Verfahrensgang
LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 07.09.1999) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerinnen und Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 7. September 1999 wird als unzulässig verworfen.
Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerinnen und Kläger sind als Mitarbeiter des am 12. Februar 1991 errichteten Geologischen Landesamtes Sachsen-Anhalt von der „G. … – … GmbH”, H. …, übernommen worden. Diese Gesellschaft war (ab 1. Juli 1990) aus dem „VEB G. … H. … „, deren Arbeitnehmer den in bergbaulichen Betrieben Beschäftigten der DDR gleichgestellt waren, hervorgegangen. Die Klagen gegen den Bescheid der Beklagten vom 4. Juni 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 1993, mit dem unter Rücknahme des entgegenstehenden Feststellungsbescheides vom 27. Februar 1991 mit Wirkung ab 1. Juli 1992 die Versicherungs- und Beitragspflicht zur knappschaftlichen Renten- und Krankenversicherung beendet wurde, blieben ohne Erfolg. Das LSG hat das stattgebende Urteil des SG vom 26. Juni 1996 aufgehoben und die Klagen abgewiesen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerinnen und Kläger ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung entspricht nicht der in § 160a Abs 2 Satz 3 SGG vorgeschriebenen Form. Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 Nrn 1 bis 3 SGG genannten Gründen – grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung der angefochtenen Entscheidung von anderen Entscheidungen, Vorliegen eines Verfahrensmangels – zugelassen werden. Deshalb muß nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG in der Begründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache „dargelegt” (dh schlüssig vorgetragen) oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel „bezeichnet” werden.
a) Soweit die Klägerinnen und Kläger die Nichtzulassungsbeschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützen, genügen sie nicht ihrer Darlegungspflicht. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts – einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehört es deshalb, daß in der Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage klar formuliert und anhand der anwendbaren Rechtsnormen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung und ggf des Schrifttums aufgezeigt wird, daß diese Frage noch nicht geklärt ist, weshalb aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts eine Klärung erforderlich ist, und schließlich, daß das angestrebte Revisionsverfahren diese Klärung erwarten läßt, dh die aufgeworfene Rechtsfrage entscheidungserheblich ist (stRspr – vgl BSG Beschlüsse vom 2. März 1976 – 12/11 BA 116/75 – SozR 1500 § 160 Nr 17, vom 9. Oktober 1986 – 5b BJ 174/86 – SozR 1500 § 160a Nr 59 und vom 22. Juli 1988 – 7 BAr 104/87 – SozR 1500 § 160a Nr 65; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 106 ff mwN). Eine Rechtsfrage, deren Beantwortung sich bereits aus dem Gesetz ergibt oder die das Revisionsgericht bereits geklärt hat, ist im Regelfall nicht mehr klärungsbedürftig. Deshalb ist in diesem Falle darzulegen, warum das Gesetz oder die bisherige Rechtsprechung die Rechtsfrage nicht lösen oder warum die Rechtsprechung umstritten ist (stRspr – BSG Beschlüsse vom 2. März 1976 – 12/11 BA 116/75 – SozR 1500 § 160 Nr 17 und vom 22. Juli 1988 – 7 BAr 104/87 – SozR 1500 § 160a Nr 65).
Mit dem Vortrag, das LSG habe weitere in § 137 Nr 3 SGB VI genannte Alternativen für die Begründung einer „originären” knappschaftlichen Versicherung außer Acht gelassen und in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt, daß beabsichtigt sei, die Anstellungsbehörde der Klägerinnen und Kläger zum 1. Januar 2001 mit den Bergämtern H. … und S. … zu einer neuen Behörde zu verschmelzen, wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gestellt. Vielmehr wird versucht, neue Tatsachen und daraus abzuleitende Rechtsfolgen in das Verfahren einzuführen. Dies wäre aber im angestrebten Revisionsverfahren unzulässig, es sei denn es werden in Bezug auf die (angeblich fehlenden) Feststellungen des LSG zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht (§ 163 SGG). Insoweit wurden aber keine Verfahrensmängel (zB ein übergangener Beweisantrag) „bezeichnet”.
Dem Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache kann auch nicht der Vortrag zugeordnet werden, das LSG argumentiere widersprüchlich, wenn es einerseits feststelle, mit der Übernahme der Beschäftigungsverhältnisse der Klägerinnen und Kläger durch das Geologische Landesamt hätte sich an deren konkreter Tätigkeit nichts geändert, andererseits aber ausführe, mit eben dieser Übernahme sei die für die bergbauliche Versicherung (nach dem Rentenrecht der DDR) maßgebliche Beschäftigung weggefallen. Abgesehen davon, daß ein Widerspruch nur dann vorläge, wenn das LSG auch hinsichtlich des Wegfalls der knappschaftlichen Versicherung auf die Tätigkeit der einzelnen Klägerinnen und Kläger abgestellt hätte (und nicht auf die Änderung von Aufgabenbereich und Struktur des neuen Arbeitgebers im Vergleich zum Vorgängerbetrieb „VEB G. … H. … „; nur dessen Werktätige waren mit den in bergbaulichen Betrieben der DDR Beschäftigten gleichgestellt), ist der behauptete „Verstoß gegen Denkgesetze”, prinzipiell kein Verfahrensfehler, auf den die Nichtzulassungsbeschwerde gestützt werden könnte. Vielmehr würde es sich um einen Fehler bei der materiellen Rechtsanwendung handeln, der einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht zugänglich wäre (Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNr 198, 220 mwN).
