Beteiligte
AOK Bayern – Die Gesundheitskasse |
Schadensbeschwerdeausschuß bei der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns |
1. Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns |
Tenor
Auf die Revision der Beigeladenen zu 1. wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. März 2000 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. Mai 1998 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungs- und das Revisionsverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über einen Regreß wegen fehlerhafter prothetischer Leistungen.
Die Allgemeine Ortskrankenkasse F., deren Rechtsnachfolgerin die klagende AOK B. ist, genehmigte im Februar 1992 dem zu 2. beigeladenen Zahnarzt einen Heil- und Kostenplan für die Durchführung prothetischer Maßnahmen bei der AOK-Versicherten R. Der Beigeladene zu 2. nahm am 8. Mai 1992 bei der Versicherten eine (provisorische) Eingliederung vor. Zu einem weiteren vorgesehenen Behandlungstermin erschien sie nicht. Die Versicherte reichte die ihr erteilte Rechnung in Höhe von 5.299,96 DM im Oktober 1992 der AOK ein, die ihr einen Zuschuß von 3.103,27 DM gewährte. Zahlungen an den Beigeladenen zu 2. leistete die Versicherte nicht.
Am 19. Mai 1993 teilten die Zahnärzte K. der AOK mit, die Versicherte habe sie konsultiert und über Beschwerden im Zusammenhang mit der Prothetik geklagt. Der daraufhin von der AOK mit einer Begutachtung beauftragte Zahnarzt kam zu dem Ergebnis, daß die prothetische Versorgung mangelhaft sei und der Zahnersatz neu angefertigt werden müsse.
Die Klägerin beantragte im August 1993 bei dem Schadensprüfungsausschuß gemäß § 23 Abs 1 des Bundesmantelvertrages-Zahnärzte (BMV-Z) die Festsetzung eines Schadensregresses. Dieser beschloß, daß der Beigeladene zu 2. den von der AOK an die Versicherte gezahlten Kostenanteil zuzüglich Gutachterkosten, insgesamt ca 3.200 DM, zu erstatten habe (Bescheid vom 23. Juni 1994).
Mit seinem Widerspruch wandte der Beigeladene zu 2. ein, die Versorgung sei nur provisorisch gewesen und die Patientin sei danach nicht mehr erschienen. Seine Versorgung sei insoweit sachgerecht gewesen. Im übrigen habe er bisher keine Zahlungen erhalten.
Der beklagte Schadensbeschwerdeausschuß hob die Entscheidung des Schadensprüfungsausschusses auf und wies den Antrag der AOK zurück. Die Schadensprüfungseinrichtungen gemäß § 23 Abs 1 BMV-Z seien zur Feststellung sog sonstiger Schäden zwar allgemein zuständig. Für Prothetikmängel gälten aber die Sonderregelungen der Anlage 12 zum BMV-Z mit der Zuständigkeit des Prothetik-Ausschusses (PA) und des Prothetik-Einigungsausschusses (PEA) (Bescheid vom 29. September 1994).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage der AOK F., die von der AOK B. als Rechtsnachfolgerin weitergeführt worden ist, – nach mehrjährigem Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf anhängige Verfahren beim Bundessozialgericht (BSG) – abgewiesen (Urteil vom 13. Mai 1998). Nicht der Schadensprüfungs- und -beschwerdeausschuß, sondern der PA und der PEA seien zuständig. Bei ihnen müßten Mängel der Prothetik innerhalb von zwölf Monaten nach ihrer Eingliederung geltend gemacht werden, was hier nicht geschehen sei.
Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und den Beklagten zur Neubescheidung des Widerspruchs des Beigeladenen zu 2. verurteilt (Urteil vom 29. März 2000). Zur Begründung ist ausgeführt, entgegen der vom Beklagten und vom SG vertretenen Auffassung stelle die Anlage 12 zum BMV-Z keine Sonderregelung für zahnärztliches Fehlverhalten im prothetischen Bereich dar, die den § 23 Abs 1 BMV-Z verdränge. Es handele sich vielmehr um nebeneinander stehende, ideal konkurrierende Bestimmungen, die sich hinsichtlich Zuständigkeiten, Voraussetzungen und Fristvorgaben unterschieden. Die Vorschriften der Anlage 12 zum BMV-Z regelten im wesentlichen das Verfahren hinsichtlich des Heil- und Kostenplanes bei Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen sowie ein besonderes Gutachterverfahren und beschränkten für genehmigte Behandlungen spätere Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Außerdem hätten die Krankenkassen (KKn) das Recht, prothetische Leistungen auf Mängel zu überprüfen, wofür die Frist durch Änderung der Anlage 12 zum BMV-Z vom 17. Januar 1992 von sechs auf zwölf Monate erweitert worden sei. Ob die zweijährige Gewährleistungsfrist des § 135 Abs 4 Satz 3 ff Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) (idF des Gesundheitsstrukturgesetzes ≪GSG≫ vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266) – iVm der Entscheidung des Bundesschiedsamtes vom 13. Dezember 1993 – eine weitere Verlängerung ergebe, könne im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da die beanstandete Eingliederung im Mai 1992 bereits abgeschlossen gewesen sei. Der Anwendbarkeit des PA- und PEA-Verfahrens stehe nicht entgegen, daß in Bayern für den hier maßgeblichen Zeitraum die als Anlage 4b zum Bayerischen Gesamtvertrag-Zahnärzte (GV-Z) vorgesehene gesamtvertragliche Vereinbarung nicht abgeschlossen worden sei und deshalb einstweilen weiterhin die Vereinbarung vom 4. März 1975 angewendet werde. Bestehende Lücken hätten der PA und der PEA in langjähriger Praxis auf unbedenkliche Weise durch analoge Anwendung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften ausgefüllt. Die Regelungen des § 23 Abs 1 Satz 2 BMV-Z und § 4 der Anlage 12 zum BMV-Z stünden gleichrangig nebeneinander und seien gemäß § 82 Abs 1 SGB V als allgemeiner Inhalt der Gesamtverträge auch deren Bestandteil. Aufgrund des Nebeneinanders der verschiedenen Verfahren könne nach Ablauf der sechs- bzw zwölfmonatigen Frist des § 4 Abs 1 der Anlage 12 zum BMV-Z noch der Schadensprüfungsausschuß zur Feststellung eines sonstigen Schadens im prothetischen Bereich gemäß § 23 Abs 1 Satz 2 BMV-Z angerufen werden, was allerdings gemäß § 23 Abs 1 Satz 2 BMV-Z, § 11 GV-Z iVm § 2 Abs 3 der Anlage 4d zum GV-Z iVm der entsprechenden Anwendung des § 852 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) innerhalb von 3 Jahren nach Kenntnis von Schaden und Schädiger geschehen müsse. Dementsprechend habe im vorliegenden Fall die AOK noch nach einem Jahr den Schadensprüfungsausschuß anrufen können. Allerdings fehlten ausreichende Feststellungen zur Berechtigung des von ihr beantragten Schadensregresses, so daß der Beklagte zur erneuten Entscheidung zu verurteilen sei.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die zu 1. beigeladene Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZÄV) geltend, das LSG habe es zu Unrecht als zulässig erachtet, bei Mängeln prothetischer Leistungen alternativ entweder den PA oder den Schadensprüfungsausschuß zu befassen. Das Verfahren nach der Anlage 12 zum BMV-Z stelle eine Sonderregelung dar, die speziell auf Mängelansprüche bei prothetischen Leistungen zugeschnitten sei. Der PA und der PEA seien besondere Prüfungseinrichtungen zur Feststellung sonstiger Schäden im Bereich der zahnprothetischen Versorgung, wie es das BSG in seiner früheren Rechtsprechung vorgezeichnet und in Urteilen vom 13. Dezember 2000 (B 6 KA 1/00 R, 2/00 R, 3/00 R) bestätigt habe. Dementsprechend gelte die in § 4 Abs 1 Satz 1 der Anlage 12 zum BMV-Z normierte Frist.
