1. Begriff
Rz. 388
In der (grenzüberschreitenden) Praxis kommt es vielfach vor, dass sich Anwälte (aus mehreren Staaten) vertraglich verbinden, ohne gemeinschaftlich den Beruf ausüben oder eine EWIV gründen zu wollen. Ein derartiger Verbund kann unterschiedlich ausgestaltet sein und unterschiedliche Zwecke verfolgen. Diese werden unter den Schlagworten "Club", "network", "Allianz", "Gruppe" oder mit der Minimalform eines Netzwerkes "best friends" beschrieben. Inzwischen drängen auch franchise-ähnliche Systeme oder virtuelle Großkanzleien auf den Markt. Beim Anwaltsfranchising besteht das Ziel in einer flächendeckenden Rechtsberatung, wobei Netzwerke der Verdrängung von mittelständischen Kanzleien entgegenwirken sollen. Die eingebundenen Juristen praktizieren regelmäßig ein einheitliches Marketing und sollen von einer durch den Franchisegeber geschaffenen Infrastruktur (Zentrale Buchführung, EDV, (Online-)Bibliothek, Rahmenverträge, Erfahrungsaustausch) profitieren.
2. Anwendbares Recht
Rz. 389
Bei einem grenzüberschreitenden Verbund ist vorrangig das anwendbare Recht zu ermitteln. Nach deutschem internationalen Privatrecht richten sich die Fragen der Haftung der Mitglieder eines solchen Verbunds nach dem Vertragsstatut (vgl. Rdn 420 ff.).
3. Haftung
Rz. 390
Die Zusammenarbeit von Anwälten in einem Verbund ist haftungsrechtlich wie die Zusammenarbeit mit einem (ausländischen) Anwalt im Einzelfall zu behandeln.
Ausnahmsweise können die Grundsätze der Anscheinssozietät (vgl. Rdn 411 f.) zu einer gesamtschuldnerischen Haftung aller Mitglieder des Verbunds führen. Allerdings sind ggf. auch die vorbeschriebenen Einschränkungen für internationale Sozietäten zu beachten. Die Voraussetzungen einer Anscheinssozietät liegen nicht vor, wenn nur auf den Verbund hingewiesen wird. Dasselbe gilt, wenn auch die Sozietätsbezeichnungen der (ausländischen) Kooperationspartner in der Fußzeile des Briefbogens ausdrücklich erwähnt werden. Die Gegenansicht übersieht, dass die zu einem Verbund zusammengeschlossenen Rechtsanwälte dann gerade nicht als (internationale) Sozietät auftreten, sondern an untergeordneter Stelle auf die Kooperationspartner oder auf den Verbund hinweisen. Als Sozietät treten nur die namentlich bezeichneten Rechtsanwälte auf, nicht die Mitglieder des bloß unter der "Firma" angegebenen (ausländischen) Büros. Eine gesamtschuldnerische Haftung beruht darauf, dass die einzelnen Sozietätsmitglieder ggü. dem Mandanten in dieser Eigenschaft auftreten. Dies ist bei dem Hinweis auf mehrere Sozietäten, die sich zu einem Verbund zusammengeschlossen haben, aber gerade nicht der Fall. Eine gesamtschuldnerische Haftung nach den Grundsätzen der Anscheinssozietät käme in Betracht, wenn die Kooperation firmenmäßig auf der Kopfzeile des Briefbogens in den Vordergrund gerückt wird. Eine solche Gestaltung des Briefbogens dürfte allerdings nach deutschem Wettbewerbsrecht nicht zulässig sein. Der Hinweis auf Büros im Ausland kann zu einem verschärften Haftungsmaßstab für die deutschen Rechtsanwälte führen.