Isabelle Losch, Gabriela Hack
Rz. 178
Dem Bevollmächtigten kann die Entscheidung übertragen werden, in freiheitsentziehende Maßnahmen einzuwilligen, um den Vollmachtgeber vor einer konkreten Eigengefährdung zu schützen. Dabei kann der Bevollmächtigte auch dazu ermächtigt werden, zu überprüfen, ob eine ärztlich vorgeschlagene Schutzmaßnahme zur Verhinderung einer konkreten Eigengefährdung auch tatsächlich erforderlich und unumgänglich ist. Insbesondere fallen hierunter Entscheidungen über das Anbringen von Bettgittern, das Fixieren mit einem Gurt oder anderen mechanischen Vorrichtungen, die Verabreichung von Schlafmitteln und Psychopharmaka, das regelmäßige Einschließen in ein Zimmer sowie alle sonstigen Maßnahmen, die den Vollmachtgeber daran hindern sollen, sich frei zu bewegen.
Rz. 179
Eine freiheitsentziehende Maßnahme liegt vor, wenn der Vollmachtgeber in seiner körperlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt wird, was laut BGH jedenfalls dann zu bejahen ist, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Betroffene zu willensgesteuerten Aufenthaltsveränderungen in der Lage wäre, an denen er durch die Maßnahme über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig gehindert wird.
Rz. 180
Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Vollmachtsurkunde die Maßnahmen nach § 1831 Abs. 4 BGB ausdrücklich umfasst. Zu beachten ist auch hier, dass trotz einer wirksamen Bevollmächtigung die Genehmigung des Betreuungsgerichts einzuholen ist. In den Tenor ist bei einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung mit aufzunehmen, dass die Durchführung und Dokumentation durch einen Arzt zu erfolgen hat. Anderenfalls sind die Maßnahmen nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, wobei dann die Genehmigung unverzüglich nachzuholen ist.
Rz. 181
Die Genehmigungspflicht tritt nicht ein, wenn der Betroffene in einer Familie lebt, da sich der Betroffene in einem Krankenhaus, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhalten muss und die genannten Maßnahmen dort getroffen werden müssen. Eine betreuungsgerichtliche Genehmigung kann aber erforderlich sein, wenn der Betroffene, der von dritter Seite betreut wird, in seiner eigenen Wohnung regelmäßig eingesperrt werden soll. Wird der Betroffene in seiner eigenen Wohnung, in welcher er allein lebt, vollständig durch professionelle Pflegedienste versorgt, so ist dies unter den Begriff "sonstige Einrichtung" zu subsumieren.
Ist die betroffene Person bereits nach § 1831 Abs. 1 BGB untergebracht, so ist für freiheitsentziehende und -beschränkende Maßnahmen nach § 1831 Abs. 4 BGB keine weitere betreuungsgerichtliche Genehmigung erforderlich, da diese bereits von der vorliegenden Genehmigung gedeckt sind. So muss etwa die Entscheidung über das Anbringen eines Bettgitters oder das Abschließen des Zimmers nicht durch das Betreuungsgericht genehmigt werden, wenn der Betroffene in einem Pflegeheim lebt.
Genehmigungsfrei sind ferner die unterbringungsähnlichen Maßnahmen, wenn der Betroffene ohnehin bewegungsunfähig ist, da dann keine Freiheitsbeschränkung vorliegt.
Im Zweifel ist jedoch von der Genehmigungspflicht auszugehen.
Rz. 182
Gemäß § 1358 Abs. 6 BGB gilt § 1831 Abs. 4 BGB beim Ehegattenvertretungsrecht, wobei die Dauer der Maßnahmen des § 1831 Abs. 4 BGB sechs Wochen nicht überschreiten darf.
Rz. 183
§ 1831 Abs. 4 BGB verweist auf die Absätze 1–3 der Vorschrift, so dass die dort genannten Voraussetzungen vorliegen müssen, insbesondere muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Mit der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts zum 1.1.2023 wurde im Gesetzestext der Begriff "Wohl des Betreuten" im Rahmen der Erforderlichkeit gemäß 1831 Abs. 1 BGB gestrichen. Inhaltlich ist dies ohne Bedeutung, es sollte damit lediglich eine Distanzierung von dem bevormundenden Wesen im Betreuungsbereich hin zum Prinzip der Selbstbestimmung erfolgen.