Verfahrensgang
LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 08.07.2016; Aktenzeichen L 4 KR 483/13) |
SG Osnabrück (Aktenzeichen S 3 KR 31/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 8. Juli 2016 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten in dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob bzw in welchem Umfang die beklagte Krankenkasse von dem Kläger, einem versicherungspflichtigen Rentner, auf Kapitalleistungen aus als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherungen ab 1.8.2009 Krankenversicherungsbeiträge erheben durfte. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat die vom Kläger eingelegte Berufung gegen das ihn belastende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen. Er hatte sich zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen auf verfassungsrechtliche Überlegungen gestützt und vor allem moniert, dass die "Verbeitragung" der Kapitalleistungen gegen das Rückwirkungsverbot verstoße und er Vertrauensschutz genieße.
II
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 8.7.2016 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Mit der Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, lässt sich die Zulassung der Revision demgegenüber - der Struktur des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens entsprechend - nicht erreichen.
1. Der Kläger stützt sich in seiner Beschwerdebegründung vom 12.9.2016 allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Zur Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, dass er weiter - wie schon in den Vorinstanzen - der Auffassung sei, dass § 229 Abs 1 S 3 SGB V in der Fassung, die er durch Art 1 Nr 143 des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) mit Wirkung ab 1.1.2004 erhalten habe, verfassungswidrig sei und ihn in seinen Grundrechten verletze.
Der Kläger führt zunächst aus (S 2 ff der Beschwerdebegründung), dass er die Ausführungen der Vorinstanzen zum Topos "echte/unechte Rückwirkung" (überhaupt) nicht nachvollziehen könne. Nachdem er die Instanzentscheidungen zum Teil referiert und den Beschluss des BVerfG vom 6.9.2010 (1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10) insoweit inhaltlich zusammengefasst hat, stellt er sich auf den Rechtsstandpunkt, dass sich die Gesetzesänderung im Hinblick auf die von ihm repräsentierte Personengruppe echte - und nicht unechte - Rückwirkung beilege, weil wegen des seinerzeit bereits 30 Jahre laufenden Versicherungsvertrages ein abgeschlossener Vorgang vorgelegen habe. Auch werde der ihm zukommende Vertrauensschutz - anders als in dem vom BVerfG entschiedenen Fall - unzumutbar beeinträchtigt.
Der Kläger trägt sodann vor (S 4 der Beschwerdebegründung), dass wegen des Umstandes, dass der Versicherungsvertrag zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Neuregelung schon 30 Jahre bestanden habe, der im Kontext des Art 14 GG bzw des Art 2 Abs 1 GG zu prüfende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt sei. Außerdem würden Personen wie er gegenüber Versicherten gleichheitswidrig benachteiligt, denen Kapitalleistungen vor dem 1.1.2004 ausgezahlt worden seien.
Mit diesem Vorbringen legt der Kläger den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der gebotenen Weise dar. Der Senat lässt offen, ob der Kläger mit seinen Ausführungen überhaupt eine oder mehrere Rechtsfrage(n) hinreichend klar bezeichnet, über die in einem späteren Revisionsverfahren zu entscheiden wäre.
Jedenfalls legt er nicht substantiiert dar, dass - solchermaßen angenommene - Rechtsfragen trotz hierzu vorliegender - von ihm teilweise auch zitierter - höchstrichterlicher Rechtsprechung klärungsbedürftig geblieben oder erneut klärungsbedürftig geworden sind.
Zwar kann auch die Frage der Vereinbarkeit einer Norm - hier § 229 Abs 1 S 3 SGB V - mit Verfassungsrecht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache rechtfertigen. Jedoch muss sich der Beschwerdeführer dabei mit den - ggf von der höchstrichterlichen Rechtsprechung konkretisierten - Prüfungsmaßstäben und bei einer angenommenen Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes mit eine Ungleichbehandlung tragenden Rechtfertigungsgründen hinreichend befassen. Daran fehlt es hier: Der Kläger setzt sich nicht ansatzweise mit der Begründung des - von ihm sogar genannten - Beschlusses des BVerfG vom 7.4.2008 (1 BvR 1924/07 - SozR 4-2500 § 229 Nr 5 RdNr 34 ff) auseinander, der vom BVerfG in seinen Beschlüssen vom 6.9.2010 (1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10) und 28.9.2010 (1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11) explizit in Bezug genommen wurde. Darin hat das BVerfG ausgeführt, dass die Einbeziehung der nicht wiederkehrenden Versorgungsleistungen bei Rentnern in die (Krankenversicherungs-)Beitragspflicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist und den Vertrauensschutz dieser Personen nicht unzumutbar beeinträchtigt, weil jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwandes für Rentner entlastet und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung herangezogen werden sollten. Relevante rechtliche Gesichtspunkte, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht berücksichtigt worden sind, wurden bisher und auch von ihm nicht geltend gemacht. Insbesondere führt das Alter des Versicherungsvertrages vor Inkrafttreten der Neuregelung des § 229 Abs 1 S 3 SGB V nicht zu einer anderen Beurteilung. Das BSG hat auch in der Vergangenheit schon bei langer Laufzeit von Verträgen vor dem 1.1.2004 keine Zweifel daran gehabt, dass die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes gewahrt wurden (ua BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 16/10 R - BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12; ferner BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 24/09 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 13). Schließlich berücksichtigt der Kläger nicht, dass die Neuregelung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Vergangenheit bereits in vielerlei Hinsicht am Maßstab des Art 3 Abs 1 GG geprüft und insoweit für unbedenklich gehalten wurde (vgl nur BVerfG Beschluss vom 7.4.2008 - 1 BvR 1924/07 - SozR 4-2500 § 229 Nr 5 RdNr 30 ff; BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 24/09 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 13 RdNr 22 mwN).
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10571818 |