Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1. gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Mai 2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Beigeladene zu 1. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. (im Folgenden: Beigeladene) in der Zeit vom 1.1.1998 bis zum 15.7.2002 aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Der Kläger und die Beigeladene schlossen am 26.10.1997 einen Grundvertrag. Danach wird der Kläger als Finanzkaufmann und selbstständiger Handelsvertreter gemäß §§ 92, 84 ff Handelsgesetzbuch (HGB) zur Vermittlung von Allfinanzangeboten eingesetzt. Anlage C zum Vertrag enthielt unter der Überschrift "Karriereplan ***-Führungskraft" eine Beschreibung der Tätigkeit und Aufgaben eines Regionaldirektionsleiters mit "Führungstreffen / Schulung, Gewinnung und Betreuung neuer Mitarbeiter / genehmigtes ***-Büro". Die beklagte Deutsche Rentenversicherung Bund stellte in einem Statusfeststellungsverfahren fest, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene selbstständig gewesen sei (Bescheid vom 23.2.2005; Widerspruchsbescheid vom 27.9.2012).
Das SG hat die Bescheide aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe (Urteil vom 27.5.2016). Nachdem die Beklagte im Berufungsverfahren das Nichtbestehen von Versicherungspflicht in der GRV und nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt hatte (Bescheide vom 26.3.2019 und 24.5.2022), hat das LSG die Berufung der Beigeladenen zurückgewiesen (Urteil vom 24.5.2022; Berichtigungsbeschluss vom 5.4.2023). Der Kläger sei in einer seine Tätigkeit prägenden Weise in die betriebliche Organisation der Beigeladenen eingegliedert gewesen.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beigeladene gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der umfangreichen Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Beigeladene entnimmt den Ausführungen des LSG auf Seite 26 des angefochtenen Urteils folgenden Rechtssatz:
"Die Auslegung des Begriffs der Beschäftigung gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV darf sich angesichts der unterschiedlichen Zielsetzung berufs- und sozialversicherungsrechtlicher Regelungen nicht an den die Handelsvertreter betreffenden Bestimmungen der §§ 84 ff. HGB orientieren."
Dieser - nach Auffassung der Beigeladenen tragende - Rechtssatz weiche von Rechtssätzen in Urteilen des Senats vom 29.1.1981 (12 RK 63/79 - BSGE 51, 164 = SozR 2400 § 2 Nr 16 und 12 RK 46/79 - juris) ab.
a) Eine Divergenz wird damit nicht hinreichend dargelegt. Der Beschwerde ist schon nicht zu entnehmen, dass der bezeichnete Rechtssatz für das LSG entscheidungserheblich gewesen sein soll. Die Beigeladene bezieht sich zur Herleitung des Rechtssatzes auf folgendes Zitat des LSG (LSG-Urteil Seite 26):
"Aus welchen Gründen eine Tätigkeit nach Weisungen und unter Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation statt weisungsfrei ausgeübt wird, spielt insoweit keine Rolle. Insbesondere sind berufsrechtliche Weisungsrechte nicht vom Begriff der 'Weisungen' i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ausgenommen (BSG, Urteil vom 27. April 2021 - B 12 R 16/19 R -, Rn. 15 f., und Urteil vom 27. April 2021 - B 12 KR 27/19 R -, Rn. 15; jeweils juris und m.w.N.). Mit der unterschiedlichen Zielsetzung berufs- und sozialversicherungsrechtlicher Regelungen ist eine am Berufsrecht - hier etwa an den Handelsvertreter betreffenden Bestimmungen der §§ 84 ff. HGB - orientierte Auslegung des sozialversicherungsrechtlichen Begriffs der Beschäftigung nicht zu vereinbaren (BSG, Urteil vom 07. Juli 2020 - B 12 R 17/18 R -, juris, Rn. 35)."
Die Beschwerdebegründung legt nicht nachvollziehbar dar, dass sich aus diesem Zitat der vermeintlich abweichende Rechtssatz ableiten ließe. Denn das LSG hat nach der von der Beigeladenen wiedergegebenen Begründung - unter wörtlicher Zitierung einer Passage eines Urteils des Senats - lediglich festgestellt, dass eine am Berufsrecht (…) orientierte Auslegung des sozialversicherungsrechtlichen Begriffs der Beschäftigung nicht mit der unterschiedlichen Zielsetzung berufs- und sozialversicherungsrechtlicher Regelungen zu vereinbaren sei. Hieraus leitet die Beschwerdebegründung einen erheblich weitergehenden Rechtssatz ab, wonach es unzulässig sei, sich an handelsrechtlichen Bestimmungen zu orientieren. Das LSG hat sinngemäß aber lediglich zum Ausdruck gebracht, dass berufsrechtliche, hier handelsrechtliche, Regelungen die Statuszuordnung nicht determinieren würden. Das von der Beschwerdebegründung hingegen angenommene Verbot einer Orientierung am Berufsrecht ("darf…nicht") kann der zitierten Passage so nicht entnommen werden.
