Christoph Tillmanns, Dr. Manuel Schütt
Der Fall
Die Parteien stritten über Ansprüche auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld für das Kalenderjahr 2020. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag enthielt unter anderem folgende Regelung:
Zitat
3. Vergütung
…
e) die Zahlung von Sonderzuwendungen insbesondere von Weihnachts- und/oder Urlaubsgeld liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründet keinen Rechtsanspruch für die Zukunft, auch wenn die Zahlung mehrfach und ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt.
Die Arbeitgeberin zahlte in den Kalenderjahren 2015–2019 jeweils im Abrechnungsmonat Juni ein Urlaubsgeld in Höhe von zuletzt 1.522,50 EUR brutto und im Abrechnungsmonat November ein Weihnachtsgeld in Höhe von zuletzt 1.540 EUR brutto ohne weitere Erklärungen an den Kläger aus. Im Jahr 2020 stellte die Arbeitgeberin die Zahlung ein.
Der Arbeitnehmer machte geltend, ihm stehe auch für das Jahr 2020 ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu. Der Anspruch ergebe sich aus einer entstandenen betrieblichen Übung. Die arbeitsvertragliche Freiwilligkeitsklausel sei unwirksam und könne daher das Entstehen eines Anspruchs auf die genannten Sonderleistungen aus betrieblicher Übung nicht verhindern.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass unter Berücksichtigung der konkreten Einzelfallumstände die Voraussetzungen eines Anspruchs aus der betrieblichen Übung erfüllt sind.
Der Umstand, dass die jeweiligen Zahlungen nicht in gleichbleibender Höhe erfolgten, führte zu keiner abweichenden Beurteilung. Aus der nicht gleichförmigen Höhe der Sonderzahlung in den vergangenen Jahren mussten die Beschäftigten nicht den Schluss ziehen, die Arbeitgeberin habe sich nicht dem Grunde nach auf Dauer binden wollen. Vielmehr folgt daraus lediglich, dass die Arbeitgeberin keinen Leistungsanspruch in fester Höhe gewähren, sondern jedes Jahr neu nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) über die Höhe der beiden Leistungen entscheiden will.
Der Freiwilligkeitsvorbehalt des Arbeitsvertrags stand nach Auffassung des BAG der Annahme einer betrieblichen Übung nicht entgegen. Dieser war unwirksam, weil die diesbezügliche Bestimmung im Arbeitsvertrag eine Allgemeine Geschäftsbedingung i. S. d. §§ 305 ff. BGB darstellt und den Kläger gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligt. Zwar sei die Regelung nicht deshalb intransparent und unwirksam i. S. d. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, weil sie sich auf (alle) Sonderzuwendungen und nur "insbesondere" auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld beziehe. Durch den Begriff "Sonderzuwendungen" werde hinreichend deutlich, dass von dieser Klausel alle Zahlungen erfasst sein sollen, welche keine laufenden arbeitsvertraglich vereinbarten Leistungen sind. Laufende Leistungen dürfen nicht unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt werden.
Die Klausel ist nach Ansicht des BAG jedoch unwirksam, weil sie nicht auf den Entstehungsgrund etwaiger Ansprüche auf Sonderzuwendungen abstellt. Sie lässt vielmehr die Auslegung zu, dass der Vorbehalt auch spätere Individualabreden über die Zahlung von Sonderzuwendungen erfasst. Nach § 305b BGB haben aber individuelle Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dies muss somit auch in einer solchen Regelung zum Ausdruck kommen.
Die Klausel hätte also wie folgt formuliert werden müssen:
"Die Zahlung von Sonderzuwendungen, insbesondere von Weihnachts- und Urlaubsgeld liegt im freien Ermessen des Arbeitgebers und begründet keinen Rechtsanspruch für die Zukunft, auch wenn die Zahlung mehrfach und ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Freiwilligkeit erfolgt. Dies gilt nicht für vom Arbeitgeber individuell zugesagte Leistungen."