Rz. 46
Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist als Form des Zusammenlebens zwischen Mann und Frau nicht so neu, wie man meinen könnte. So war das Nebeneinander der Ehe als einer vom Recht herausgehobenen Form der Verbindung zwischen Mann und Frau und dem Konkubinat schon dem römischen Recht bekannt. Während die reguläre Ehe, das "matrimonium" durch religiös sakramentalen Akt geschlossen wurde, stellte das Konkubinat eine"legitima conjunctio", eine rechtlich mindere Form der Ehe dar.
Rz. 47
Im germanischen Recht gab es neben der regulären Ehe die so genannte "Friedel Ehe", die eine ähnliche Funktion wie das Konkubinat hatte. In der Kebsehe schließlich lebte ein freier Mann mit einer unfreien Frau zusammen. Auch unter dem Einfluss des christlichen Eheverständnisses sowie des kirchlichen Eherechts wurden diese außerehelichen Verbindungen nie ganz verdrängt. Sie waren in einigen Kreisen sogar an der Tagesordnung. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass nichteheliches Zusammenleben häufig nicht als wählbare Alternative neben der Ehe stand, sondern von Personen gewählt wurde, denen aus rechtlichen, sozialen oder auch wirtschaftlichen Gründen die Eheschließung verschlossen war. Im beispielsweise französischen Königshaus gehörte es geradezu zum guten Ton, neben der Ehefrau auch eine "Mätresse" zu haben.
Rz. 48
Auch nach vollendeter Christianisierung war das Konkubinat durchaus noch akzeptiert. So wurde im Konzil von Toledo im Jahr 400 beschlossen, dass zwar derjenige, der eine Konkubine neben seiner Ehefrau hat, von den Sakramenten ausgeschlossen war, nicht aber derjenige, der eine Konkubine statt einer Ehefrau hatte. Erst im Konzil von Trient 1545–1569 wurde die Ehe als einzige rechtmäßige Form des Zusammenlebens anerkannt und das Konkubinat verboten.
Rz. 49
Bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein war dann das öffentliche Zusammenleben nicht miteinander verheirateter Paare gesellschaftlich nicht akzeptiert, teilweise sogar rechtlich sanktioniert. Im Jahr 1953 entschied das Landgericht Wiesbaden, dass das ständige Zusammenleben einer geschiedenen Frau mit einem anderweitig verheirateten Mann eine gröbliche Verletzung der guten Sitten und gleichzeitig ein Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung sei. Eine "wilde Ehe" bilde selbst in einer Großstadt einen Grund zur Aufhebung des bestehenden Mietvertrages. Beschrieben wird die frühere Auffassung insbesondere auch durch die frühere Rechtsprechung zum so genannten "Geliebtentestament". Nach der Rechtsprechung der 60-er Jahre waren Erbeinsetzungen der Lebensgefährtin als Geliebtentestament wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig. Begründet wurde dies damit, dass Zuwendungen im Rahmen eines solchen Testamentes im Zweifel eine Belohnung für die geschlechtliche Hingabe darstellten, die zur Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit führte. Folge dieser Rechtsprechung war, dass derjenige, der sich auf die Wirksamkeit der Erbeinsetzung berief, diese Vermutung zu widerlegen hatte, was vielfach schwer bis unmöglich war. Noch im Jahr 1968 hat der BGH ein Testament, mit dem der Erblasser eine verheiratete Frau, mit der er zusammenlebte, zur Erbin eingesetzt hat, mit der genannten Begründung für sittenwidrig erklärt.
Rz. 50
In den 70-er Jahren vollzog sich dann ein Beurteilungswandel. Zwar galt die Zuwendung zum Zweck der Belohnung für geschlechtliche Hingabe oder deren Förderung nach wie vor als sittenwidrig mit der Folge deren Nichtigkeit, doch hatte jetzt derjenige, der sich auf die Sittenwidrigkeit berief diese Zweckbestimmung zu beweisen. Da auch ein derartiger Beweis in der Regel ebenso wie der gegenteilige kaum zu führen ist, scheitern testamentarische Zuwendungen innerhalb der nichtehelichen Lebensgemeinschaft regelmäßig nicht mehr an der Vorschrift des § 138 BGB.
Rz. 51
Aktuell ist sogar schon eine moralische Verpflichtung zur Unterhalts- und Alterssicherung diskutiert und angenommen worden.
Rz. 52
In der Nachkriegszeit wurde das nichteheliche Zusammenleben erstmals weitgehend gebilligt, wenn sich Menschen zusammentaten und von einer Eheschließung absahen, um ihre Rentenansprüche nicht zu gefährden. Diese "Rentenkonkubinate" wurden auch als "Onkelehen" bezeichnet.
Rz. 53
Mitte der 80-er Jahre ließ sich schon keine allgemeingültige Auffassung mehr feststellen, dass nichteheliches Zusammenleben sittlich missbilligenswert sei. Mittlerweile haben zahlreiche gerichtliche Entscheidungen wie gesetzliche Maßnahmen dazu geführt, dass die nichteheliche Lebensgemeinschaft auch rechtlich als Form des Zusammenlebens akzeptiert ist. Zu den gerichtlichen Entscheidungen, die im Einzelnen darzustellen sind, ist insbesondere auf die des BGH zur vermögensmäßigen Auseinandersetzung der Partner nach der Trennung zu verweisen, die eine Annäherung an die Situation bei solchen Ehegatten herbeigeführt hat, die in Gütertrennung leben. Als vom Gesetzgeber getroffene Regelungen sind zu nennen die in den Art 12 Abs. 2 und Art 26 der Landesverfassun...