Verfahrensgang
ArbG Wuppertal (Zwischenurteil vom 12.11.1997; Aktenzeichen 4 Ca 3922/97-3) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.11.1997 wird kostenfällig zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung, insbesondere darüber, ob die in einem Interessenausgleich mit Namensliste vorgenommene „Leistungsauswahl” einer Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten vorgeht.
Die Klägerin ist seit dem 06.09.1976 als Arbeiterin in der Lohngruppe 3 bei der Beklagten beschäftigt. Sie wird in der Montageabteilung eingesetzt.
Die Beklagte ist Zulieferer für die Automobilindustrie und beschäftigt in ihrem Werk in R. über 750 Arbeitnehmer (Stand: Mitte 1997). Im Jahre 1997 beschloß sie, aus wirtschaftlichen Gründen die „Fertigung mittlerer und kleiner Serien / Profilteile” und die „Produktionspalette N.” zum 31.12.1997 ins Ausland zu verlagern. Sie behält die zwei großen Abteilungen „Presserei und Montage” und „Profilscharniere” sowie eine kleine Abteilung zur Teilefertigung für S. und läßt fortan nur noch in Gruppenarbeit arbeiten. Bei der Auswahl der 125 zu kündigenden Mitarbeiter verfuhr sie wie folgt: Sie erstellte ein „Werkerprofil”, nach dessen Vorgaben die Vorgesetzten in einem persönlichen Profil die Leistungen, Fähigkeiten, Kenntnisse und sonstigen Eigenheiten (z. B. Krankheitszeiten, Belastbarkeit) eines jeden Mitarbeiters zu beurteilen hatten. Entsprechend der individuellen Erfüllung des Werkerprofils wählte die Beklagte die Mitarbeiter aus: Die günstig beurteilten Mitarbeiter wurden im Umfang des nach der Betriebsänderung verbleibenden Personalbedarfs nicht zur Kündigung vorgesehen; die übrigen, schlechter beurteilten Mitarbeiter wurden auf eine Namensliste gesetzt. In den Verhandlungen über einen Interessenausgleich erhob der Betriebsrat gegen die Namensliste in sechs Fällen Einwände. Danach kam am 30.06.1997 der Interessenausgleich mit der Namensliste, in der auch die Klägerin aufgeführt ist, zustande.
Mit Schreiben vom 13.08.1997 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.1998 aus. Hiergegen richtet sich die am 28.08.1997 beim Arbeitsgericht Wuppertal eingereichte Kündigungsschutz- und Weiterbeschäftigungsklage.
Die Klägerin hat die Betriebsbedingtheit der Kündigung bestritten, die fehlende Sozialauswahl gerügt, die Beklagte aufgefordert, die Gründe für die soziale Auswahl mitzuteilen, und acht Mitarbeiter namentlich benannt, die mit ihr vergleichbar, aber sozial weit weniger schutzbedürftig seien.
Die Beklagte hat die betrieblichen Gründe und deren Auswirkungen auf den Personalbestand erläutert. Sie hat des weiteren geltend gemacht, daß soziale Gesichtspunkte bei der Auswahl nicht mehr zum Tragen gekommen seien, weil die Weiterbeschäftigung der nicht gekündigten Arbeitnehmer im Interesse des Betriebes gelegen habe, und gemeint, daß der Gesetzgeber in § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG die Weiterbeschäftigung der leistungsfähigen Arbeitnehmer zur Regel gemacht habe. Keinesfalls sei die mit Billigung des Betriebsrats vorgenommene Auswahl grob fehlerhaft i. S. v. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG.
Schließlich hat die Beklagte auf die „aktuelle Mitarbeiterqualifikation” (Bl. 37) und das „Werkerprofil” für die Klägerin (Bl. 38) verwiesen und behauptet, daß die weiterbeschäftigten Arbeitnehmer vielseitiger einsetzbar und besser qualifiziert seien.
Dies hat die Klägerin bestritten. Sie hat geltend gemacht, die Anforderungen nach dem „Werkerprofil” zu erfüllen.
Durch Urteil vom 22.10.1997 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten greift das Urteil mit Rechtsausführungen an. Die Klägerin verteidigt das Urteil.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die getroffene Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 KSchG beanstandet und die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung festgestellt. Entgegen der Auffassung der Beklagten gestattet es § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG dem Arbeitgeber nicht, der Leistungsauswahl den generellen Vorrang vor der Sozialauswahl zu geben. Die soziale Auswahl ist – bezogen auf die Klägerin – grob fehlerhaft i. S. v. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG.
I. Allerdings ist mit dem Arbeitsgericht davon auszugehen, daß die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt ist. Auf Bestreiten der Klägerin hat die Beklagte die unternehmerische Entscheidung (Verlagerung von Teilen der Produktion ins Ausland) und deren Auswirkungen auf die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer, namentlich der Klägerin, im Werk R. erläutert. Der Sachvortrag der Klägerin ist nicht geeignet, die Vermutung des § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG zu entkräften. Sie hat für ihr Vorbringen zur fehlenden Betriebsbedingtheit auch keinen Beweis angeboten.
1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die gesetzliche Vermutung nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG sind gegeben...