Dr. Christoph Lichtenberg
Rz. 264
Teils aus den vorstehend beschriebenen Voraussetzungen für die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs, teils aufgrund gesonderter Regelungen stehen dem Auftraggeber zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, sich gegen den Vergütungsanspruch zu verteidigen. Neben dem schlichten Bestreiten des Vortrags des Auftragnehmers kommen insbesondere infrage:
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gegenüber Abschlagsrechnungen: der Einwand, die Schlussrechnungsreife sei eingetreten; |
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Einwände gegen die Fälligkeit; |
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die Schlusszahlungseinrede (nur im VOB-Vertrag); |
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die Pauschalpreiseinrede; |
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die Geltendmachung von Einbehalten und Abzügen; |
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die Geltendmachung von Mängelrechten; |
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die Geltendmachung sonstiger Gegenansprüche und |
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die Verjährungseinrede. |
1. Eintritt der Schlussrechnungsreife
Rz. 265
Wie oben (siehe Rdn 156 f.) dargelegt, führen der Eintritt der Schlussrechnungsreife im "alten" BGB-Vertrag bzw. jedenfalls die Übergabe der Schlussrechnung nach Abnahme beim "neuen" BGB- sowie beim VOB-Vertrag dazu, dass eventuelle Forderungen aus Abschlagsrechnungen nicht mehr geltend gemacht werden können. Der Auftraggeber kann daher den entsprechenden Einwand erheben, sofern der Auftragnehmer Ansprüche aus einer Abschlagsrechnung geltend macht.
Rz. 266
Als Reaktion kann der Auftragnehmer seine Ansprüche nun allerdings auf die Schlussrechnung stützen. Geht es schon um die gerichtliche Geltendmachung, stellt dies eine sachdienliche Klageänderung dar, die auch ohne Zustimmung des Gegners zuzulassen ist.
Rz. 267
Bei beiden Vertragsarten kann es jedoch für den Auftragnehmer zu zeitlichen Problemen kommen:
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Beim VOB-Vertrag muss die Schlussrechnung zwar schon überreicht sein; da aber auch der Ablauf der Prüffrist bzw. die Durchführung der Prüfung Fälligkeitsvoraussetzung ist, ist der Anspruch voraussichtlich zunächst noch nicht fällig. |
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Beim "alten" BGB-Vertrag kann der Anspruch aus der Abschlagsrechnung bereits hinfällig werden, bevor die Schlussrechnung erstellt ist. Da der Auftragnehmer die Schlussrechnung benötigt, um seinen Anspruch schlüssig darzulegen, muss er diese nun schnellstmöglich erstellen. Beim "neuen" BGB-Bauvertrag benötigt der Auftragnehmer die Schlussrechnung ohnehin, um einen fälligen Zahlungsanspruch begründen zu können. Den Ablauf der Prüffrist muss er hingegen nicht abwarten. |
Rz. 268
Sofern nicht besondere Umstände entgegenstehen, wird das Gericht diese Umstände jedoch bei der Terminierung oder ggf. durch zwischenzeitliche Aussetzung des Verfahrens berücksichtigen.
2. Einwände gegen die Fälligkeit
Rz. 269
Weiterhin kann der Auftraggeber Einwände gegen die Fälligkeit der geltend gemachten Forderung erheben.
a) Mangelnde Prüffähigkeit
Rz. 270
Zunächst einmal kann der Auftraggeber einwenden, die Rechnung, aus der Ansprüche geltend gemacht werden, sei nicht prüfbar.
Rz. 271
Die Vorlage einer prüffähigen Rechnung ist Fälligkeitsvoraussetzung für den Anspruch auf Abschlagszahlung im VOB- und im BGB-Vertrag (siehe oben Rdn 144 ff.). Bei beiden Vertragsarten kann der Anspruch aus der Abschlagszahlung daher mit dem Einwand – sofern berechtigt und rechtzeitig erhoben – zu Fall gebracht werden.
Rz. 272
Hinsichtlich des Anspruchs auf Schlusszahlung ist zu differenzieren:
Rz. 273
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Im Rahmen eines VOB-Vertrages fehlt eine Fälligkeitsvoraussetzung. Kann der Auftragnehmer den Mangel nicht oder nicht rechtzeitig beheben, wird sein Anspruch als derzeit nicht fällig abgewiesen. Er kann aber nach Vorlage einer neuen, prüfbaren Schlussrechnung erneut Klage erheben. |
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Ebenso verhält es sich nach einem BGB-Bauvertrag, der sich nach der aktuellen, seit dem 1.1.2018 geltenden Gesetzeslage richtet. |
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Im Rahmen eines "alten" BGB-Vertrages benötigt der Auftragnehmer (außer in Ausnahmefällen) eine prüfbare Schlussrechnung, um seinen Anspruch schlüssig darzulegen. Gelingt es ihm in dem Prozess nicht, den Mangel der Prüfbarkeit zu beheben, ist seine Klageforderung nicht schlüssig begründet. Der Anspruch wird dann endgültig abgewiesen; eine erneute Geltendmachung ist nicht mehr möglich (siehe oben Rdn 195 ff.). |
b) Fehlende Abnahme
Rz. 274
Gegen den Anspruch auf Schlusszahlung kann der Auftraggeber zudem die fehlende Abnahme einwenden. Da diese Fälligkeitsvoraussetzung ist, muss der Auftragnehmer dann ggf. darlegen, aus welchen Gründen die Fälligkeit auch ohne Abnahme eingetreten ist.
3. Die Schlusszahlungseinrede
Rz. 275
Im Rahmen des VOB-Vertrages gibt § 16 Abs. 3 Nr. 2 bis 6 VOB/B dem Auftraggeber noch eine weitere Einrede, nämlich die sogenannte Schlusszahlungseinrede.
Rz. 276
Unterrichtet der Auftraggeber den Auftragnehmer schriftlich über die Schlusszahlung und nimmt dieser die Zahlung entgegen, ohne innerhalb der in Abs. 5 geregelten Fristen einen entsprechenden Vorbehalt zu erklären und zu begründen, sind eventuelle Nachforderungen (inkl. bereits zuvor geltend gemachter, nicht erledigter; Abs. 4) ausgeschlossen. Der Schlusszahlung steht die schriftliche Erklärung des Auftraggebers gleich, dass er unter Hinweis auf die bereits geleisteten Zahlungen endgültig keine weitere Zahlung mehr erbringen wird (Abs. 3).
Rz. 277
In beiden Fällen muss der Auf...