Die Beigeladene zu 1. beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. März 2000 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. Mai 1998 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Revision für unbegründet. Das Berufungsurteil sei zutreffend. Die Verfahren nach § 23 BMV-Z und nach der Anlage 12 zum BMV-Z stünden nebeneinander, wie sich ua daraus ergebe, daß §§ 23, 24 BMV-Z Vereinbarungen über das Verfahren bei sonstigen Schäden ermöglichten. Daß dabei der Bereich der Prothetikmängel ausgeschlossen sein solle, entbehre greifbarer Anhaltspunkte. Im übrigen wäre es nicht plausibel, bei Regressen gegen den Zahnarzt wegen mangelhaften Zahnersatzes günstigere Regelungen mit kürzeren Fristen gelten zu lassen als für Schadensregresse bei kurativen Leistungen und Kieferorthopädie/Kieferbruch. Für ein Nebeneinander spreche auch, daß beide Verfahren ihre Rechtsgrundlage in § 82 Abs 1 SGB V hätten und gleichzeitig eingeführt worden seien sowie daß das Nebeneinander auch im GV-Z zugrunde gelegt und konkretisiert worden sei. Die Urteile des BSG vom 13. Dezember 2000 (aaO) seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt und sich auch nicht geäußert.
II
Die Revision der Beigeladenen zu 1. hat Erfolg.
Der Senat kann entscheiden, ohne daß es der Beiladung des – beteiligungsfähigen – PEA bedarf. Der Senat hat zwar in Fällen, in denen alternativ die Zuständigkeit einer anderen Institution in Betracht kam, deren Beiladung als notwendig angesehen (stRspr; vgl zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12 S 66). Der hier zu beurteilende Sachverhalt liegt aber anders; denn es kommt (und kam von vornherein) ein Verfahren bei einer anderen Institution, dem PA oder dem PEA, nicht (mehr) in Frage, weil die Frist für deren Anrufung schon im Zeitpunkt der Mängelfeststellung verstrichen war (s die seit 1992 geltende 12-Monats-Frist des § 4 Abs 1 Satz 1 der Anlage 12 zum BMV-Z, bekannt gemacht in zm 7/1992, S 156 f; zur Wirksamkeit von Antragsfristen vgl das Urteil vom 27. Juni 2001 – B 6 KA 66/00 R –). Damit war und ist in diesem Verfahren die Möglichkeit ausgeschlossen, daß aufgrund der Entscheidung des Senats die Institutionen gemäß der Anlage 12 zum BMV-Z zur Feststellung von Prothetikmängeln zulässigerweise in Anspruch genommen werden können.
Die Revision der Beigeladenen zu 1. ist zulässig (zur materiellen Beschwer von KZÄVen im Zusammenhang mit Schadensregressen wegen Prothetikmängeln s Urteile des Senats vom 13. Dezember 2000 – B 6 KA 2/00 R, 3/00 R –) und auch begründet. Das Berufungsurteil ist aufzuheben. Zu Recht hat nämlich das SG die Klage gegen den Bescheid des Beklagten abgewiesen. Dieser hat zutreffend seine Zuständigkeit verneint.
Die Kompetenz, über Schadensregresse wegen Mängeln bei prothetischen Leistungen zu entscheiden, liegt allein bei dem PA und dem PEA. Diese sind auf der Rechtsgrundlage des § 2 Abs 3 BMV-Z in Verbindung mit der Anlage 12 zum BMV-Z errichtet worden. In § 4 der Anlage 12 zum BMV-Z ist bestimmt, daß die KKn Mängelansprüche bei prothetischen Leistungen innerhalb einer bestimmten Frist nach der Eingliederung bei einem Prothetik-Einigungsausschuß machen können. Bei dem PA und dem PEA handelt es sich, worauf der Senat schon in anderem Zusammenhang hingewiesen hat, um besondere Prüfungseinrichtungen, deren Entscheidungen und Verfahrensweise auf der gegenüber § 23 Abs 1 Satz 2 BMV-Z speziellen Rechtsgrundlage des § 2 Abs 3 BMV-Z iVm der Anlage 12 zum BMV-Z beruhen (Urteil vom 13. Dezember 2000 – SozR 3-1500 § 78 Nr 5 S 11 ff; ebenso weitere Urteile vom selben Tag – B 6 KA 2/00 R, 3/00 R –, jeweils mwN). Die von den Vertragspartnern des Bundesmantelvertrages vereinbarte spezielle Zuständigkeit der Prothetikausschüsse für die Feststellung von Prothetikmängeln schließt es aus, daß daneben gleichzeitig auch die Prüfungseinrichtungen nach §§ 21 und 22 BMV-Z zuständig sein können. Gemäß § 23 Abs 1 Satz 1 BMV-Z sind die Prüfungseinrichtungen nach §§ 21 und 22 aaO auch zuständig für die Prüfung der Verordnungsweise der Kassenzahnärzte. Nach Satz 2 aaO haben sie zudem den sonstigen Schaden festzustellen, den ein Kassenzahnarzt infolge schuldhafter Verletzung kassenzahnärztlicher Pflichten einer KK verursacht hat. Die Regelungen betreffen mithin unterschiedliche Sachverhalte. Entgegen der Auffassung der Revision und der Vorinstanz handelt es sich nicht um Regelungen, die hinsichtlich der Festsetzung von Schadensregressen bei Prothetikmängeln in Idealkonkurrenz zueinander stehen, sich aber in Zuständigkeit, Voraussetzungen und Fristvorgaben unterscheiden.
