Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung Darlegungslast des Arbeitgebers gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG
Leitsatz (amtlich)
Der Anlass zu einer unternehmerischen Entscheidung, mit einer geringeren Zahl von Arbeitnehmern die verbleibende Arbeit durchzuführen, unterliegt einer Plausibilitätskontrolle. Der Arbeitgeber muss darlegen, welche organisatorischen und technischen Maßnahmen er im Einzelnen getroffen hat, um den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit als „dringend erforderlich” nachprüfbar und nachvollziehbar zu machen. Dazu gehört, dass die Darlegungen dem Gericht ermöglichen, eine Überprüfung durchzuführen, dass sich die behaupteten Umstände unmittelbar oder mittelbar auf die Beschäftigungsmöglichkeit des Gekündigten auswirken. Es versteht sich nicht von selbst, dass eine Fremdvergabe von Arbeiten kostengünstiger ist als die Aufrechterhaltung der Beschäftigung eines Arbeitnehmers. Wenn eine Kostenersparnis gar nicht eintritt, ist ein dringendes Erfordernis für den Wegfall des Arbeitsplatzes nicht anzuerkennen. Es muss die Vornahme einer gezielten und betriebswirtschaftlich fundierten Prognose hinsichtlich des künftigen Personalbedarfs nachgewiesen werden.
Normenkette
KSchG §§ 1-2
Verfahrensgang
ArbG Essen (Entscheidung vom 31.05.2001; Aktenzeichen 3 Ca 1214/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 31.05.2001 – 3 Ca 1214/01 – abgeändert:
Es wird festgestellt dass die Änderung der Arbeitsbedingungen und die Änderungskündigung vom 07.03.2001 – zugegangen am 22.03.2001 – sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer Änderungskündigung, die die Klägerin unter Vorbehalt im Sinne des § 2 KSchG angenommen hat.
Der nachfolgende Tatbestand enthält in Anwendung der §§ 543 Abs. 2 ZPO, 64 Abs. 6 ArbGG eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien. Von der Möglichkeit der Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie die Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen wird Gebrauch gemacht.
Die Klägerin macht die Unwirksamkeit der mit Schreiben vom 07.03.2001 zum 30.06.2001 (Bl. 30 d. A.) betriebsbedingt ausgesprochenen Änderungskündigung geltend.
Die Klägerin, die 42 Jahre alt und einem Kind unterhaltspflichtig ist, ist bei der Beklagten seit dem 01.01.2000 als vollzeitbeschäftigte Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit zu einem Monatsgehalt von 6.080,– DM tätig. In Zukunft soll sie als Sachbearbeiterin auf Teilzeitbasis „kaufmännische Hilfsarbeiten neben den eventuell noch gering anfallenden Messearbeiten” verrichten. Die Arbeitszeit soll vier Stunden arbeitstäglich betragen, das Gehalt die Hälfte des früheren Vollzeitentgelts.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 07.03.2001 sozial ungerechtfertigt und damit unwirksam ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat die Änderungskündigung mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, fehlgeschlagenen Ertragserwartungen und finanziellen Verlusten begründet. Es sei die unternehmerische Entscheidung getroffen worden, 15 Mitarbeiter zu entlassen und alle Abteilungen neu zu strukturieren, insbesondere den Tätigkeitsbereich der Klägerin wegfallen zu lassen und die dort anfallenden Arbeiten, soweit sie nach der Neustrukturierung noch notwendig würden, an PR-Berater fremd zu vergeben. Der Betriebsrat habe der geplanten Maßnahme zugestimmt.
Die Klägerin hat erwidert, bisher habe eine Fremdvergabe der von ihr zu verrichtenden Öffentlichkeitsarbeitsaufgaben nicht stattgefunden. Im Übrigen sei sie für ein Konzernunternehmen in der Schweiz tätig gewesen, wobei diese Tätigkeit von der Beklagten in Rechnung gestellt worden sei. Das Schweizer Unternehmen habe auch mehrfach die Notwendigkeit einer weiteren Zusammenarbeit mit der Klägerin betont. Sie habe noch im Januar 2001 17 Überstunden leisten müssen. Die nunmehr angebotene Tätigkeit decke sich mit dem bisherigen Aufgabenbereich. Wie bisher solle sie dem Marketingmanagement zugeordnet sein. Unter dem Deckmantel „Unterstützung des Vertriebs” würden ihr genau die Tätigkeiten zugewiesen, die sie jetzt bereits ausübe.
Das Arbeitsgericht Essen hat durch Urteil vom 31.05.2001 die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass infolge einer freien nicht auf wirtschaftliche Zweckmäßigkeit überprüfbaren unternehmerischen Entscheidung der Arbeitsplatz der Klägerin entfallen werde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der Vorinstanz Bezug genommen.
Die Berufung der Klägerin rügt, das Arbeitsgericht habe seine Entscheidung auf einen streitigen Sachverhalt gestützt, ohne über die streitigen Tatsachen Beweis zu erheben.
Es werde bestritten, dass die Gesellschafterin und neue Geschäftsführung die Entscheidung getroffen habe, Personal abzubauen, ...