Dr. iur. Sebastian Berkefeld
Rz. 38
Konkrete Berührungspunkte zu dieser aktuellen Entwicklung im Ehevertragsrecht ergeben sich aus zwei Umständen: Zum einen werden zu Recht Erb- und insbesondere Pflichtteilsverzichte im Zusammenhang mit ehevertraglichen Regelungen und Scheidungsvereinbarungen getroffen, um auch im Falle des Todes eines Ehegatten zu einer sachgerechten Regelung zu gelangen. Im Rahmen der vom BGH vorgenommenen "Gesamtschau", insbesondere im Rahmen der sog. Wirksamkeitskontrolle, besteht dann aber die Gefahr, dass auch der erbrechtliche Verzicht als unwirksam angesehen wird. Jedoch besteht für eine solche "Infizierung" durch einen sittenwidrigen Ehevertrag keine Vermutung. Noch weitergehender wird in der Literatur teilweise sogar angenommen, dass für den Fall, dass der Erb- oder Pflichtteilsverzicht generell und unabhängig von der Ehekrise gelten solle, die Teilnichtigkeit des Ehevertrags nicht zur Nichtigkeit auch des erbrechtlichen Verzichts führt.
Rz. 39
Zum anderen werden teilweise ausgehend von der vom BGH entwickelten "Kernbereichslehre der Dispositivität der Scheidungsfolgen" und dem hohen Rang, den das Unterhaltsrecht dort einnimmt, die Unterhalts- und Versorgungsfunktion des Pflichtteils betont und Art und Umfang der gerichtlichen Kontrolle von Pflichtteilsverzichten davon abhängig gemacht, ob der Pflichtteilsanspruch im konkreten Einzelfall auch der Sicherung des laufenden Unterhalts und der Versorgung des Pflichtteilsberechtigten dient. Dieser Argumentation ist zu Recht entgegengehalten worden, dass dem geltenden Pflichtteilsrecht aus heutiger Sicht gerade keine Unterhalts- und Versorgungsfunktion mehr zukommt. Denn er wird unabhängig von der Bedürftigkeit gewährt und orientiert sich auch seiner Höhe nach nicht am Bedarf des Pflichtteilsberechtigten. Die Existenzsicherung haben vielmehr andere Ansprüche übernommen, insbesondere das ausgefeilte Unterhaltsrecht des BGB. Problematischer wäre demgegenüber die Sachlage, wenn der Pflichtteilsverzicht auch negative unterhaltsrechtliche Auswirkungen hätte, insbesondere auch einen sich aus §§ 1586b, 1933 S. 3 BGB ergebenden Unterhaltsanspruch gegen die Erben des Unterhaltsschuldners beseitigen würde. Dementsprechend hat das LG Ravensburg mit dieser Begründung einen Erb- und Pflichtteilsverzicht nach § 138 BGB für nichtig erklärt. Wenn man eine solche "Fernwirkung" des Erb- und Pflichtteilsverzichts bejaht (eingehend dazu oben, wenn auch ablehnend, siehe Rdn 32 f.), dann ist diese Entscheidung folgerichtig.