Dr. iur. Thomas Eder, Petra Gartz
Rz. 87
Im Nachfolgenden werden einzelne – regelmäßig in der Praxis relevante – aktive Vermögenspositionen hinsichtlich ihrer Ausgleichskonkurrenz zwischen Zugewinn und Unterhalt, also ob es zu einer unzulässigen doppelten Teilhabe und damit zu einem Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot kommt, überprüft.
a) Abfindung
Rz. 88
Regelmäßig ist die Zahlung einer Abfindung zugunsten eines Ehegatten im Hinblick auf das Verbot der Doppelverwertung problematisch. Die Abfindung soll den Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes entschädigen bzw. Ersatz für den zukünftig eintretenden Lohnausfall und damit zukünftiges Arbeitseinkommen darstellen.
Rz. 89
Soweit die Abfindung als Entschädigung bezahlt wird, soll sie güterrechtlich, soweit sie als Lohnersatz bezahlt wird, unterhaltsrechtlich ausgeglichen werden. Diese Auffassung kann jedoch nicht überzeugen. Zweck der Abfindung ist es unter jedem Gesichtspunkt den mit dem Arbeitsplatzverlust verbundenen Einkommensrückgang aufzufangen, also das in Zukunft fehlende Arbeitseinkommen auszugleichen. Außerdem kann ein Arbeitsplatz unter keinem Gesichtspunkt güterrechtliches Vermögen darstellen, sodass die Entschädigung für dessen Verlust in Gestalt einer Abfindung ebenfalls nicht güterrechtlich zu behandeln ist.
Rz. 90
Praxistipp
Die Zahlung einer Abfindung stellt in aller Regel unterhaltsrechtliches Einkommen des Ehegatten dar und ist als solches im Rahmen der Unterhaltsberechnung zu berücksichtigen, auch wenn die Zahlung in einer Summe erfolgt. Die Abfindungszahlung ist konsequenterweise vorrangig für den Unterhalt einzusetzen. Die Abfindung als Einkommen ist kein güterrechtliches Vermögen.
Rz. 91
Etwas anderes kann nur für den arg konstruiert erscheinenden Fall gelten, dass die Abfindung in ihrer vollen Höhe nicht zur Gänze für den Unterhalt benötigt wird.
Praxistipp
Ein Wahlrecht dahingehend, dass die Abfindungszahlung nach dem Willen des/der Ehegatten güter- oder unterhaltsrechtliche Berücksichtigung findet, besteht nicht.
Wenn also die Abfindung in ihrer gesamten Höhe für den Unterhalt zu verwenden ist, kann sie nicht als güterrechtliche Vermögensposition beim Zugewinnausgleich berücksichtigt werden. Ihr güterrechtlicher Ansatz verstößt gegen das Verbot der Doppelverwertung.
b) Unternehmen, Unternehmensbeteiligungen, freiberufliche Praxen
Rz. 92
In den Sachverhalten, in denen ein Ehegatte ein Unternehmen führt, eine Unternehmensbeteiligung hält oder freiberuflich tätig ist, begegnet der anwaltliche Vertreter regelmäßig der Problematik des Verbots der Doppelverwertung von Aktivposten, da eine zweifache Teilhabe an einem Vermögenswert, nämlich einerseits im Zugewinnausgleich und andererseits im Wege des Unterhalts diesem Verbot widerspricht. Die Ausgleichskonkurrenz zwischen Güter- und Unterhaltsrecht stellt sich jedoch nur ein, wenn und soweit der Vermögensstamm für den Unterhalt herangezogen wird.
Rz. 93
Praxistipp
Der anwaltliche Vertreter muss in Konstellationen, in denen eine Doppelverwertung von Vermögenspositionen nahe liegt, strikt und konsequent zwischen dem Vermögensstamm (Ausgleich im Güterrecht) und den Nutzungen aus dem Vermögen (Ausgleich im Unterhaltsrecht) unterscheiden. Nur so kann sichergestellt werden, dass dem Verbot der Doppelverwertung Rechnung getragen wird.
Rz. 94
Im Ergebnis sind daher die Einkünfte aus dem Unternehmen, der Unternehmensbeteiligung, der freiberuflichen Praxis zur Unterhaltsermittlung heranzuziehen. Aber darüber hinaus muss das Unternehmen, die Unternehmensbeteiligung sowie die freiberufliche Praxis als Vermögensstamm auch güterrechtlich ausgeglichen werden.
Rz. 95
Zum Vermögensstamm einer freiberuflichen Praxis gehört auch der sog. "Goodwill”. Damit ist dieser als Vermögensposition güterrechtlich auszugleichen, auch wenn der Unterhaltspflichtige aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit nicht zuletzt aus dem "Goodwill" seiner freiberuflichen Praxis die Einkünfte für die Unterhaltszahlung generiert."
Rz. 96
Praxistipp
Durch den den Vermögensstamm betreffenden Zugewinnausgleich werden Vermögenspositionen bei einem Ehegatten geschaffen bzw. von einem auf den anderen Ehegatten verschoben. Der verschobene Vermögensstamm wirft aber seinerseits bei dem einen Ehegatten keine, bei dem anderen Ehegatten neue Einkünfte ab, die sich unterhaltsrechtlich selbstverständlich als Verringerung bzw. Mehrung des unterhaltsrechtlichen Einkommens für die Zukunft auswirken.