Leitsatz (amtlich)
1. Verpflichtet sich ein Leistungserbringer, Arbeitnehmer auf einer Baustelle des Auftraggebers nach dessen Weisung einzusetzen, ohne dass eine konkrete Werkleistung beschrieben wäre, handelt es sich grundsätzlich nicht um einen Werk- oder Bauvertrag, sondern einen Dienstvertrag, der auf Arbeitnehmerüberlassung gerichtet ist.
2. § 1b S. 1 AÜG ist eine Eingriffsnorm im Sinne von Art. 9 Abs. 1 und 2 Rom I Verordnung und erfasst deshalb auch Arbeitnehmerüberlassungsverträge mit ausländischem Vertragsstatut.
3. Ob § 1b S. 1 AÜG gegen europäisches Recht, insbesondere die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV), verstößt und deshalb auf einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag nicht angewendet werden darf, muss nicht durch Vorlage an den Europäischen Gerichtshof geklärt werden, wenn der dann bestehende Anspruch des Leistungserbringers aus ungerechtfertigter Bereicherung dieselbe Höhe erreicht wie sein Vergütungsanspruch aus dem Vertrag.
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 24.11.2020; Aktenzeichen 8 O 112/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts unter Aufhebung der Kostenentscheidung abgeändert, sodass es nunmehr wie folgt lautet:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 50.480,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus den folgenden Beträgen zu zahlen:
Aus 14.680,00 EUR seit dem 13. März 2018,
aus 5.720,00 EUR seit dem 23. März 2018,
aus 11.120,00 EUR seit dem 29. März 2018,
aus 4.760,00 EUR seit dem 29. März 2018,
aus 3.000,00 EUR seit dem 31. März 2018 und
aus 11.200,00 EUR seit dem 3. April 2018.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, 1.642,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 28. April 2018 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits über beide Instanzen zu tragen.
IV. Dieses und fortan auch das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist ein in Plock / Polen ansässiges Bauunternehmen in der Rechtsform einer Sp.z o.o., also eine Kapitalgesellschaft des polnischen Rechts. Die Beklagte ist ein in Deutschland ansässiges Bauunternehmen.
Die Beklagte war im Jahr 2018 mit der Installierung einer Heizungsanlage sowie der Verlegung von Abwasserleitungen auf dem Bauvorhaben G, Berlin (im Folgenden: Bauvorhaben G) beauftragt. Am 17. Februar 2018 schlossen die Parteien einen Vertrag in polnischer Sprache. Darin wird die Klägerin beauftragt, auf dieser Baustelle mit allen erforderlichen Werkzeugen ausgestattete Mitarbeiter zu stellen, damit die Beklagte sie dort ab dem 19. Februar 2018 zur Ausführung der Installationsarbeiten einsetzen kann. Die Parteien vereinbarten eine Vergütung von 20 EUR pro Stunde und Mitarbeiter. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag und seine deutsche Übersetzung verwiesen (Anlage K 9).
Im Zeitraum vom 19. Februar 2018 bis zum 28. März 2018 waren Arbeiter der Klägerin auf der Baustelle für die Beklagte tätig. Die Klägerin stellte der Beklagten dafür sieben Rechnungen (Anlagen K 1 bis K 7) über eine Vergütung von insgesamt 55.580,00 EUR (Endbetrag ohne Umsatzsteuer). Den Rechnungen K 1 bis K 6 sind Stundenzettel beigefügt. Dies entspricht einer Gesamtleistung von 2.779 Mannstunden. Die Beklagte leistete keine Zahlungen an die Klägerin.
Die Klägerin behauptet, ihre Mitarbeiter hätten tatsächlich 2.779 Stunden auf der Baustelle gearbeitet. Mit ihrer Klage hat sie die Beklagte vor dem Landgericht auf Zahlung von 55.580,00 EUR nebst Zinsen und der Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch genommen. Sie ist der Ansicht, bei dem streitgegenständlichen Vertrag handele es sich um einen Dienstvertrag gemäß § 611 BGB. Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Sie hält den Vertrag für einen Werkvertrag und bestreitet, dass die Mitarbeiter die abgerechneten Stunden geleistet hätten. Zudem sei die Abrechnung der Klägerin nicht nachvollziehbar.
Mit Urteil vom 24. November 2020 hat das Landgericht der Klageforderung in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Klageanspruch ergebe sich aus § 611 BGB. Bei der Vereinbarung zwischen den Parteien handele es sich um einen Dienstvertrag, da sich die Klägerin verpflichtet habe, der Beklagten Arbeitskräfte für eine Baustelle zu überlassen. Die Klägerin habe den zeitlichen Umfang ihrer Dienstleistungen nachvollziehbar dargelegt, die Beklagte habe sich dagegen nicht in erheblicher Form verteidigt.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, z...