Die Regelung der Anlage 12 zum BMV-Z steht vom Normenrang her derjenigen des § 23 Abs 1 Satz 2 BMV-Z nicht nach. Sie ist von den Partnern des BMV-Z auf der Rechtsgrundlage des § 2 Abs 3 BMV-Z vereinbart worden. Danach können sich die KKn ua bei der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen eines Gutachterverfahrens bedienen, das in Vereinbarungen zwischen den Partnern des BMV-Z geregelt wird. Die Vorschrift des § 4 der Anlage 12 zum BMV-Z ist im Verhältnis zu § 23 Abs 1 BMV-Z insofern vorrangig, als es sich um die speziellere Regelung handelt. Das ergibt sich aus dem Inhalt der Vorschrift, die speziell für Mängelansprüche bei prothetischen Leistungen vereinbart worden ist. Das darin vorgesehene Einigungsverfahren mündet ggf in eine Entscheidung des PEA, der einen Schadensregreß festsetzen kann (vgl zum Ganzen bereits Urteil des erkennenden Senats vom 13. Dezember 2000 – SozR 3-1500 § 78 Nr 5 S 11 f). Die Bestimmung des § 4 der Anlage 12 zum BMV-Z erfaßt allerdings nur Mängel der prothetischen Leistungen selbst. Das folgt bereits aus dem Wortlaut des § 4 Abs 1 Satz 1 aaO sowie aus den übrigen Vorschriften der Anlage 12 zum BMV-Z. Sie stellen keine Grundlage für Ansprüche der KKn dar, die sich bei der prothetischen Versorgung von Versicherten aus Folgeschäden ergeben können. Für diese greift § 23 Abs 1 Satz 2 BMV-Z ein, der die Prüfungseinrichtungen ermächtigt, sonstige Schäden festzustellen, die Kassenzahnärzte infolge schuldhafter Verletzung kassenzahnärztlicher Pflichten verursacht haben.
Das Ergebnis, daß für die Festsetzung von Regressen wegen Prothetikmängeln ausschließlich § 4 der Anlage 12 zum BMV-Z die Rechtsgrundlage bildet, kann nicht durch den Einwand in Frage gestellt werden, die Vertragspartner auf Landesebene, dh die KZÄV und die Landesverbände der KKn, hätten der Vorgabe des § 4 Abs 2 Satz 1 der Anlage 12 zum BMV-Z, das Nähere über den PEA zu regeln, nicht bzw jedenfalls nicht vollständig Rechnung getragen (unterblieben zB in Niedersachsen, vgl BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000, SozR 3-1500 § 78 Nr 5 S 13; ebenso weitere Urteile vom selben Tag – B 6 KA 2/00 R, 3/00 R –; vgl andererseits für Bayern die gesamtvertragliche Vereinbarung vom 4. März 1975, die einstweilen weiterhin angewendet wird und durch die der Entscheidung des PEA das Verfahren bei dem PA vorgeschaltet worden ist). Soweit es an Regelungen fehlen sollte, greift § 4 Abs 2 Satz 2 der Anlage 12 ein, mit der Folge, daß diejenigen für Wirtschaftlichkeitsprüfungen maßgeblich sind (vgl zuletzt BSG aaO).
Nach alledem ist der Revision der KZÄV stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 Sozialgerichtsgesetz. Der Senat hat keinen Anlaß gesehen, der Klägerin die Übernahme auch der Kosten des Beigeladenen zu 2. aufzuerlegen. Dieser hat weder im Berufungs- noch im Revisionsverfahren eine Stellungnahme abgegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 657376 |
ArztR 2002, 78 |