b) Unabhängig davon legt die Beschwerdebegründung nicht hinreichend dar, inwieweit das angefochtene Urteil und die in Bezug genommenen Entscheidungen überhaupt zum selben Sachverhalt ergangen sein sollen. Die Beschwerdebegründung unterstellt grundlegend, dass der Kläger als Handelsvertreter tätig gewesen sei, ohne sich der Frage zu widmen, welche konkreten Tätigkeiten des Klägers insgesamt das LSG seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat. Die Beigeladene weist zwar "vorsorglich" darauf hin, dass nach der Rechtsprechung die Absatzförderung durch Gewinnung neuer sowie die Betreuung und Schulung vorhandener Handelsvertreter im mehrstufigen Vertriebssystem als vermittelnde Handelsvertretertätigkeit iS des § 84 Abs 1 Satz 1 HGB anzusehen sei (Seite 48 der Beschwerdebegründung). Sie setzt sich damit aber nicht näher auseinander. Zudem ist nach der Rechtsprechung des BGH zur Beurteilung des handelsrechtlichen Ausgleichsanspruchs eine wirtschaftliche Betrachtungsweise angezeigt. Inwieweit diese wirtschaftliche Betrachtung (vgl hierzu BSG Urteil vom 13.12.2022 - B 12 KR 10/20 R - juris RdNr 19 - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen) zwingend auch bei der Statuszuordnung Berücksichtigung finden muss, legt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht dar.
c) Schließlich ist die Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Divergenz nicht hinreichend aufgezeigt worden. Die Beschwerdebegründung geht nicht hinreichend auf die für das LSG wesentlichen, für eine Beschäftigung sprechenden Indizien ein.
2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN).
Die Beigeladene formuliert auf Seite 46 der Beschwerdebegründung folgende Frage:
"Sind bei der Auslegung des Beschäftigungsbegriffs in § 7 Abs. 1 SGB IV in Bezug auf die Statusabgrenzung bei Handelsvertretern die Handelsvertreter betreffenden Normen der §§ 84 ff. HGB, insbesondere die Abgrenzungskriterien des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB, zu berücksichtigen?"
a) Es kann offenbleiben, ob die Beschwerdebegründung die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) schon deshalb nicht erfüllt, weil keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert worden ist. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
b) Jedenfalls legt die Beschwerdebegründung die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dar. Insbesondere befasst sie sich nicht mit der ständigen Rechtsprechung des BSG, wonach es bei der Beurteilung des Vorliegens von Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV auf eine Gesamtbetrachtung der konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt. Dabei ist die Abgrenzung nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder vorzunehmen. Es ist daher möglich, dass ein und derselbe Beruf - je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis - entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Maßgebend sind stets die konkreten Umstände des individuellen Sachverhalts. Bei der gebotenen Gesamtabwägung sind sämtliche, auch solche Umstände zu berücksichtigen, die einer Tätigkeit ihrer Eigenart nach immanent, durch gesetzliche Vorschriften oder eine öffentliche-rechtliche Aufgabenwahrnehmung bedingt sind oder auf sonstige Weise "in der Natur der Sache" liegen. Ihnen ist nach der Senatsrechtsprechung zwar nicht zwingend eine entscheidende Indizwirkung für eine abhängige Beschäftigung beizumessen; umgekehrt ist eine abhängige Beschäftigung aber auch nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil sich bestimmte Weisungsrechte oder Vorgaben aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben oder ihr innewohnen (vgl zuletzt BSG Urteil vom 27.4.2021 - B 12 R 16/19 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 58 RdNr 15 mwN). Selbst aus der Zuordnung zu einem "Freien Beruf" (etwa als Rechtsanwalt, Steuerberater oder Arzt) lässt sich keine normative Wirkung in dem Sinn ableiten, dass die Angehörigen eines solchen Berufs grundsätzlich einer selbstständigen Tätigkeit nachgingen und in erhöhtem Maße vor gesetzgeberischen Eingriffen - hier durch Begründung der Versicherungspflicht - geschützt wären. Auf die Verkehrsanschauung, der der Typusbegriff letztlich entspringt, kommt es für die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und Selbstständigkeit nicht an (vgl ausführlich BSG Urteil vom 7.7.2020 - B 12 R 17/18 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 49 RdNr 33 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 28.6.2022 - B 12 R 4/20 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 66 RdNr 24). Die Beschwerdebegründung legt nicht hinreichend dar, inwieweit vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des BSG noch Klärungsbedarf besteht, welche Bedeutung die in Bezug genommene Regelung in § 84 Abs 1 Satz 2 HGB bei der Beurteilung des Vorliegens von Beschäftigung iS von § 7 Abs 1 SGB IV haben kann.
c) Unabhängig hiervon legt die Beschwerdebegründung auch die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dar. Sie zeigt nicht auf, inwieweit es im Hinblick auf die vom Kläger im einzelnen ausgeübten Tätigkeiten in einem späteren Revisionsverfahren überhaupt auf eine Klärung der aufgeworfenen Frage entscheidungserheblich ankommt.
d) Insgesamt ist die Beschwerdebegründung zusammenfassend von dem Bestreben geprägt, nachzuweisen, eine Tätigkeit als Handelsvertreter werde abstrakt und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls und vorliegend erst recht unter Berücksichtigung der Regelungen in §§ 84 ff HGB, insbesondere § 84 Abs 1 Satz 2 HGB, quasi automatisch selbstständig ausgeübt. Diese Grundannahme ist aber mit der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Senats nicht in Einklang zu bringen.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16180431 |