1. Unentgeltliche Verfügungen
Rz. 371
Unentgeltliche Verfügungen des nicht befreiten und des befreiten Vorerben über Grundstücke sind – wenn sie ohne Zustimmung des Nacherben und etwaiger Ersatznacherben vorgenommen wurden – im Falle des Eintritts der Nacherbfolge unwirksam (§ 2113 Abs. 2 BGB). Bis zu diesem Zeitpunkt sind sie allerdings wirksam (§ 2112 BGB). Haben der Nacherbe und etwaige Ersatznacherben den Verfügungen jedoch zugestimmt, so sind diese endgültig wirksam.
In der Praxis sind die Vorerben sehr häufig von den Beschränkungen der entgeltlichen Grundstücksverfügung befreit (§ 2136 BGB).
Rz. 372
Der Erblasser kann den Vorerben jedoch nicht befreien von der Möglichkeit, unentgeltliche Verfügungen über Nachlassgegenstände vorzunehmen. Eine solche Verfügung wäre nur mit Zustimmung aller Nacherben und etwaiger Ersatznacherben zulässig. Deshalb kommt es auf die Unterscheidung an, ob eine Verfügung entgeltlich oder unentgeltlich ist.
Rz. 373
Unentgeltlichkeit liegt dann vor, wenn – objektiv – der Verfügung keine gleichwertige Leistung gegenüber steht und – subjektiv – der Vorerbe dies weiß oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses hätte erkennen müssen. Bei einem groben Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Parteien sich über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung einig waren.
Zudem liegt ein Entgelt i.S.d. § 2113 Abs. 2 BGB bei einer Verfügung des nicht befreiten Vorerben nur vor, wenn die Gegenleistung in den Nachlass fließt.
Bei befreiter Vorerbschaft ist eine Verfügung grundsätzlich auch dann entgeltlich, wenn die Gegenleistung in das Eigenvermögen des Vorerben fließt. Jedoch muss die Eingehung der Verbindlichkeit durch den befreiten Vorerben im Rahmen einer ordnungsmäßigen Verwaltung des Nachlasses erfolgt sein, da anderenfalls die auch für ihn geltende Schranke des § 2113 Abs. 2 BGB unterlaufen werden könnte.
Rz. 374
Umstritten ist in diesem Zusammenhang die Behandlung der teilweise unentgeltlichen Verfügungen (gemischte Schenkungen). Die Unwirksamkeit erfasst hier nach der Rechtsprechung des BGH die gesamte Verfügung, also auch den entgeltlichen Teil. Der Nacherbe hat dann die Wahl: Er kann entweder einen Schadenersatzanspruch gegen den Vorerben geltend machen oder einen Herausgabeanspruch gegenüber dem beschenkten Dritten.
Rz. 375
Auch unbenannte Zuwendungen zwischen Ehegatten stellen eine unentgeltliche Verfügung i.S.d. § 2113 Abs. 2 BGB dar.
Eine Verfügung des nicht befreiten Vorerben ist nur dann entgeltlich, wenn die gleichwertige Gegenleistung auch in den Nachlass fließt, was allerdings durch die Surrogationsvorschrift des § 2111 BGB im Regelfall sichergestellt sein dürfte.
Rz. 376
Dagegen ist es dem befreiten Vorerben gestattet, den Nachlass für sich zu verwenden (§§ 2134, 2136–2138 BGB). Deshalb kommt es in diesem Fall nicht darauf an, ob die Gegenleistung in den Nachlass gelangt oder ob sie dem Vorerben persönlich zu Gute kommt. Bei teilweise entgeltlicher, teilweise unentgeltlicher Verfügung des Vorerben ist die gesamte Verfügung unwirksam.
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit einer Verfügung des Vorerben ist der Zeitpunkt ihrer Vornahme.
Rz. 377
Ob eine gemischte Schenkung vorliegt, ist aus der Sicht eines Vorerben bei ordnungsgemäßer Verwaltung der unter Nacherbschaft stehenden Nachlassmasse und unter gebührender Rücksichtnahme auf seine künftige Herausgabepflicht gegenüber dem Nacherben und dessen Interessen zu beurteilen. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob eine andere Person mit mehr Verhandlungsgeschick und/oder größerer zeitlicher Ausdauer einen höheren Verkaufserlös erzielt hätte.
Wird im Kaufvertrag ein Recht am Grundstück vereinbart, wie etwa ein Nießbrauch oder ein Wohnungsrecht, so ergibt sich der Wert der Leistung des Vorerben, indem man vom Wert des Grundstücks noch den Wert des Rechts in Abzug bringt. Denn ein Recht, das der Erwerber bestellt, ist keine Gegenleistung des Erwerbers, sondern mindert den Wert der Leistung des Vorerben.
Rz. 378
Beispiel
Dazu folgendes Beispiel nach OLG Hamm:
Der Vorerbe veräußerte ein Grundstück, das zum Nachlass gehörte, für 985.000 DM. Der Käufer bestellte u.a. eine Finanzierungsgrundschuld über 1,2 Mio. DM. Das Grundbuchamt war wegen der höheren Grundschuld der Auffassung, dass hier eine gemischte Schenkung vorliegen könne und verlangte zur Löschung des Nacherbenvermerks die Bewilligung der Nacherben. Der Käufer wies darauf hin, dass die Finanzierung auch die Dachsanierung umfassen sollte und der Kaufpreis marktgerecht sei.
Rz. 379
Das OLG Hamm führt aus, ein Nacherbenvermerk könne nur dann gelöscht werden, wenn entweder die eingetragenen Nacherben die Löschung bewilligt haben oder die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen sei. Unrichtig ist das Grundbuch in Bezug auf den Nacherbenvermerk, wenn das Grundstück mit Wirkung gegenüber den Nacherben aus dem Nachlass ausgeschieden ist. Diese Folge tritt ein, ...