Selbst wenn die weitere Beschwerdebegründung dahingehend zu verstehen ist, daß die Rechtsfrage gestellt wird, ob die Besitzschutzregelungen des § 273 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB VI auf Fälle der vorliegenden Art Anwendung finden, fehlt es an der erforderlichen Darlegung, warum die angeführte bisherige Rechtsprechung diese Rechtsfrage nicht löst oder weiterhin umstritten ist. Hierzu reicht der Hinweis nicht aus, bereits jene Rechtsprechung habe sich mit unterschiedlichen Meinungen im Schrifttum auseinandergesetzt und der Gesetzeswortlaut lasse eine andere Auslegung zu. Denn gerade dies war, wie vorgetragen, Gegenstand der damaligen Entscheidungen. Neue bisher nicht berücksichtigte Gesichtspunkte sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
b) Auch die als Zulassungsgrund geltend gemachte Divergenz zu Entscheidungen des BSG ist nicht schlüssig dargelegt.
Von einer Abweichung kann nur bei einem Widerspruch im Rechtssatz gesprochen werden. Sie kommt nur in Betracht, wenn das LSG einen tragenden (abstrakten) Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen Rechtssatz des BSG oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat (BSG Beschluß vom 29. November 1989 – 7 BAr 130/88 – SozR 1500 § 160a Nr 67 mwN). Es müssen deshalb der Rechtssatz des angefochtenen Urteils und der angefochtenen Entscheidung, von der angeblich abgewichen wird, herausgearbeitet und deren Unvereinbarkeit dargelegt werden (stRspr – vgl BSG Beschluß vom 29. September 1975 – 8 BU 64/75 – SozR 1500 § 160a Nr 14; BSG Beschluß vom 29. November 1989 – 7 BAr 130/88 – SozR 1500 § 160a Nr 67). Der Rechtssatz der anderen obergerichtlichen Entscheidung muß außerdem entscheidungserheblich gewesen sein (BSG Beschluß vom 16. Oktober 1986 – 5b BJ 338/85 – SozR 1500 § 160 Nr 61). Schließlich verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz die schlüssige Darlegung seiner Entscheidungserheblichkeit, dh daß das angefochtene Urteil auf dieser Abweichung beruht (BSG Beschluß vom 12. Juli 1985 – 7 BAr 114/84 – SozR 1500 § 160a Nr 54). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Es ist nicht erkennbar, in welchem entscheidungserheblichen Rechtssatz das LSG vom angeführten Urteil des BSG vom 30. Juni 1997 – 8 RKn 14/95 – abgewichen sein soll. Die Beschwerdebegründung behauptet lediglich mit dem Ziel einer anderen Sachentscheidung das Vorliegen einer Divergenz, ohne dies nachvollziehbar zu begründen.
Aber auch eine Abweichung von der Entscheidung des 7. Senats des BSG vom 14. November 1985 – 7 RAr 123/84 – BSGE 59, 157 = SozR 1300 § 45 Nr 19 ist nicht hinreichend begründet. Es werden zwar einige der in dieser Entscheidung entwickelten Rechtsgrundsätze wiedergegeben. Es fehlt aber an einer Darlegung dem entgegenstehender Rechtssätze im Urteil des LSG und dem weiteren Vortrag, daß die Entscheidung auf der Anwendung dieser abweichenden Rechtssätze beruht. Die Nichtzulassungsbeschwerde untersucht lediglich die Begründung des Rücknahmebescheides der Beklagten und folgert, diese ignoriere die Bestandskraft des Gleichstellungsbescheides nach DDR-Recht und gehe insoweit von einem falschen Sachverhalt aus. Im Gegensatz dazu steht der eigene Vortrag, wonach das LSG hinsichtlich der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens in Bezug auf die Rücknahme des Bescheides vom 27. Februar 1991 auf die im Widerspruchsbescheid enthaltene Begründung abgestellt und diese für ausreichend gehalten hat. Wenn das SG dies – wie die Beschwerde vorträgt – anders gesehen haben sollte, ist dies im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde irrelevant.
Die nicht formgerecht begründete Beschwerde der Klägerinnen und Kläger ist somit zu verwerfen. Dies konnte durch Beschluß ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter geschehen (§ 202 SGG iVm § 574 ZPO, § 169 SGG analog; BSG Beschlüsse vom 15. April 1975 – 5 BKn 1/75 – SozR 1500 § 160a Nr 1 und vom 19. Juni 1975 – 12 BJ 24/75 – SozR 1500 § 160a Nr 5; BVerfG Beschluß vom 9. Mai 1978 – 2 BvR 952/75 – SozR 1500 § 160a Nr 30).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1175864 |
SozSi 2003, 180 |