Isabelle Losch, Gabriela Hack
1. Rechtliche Grundlagen
Rz. 296
Vor Eintritt der Geschäftsunfähigkeit kann der Vollmachtgeber den Bevollmächtigten wirksam selbst überwachen und einem etwaigen Missbrauch der Vollmacht entgegentreten, indem er die Vollmacht widerruft.
Rz. 297
Bei einer Doppelbevollmächtigung, wenn also dieselben Aufgaben an zwei Vertreter übertragen werden (mehrere Bevollmächtigte mit Einzelvertretungsbefugnis), können sich diese die Vollmacht nicht gegenseitig entziehen (vgl. Rdn 78). Die Bestellung eines (Kontroll-)Betreuers kommt bei Meinungsverschiedenheiten erst in Betracht, wenn die Vollmacht nicht mehr ordnungsgemäß umgesetzt werden kann.
Rz. 298
Vor dem 1.1.2023 durfte ein (auch vorläufiger) Betreuer eine Vorsorgevollmacht nur widerrufen, wenn ihm diese Befugnis als eigenständiger Aufgabenkreis ausdrücklich zugewiesen war. In § 1820 Abs. 5 BGB ist der Widerruf der Vorsorgevollmacht durch den Betreuer nunmehr gesetzlich geregelt. Dabei soll der Betreuer die Befugnis zum Widerruf bereits mit der Anordnung des Aufgabenkreises erhalten; eine explizite Übertragung – wie dies von der Rechtsprechung gefordert wurde – soll nicht mehr erforderlich sein.
Rz. 299
Nach dem Tod des Vollmachtgebers kann eine trans- bzw. postmortale Vollmacht jederzeit von den Erben widerrufen werden. Jeder Miterbe hat mit Wirkung für sich das Recht, die Vollmacht zu widerrufen, während die Vertretungsmacht für die übrigen Erben unberührt bleibt, jedoch nicht für die Erbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit.
Voraussetzung für den Widerruf ist, dass der Widerrufende sich erbrechtlich, z.B. durch Vorlage des Erbscheins oder Testaments mit Eröffnungsprotokoll, legitimieren kann. Gelingt ihm dies nicht, kann kein wirksamer Widerruf erfolgen.
Rz. 300
Das Widerrufsrecht steht auch dem Nachlassverwalter und dem Nachlasspfleger zu.
Testamentsvollstreckung und postmortale Vollmacht stehen grundsätzlich nebeneinander. Grundsätzlich kann der Testamentsvollstrecker eine vom Erblasser erteilte Vollmacht widerrufen, sofern der Erblasser nichts anderes angeordnet hat (§ 2208 Abs. 1 S. 1 BGB). Das Verhältnis von postmortaler Vollmacht zu einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung kann laut BGH nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall aufgrund einer Auslegung der Vollmachtsurkunde und der letztwilligen Verfügung unter Berücksichtigung des Erblasserwillens ermittelt werden.
Umstritten ist, ob auch dem Erben neben dem Testamentsvollstrecker ein Widerrufsrecht zusteht für das Vermögen, das der Testamentsvollstreckung unterliegt.
2. Praxisfall Widerruf postmortaler Vollmachten
Rz. 301
Praxisfall
"Widerruf postmortaler Vollmachten"
E setzt seine Frau F zur Alleinerbin ein, Tochter T erteilt er postmortale Kontovollmacht bei der B-Bank. Nach Versterben des E ruft F am 5.5. bei der B-Bank an und widerruft die zugunsten der T bestehende Kontovollmacht. Am 6.5. hebt die T den kompletten Guthabenbetrag ab und verreist unbekannt.
Hat F Ansprüche gegen B?
Lösung
Da sich die F nicht erbrechtlich legitimiert hat, konnte sie die Kontovollmacht der T nicht wirksam widerrufen. Die B hat somit schuldbefreiend an T geleistet. Insbesondere musste die B-Bank hier auch nicht die Ausführung von Weisungen der T zurückstellen oder Sicherungsmaßnahmen ergreifen, bis die Rechtsnachfolge geklärt ist, da auch gegenüber dem Vollmachtgeber als ursprünglichem Vertragspartner der Bank eine solche Pflicht zur Sicherung seiner Interessen nicht bestanden hat.
Rz. 302
Dass das auf den Erben übergegangene Widerrufsrecht häufig keinen Schutz bietet, weil sein Widerruf zu spät erklärt wird, ist im Hinblick auf den Zweck einer postmortalen Vollmacht hinzunehmen. Sie soll es dem Bevollmächtigten gerade ermöglichen, unabhängig vom Willen der Erben und auch vor ihrer Ermittlung tätig werden zu können. Der Bevollmächtigte handelt nämlich, obwohl er nun die Erben vertritt, aufgrund einer Vollmacht des Erblassers. Dieser hat Zeitdauer und Umfang festgelegt. Sein Wille bleibt bis zum Widerruf durch die Erben maßgeblich, so dass es auf die Zustimmung der Erben zu dem Handeln des Bevollmächtigten nicht ankommt. Deshalb kann die Bank auch nicht gehalten sein, eine solche Zustimmung abzuwarten oder ihre Erteilung oder Versagung durch Zuwarten zu ermöglichen.
Praxistipp
Vom Rechtsanwalt sollte bei Missbrauchsgefahr zu Lasten...