblichen Möglichkeit Rücksicht zu nehmen hat. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach, wird er nach § 280 BGB schadensersatzpflichtig. Der Schaden besteht in dem entgangenen Arbeitsentgelt. Der Beschäftigte kann auch auf der Grundlage der Ergebnisse des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 241 Abs. 2 BGB verlangen, dass der Arbeitgeber das Weisungsrecht nach § 106 GewO neu ausübt und ihm den gefundenen leidensgerechten Arbeitsplatz zuweist.
Arbeitnehmer A ist schon seit einem Jahr krank. Seine bisherige ihm zugewiesene Arbeit in der Denkmalpflege, bei der Absturzgefahr besteht, kann er aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr machen. Er schreibt seinem Arbeitgeber, dass er nunmehr seine Arbeitsleistung auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz wieder anbietet. Der Arbeitgeber unternimmt nichts. Der Arbeitnehmer klagt ab dem Zeitpunkt seines Arbeitsangebots Annahmeverzugslohn ein.
Darauf hat er keinen Anspruch. Der Arbeitgeber befindet sich nicht in Annahmeverzug, denn der Arbeitnehmer ist nicht leistungsfähig, da er die zugewiesene Tätigkeit – und alleine die ist maßgeblich – nicht mehr ausführen kann. Annahmeverzug ist in diesem Fall nach § 297 BGB ausgeschlossen.
Macht A seinem Arbeitgeber hingegen einen konkreten Vorschlag, wie er sich seine weitere leidensgerechte Beschäftigung vorstellt, so muss der Arbeitgeber prüfen...