Dr. iur. Thomas Eder, Petra Gartz
Rz. 97
Das Verbot der Doppelverwertung von Vermögenspositionen gilt auch für den Fall, dass es sich bei der Vermögensposition um einen Passivposten handelt. Der von der Rechtsprechung aufgestellte Grundsatz "keine zweifache Teilhabe" eines Ehegatten durch Unterhalt und Zugewinnausgleich muss auch für die Aufteilung von Verbindlichkeiten gelten. Es darf nicht zu einer "doppelten Benachteiligung" des Ehegatten kommen. Das Problem der Doppelberücksichtigung eines Passivpostens durch dessen Ansatz im Güter- als auch Unterhaltsrecht stellt sich insbesondere im Hinblick auf eine gesamtschuldnerische Haftung der Ehegatten, wenn und soweit sich diese sowohl im Rahmen der Zugewinnausgleichs- als auch der Unterhaltsberechnung auswirkt.
Rz. 98
Praxistipp
Vor dem Hintergrund des Verbots der Doppelberücksichtigung von Schulden muss sich der anwaltliche Vertreter bewusst sein, dass es tatsächlich nur darum geht, die Doppelverwertung der Tilgungsleistungen auf die Passivposition zu verhindern. Im Rahmen des Zugewinnausgleichs wird das am Stichtag vorhandene – negative – Kapital bestimmt. Dessen Wert wird aber ausschließlich von den Tilgungsleistungen, nicht aber den Zahlungen auf Zinsen, beeinflusst.
a) Gesamtschuld bei Unterhaltsberechnung und sich anschließender güterrechtlicher Auseinandersetzung
Rz. 99
Eine Gesamtschuld der Ehegatten ist unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, indem bei dem Ehegatten, der die Verbindlichkeiten bedient, diese mit Zins- und Tilgungsanteil das unterhaltsrechtliche Einkommen mindern, da der Ausgleich der Vermögensmehrung durch die Tilgungsleistungen noch im Wege des Zugewinnausgleichs erfolgen wird. Güterrechtlich ist zum Stichtag in die Zugewinnbilanz des jeweiligen Ehegatten der noch offene Darlehensbetrag jeweils zu ½ einzustellen.
Rz. 100
Durch die einkommensmindernde Berücksichtigung des Tilgungsanteils bei Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens wird der Unterhaltsberechtigte im Rahmen des Unterhaltsrechts an der Rückführung der Verbindlichkeit über den Halbteilungsgrundsatz zu ½ beteiligt. Sofern nun die Gesamtschuld in voller Höhe güterrechtlich bei dem Ehegatten zum Stichtag angesetzt würde, der das Darlehen durch Zins- und Tilgungsleistung zurückführt, hätte das im Ergebnis zur Folge, dass der nicht die Verbindlichkeiten zurückführende Ehegatte über die Kürzung im Zugewinn nochmals, also doppelt, an dem Passivposten beteiligt ist. Ein solches Ergebnis verstößt jedoch gegen das Verbot der Doppelverwertung.
Rz. 101
Praxistipp
Eine Doppelverwertung einer Gesamtschuld kann sich nur einstellen, wenn bei der Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs die Gesamtschuld in voller Höhe bei einem Ehegatten, die Praxis zeigt, regelmäßig bei dem, der das Darlehen durch Zahlung auf Zins und Tilgung bedient, angesetzt wird. Es darf nicht übersehen werden, dass der Ausgleich für die Rückführung der Gesamtschuld zwischen den Eheleuten bereits unterhaltsrechtlich durch den Abzug bei der Einkommensermittlung erfolgt ist.
b) Gesamtschuld bei güterrechtlicher Auseinandersetzung und sich anschließender Unterhaltsberechnung
Rz. 102
Auch bei dieser zeitlichen Abfolge ist das Verbot der Doppelverwertung zu beachten, da ansonsten eine gerade nicht gewollte zweifache Teilhabe eines Ehegatten an der Gesamtschuld eintreten kann. Daher ist der Ansatz der Gesamtschuld im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung bei nachfolgender Unterhaltsberechnung ebenfalls einzustellen.
Rz. 103
Es ist abzuklären, ob die Gesamtschuld im Rahmen der güterrechtlichen Auseinandersetzung in voller Höhe bei einem Ehegatten als dessen alleinige Schuld berücksichtigt worden ist. Wenn das der Fall ist, dürfen die Tilgungsleistungen für die Zeit nach der güterrechtlichen Auseinandersetzung der Ehegatten nicht auch noch das unterhaltsrechtliche Einkommen des Unterhaltspflichtigen mindern, da ansonsten der andere Ehegatten eine zweites Mal – neben dem Zugewinnausgleich – an der Gesamtschuld beteiligt würde.
Rz. 104
Praxistipp
Der anwaltliche Vertreter muss also bei der Unterhaltsberechnung nach der güterrechtlichen Auseinandersetzung für die richtige Beurteilung und Berücksichtigung der Tilgungsleistungen in Betracht ziehen, bei welchem Ehegatten in welcher Höhe die Gesamtschuld zum Stichtag eingestellt worden ist.
Rz. 105
Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, dass Tilgungsleistungen zur einseitigen Vermögensbildung nicht mehr als Abzugsposten für die Bedarfsermittlung im Rahmen der Unterhaltsberechnung berücksichtigt werden dürfen, wenn der Unterhaltsberechtigte nicht mehr über den Zugewinnausgleich an der – einseitigen – Vermögensmehrung, die durch die Tilgungsleistungen eintritt, teilhat.
Rz. 106
Praxistipp
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Ab Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens als Stichtag für den Zugewinnausgleich sind Tilgungsleistungen zur einseitigen Vermögensbildung bei der Unterhaltsberechnung nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen. |
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Etwas anderes gilt nur, wenn
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es sich bei den Tilgungsleistungen um eine zulässige Altersvorsorge ha... | |