Dr. iur. Sebastian Berkefeld
1. Grundsätzliches
Rz. 5
Nach § 2346 Abs. 1 S. 1 BGB können Verwandte und der Ehegatte des Erblassers durch einen Vertrag mit dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten; dies gilt nach § 10 Abs. 7 LPartG für eingetragene Lebenspartner entsprechend. Damit ist der Verzichtende von der gesetzlichen Erbfolge so ausgeschlossen, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte. Man nennt dies die Vorversterbensfiktion. Der Verzichtende hat dann auch kein Pflichtteilsrecht mehr. Auch wenn der Erbverzicht somit grundsätzlich den Verzicht auf den Pflichtteil mitenthält, sollte er nach Möglichkeit vermieden werden. Denn er führt zur Erhöhung des Erb- und damit auch des Pflichtteils der anderen (§ 2310 S. 2 BGB), was meist nicht gewollt ist, ja oftmals geradezu kontraproduktiv für die Nachlassplanung wirken kann. Demgegenüber treten bei einem reinen Pflichtteilsverzicht (§ 2346 Abs. 2 BGB) diese nachteiligen Folgen nicht ein (siehe § 3 Rdn 64 ff.). Zur Abwägungsentscheidung zwischen Erb- und Pflichtteilsverzicht siehe Rdn 52.
Rz. 6
Über die sich aus dem Erbverzicht ergebende Erhöhung der Erb- und Pflichtteilsquoten der anderen Berechtigten hat der Notar oder sonstige Rechtsberater zur Vermeidung einer Haftung zu belehren. Wollen die Beteiligten trotzdem den Erbverzicht, etwa zur Vermeidung einer enterbenden Verfügung von Todes wegen gegenüber dem Verzichtenden, so ist er in seinen Wirkungen entsprechend der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2350 Abs. 2 BGB ausdrücklich zu beschränken; diese Klarstellung ist erforderlich, da sonst zunächst im Wege der individuellen Auslegung zu prüfen wäre, ob die relative Wirkung nur zugunsten der anderen Abkömmlinge und des Ehegatten des Erblassers auch im Einzelfall konkret gewollt war. Dass auch hier der Grundsatz des Vorrangs der individuellen Auslegung gilt, hat der BGH erst vor einiger Zeit bestätigt.
2. Aufschiebend bedingter Erb- und Pflichtteilsverzicht
Rz. 7
Aus Gründen der Rechtssicherheit müssen die erbrechtlichen Verhältnisse mit Eintritt des Erbfalls feststehen. Nicht unumstritten ist daher, ob ein Erbverzicht – der grundsätzlich auch bedingt abgeschlossen werden kann – dahingehend möglich ist, dass die aufschiebende Bedingung für seine Wirksamkeit auch erst nach dem Erbfall eintritt. Jedoch wird dies von der ganz h.M. bejaht. Dies ergibt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen zur sog. konstruktiven Nacherbfolge (§§ 2104, 2105 BGB). Bis zum Bedingungseintritt sind die Verzichtenden Vorerben, danach bestimmt sich die Erbfolge unter Berücksichtigung der Wirksamkeit des Erbverzichts. Dies steht auch nicht im Widerspruch dazu, dass ein Erbverzicht nur zu Lebzeiten des Erblassers geschlossen werden kann und bis zum Eintritt des Erbfalls auch wirksam geworden sein muss. Denn im Fall der Vereinbarung einer solchen Bedingung existiert zum Zeitpunkt des Todes bereits ein wirksames Rechtsgeschäft, lediglich der Eintritt der Rechtsfolgen desselben ist bis zum Eintritt der Bedingung aufgeschoben.
Rz. 8
Das OLG Celle schränkt dies in seinem Beschl. v. 4.3.2004 ein: Ein Bedingungseintritt könne dann nicht mehr eintreten, wenn sich kein Wille des Erblassers feststellen lässt, dass die Wirksamkeit der Bedingung der Verzichtserklärung der Geschwister auch noch nach dem Tode des Erblassers eintreten kann. Das OLG rechtfertigt dies damit, dass eine Vor- und Nacherbfolge gem. § 2100 BGB stets auf dem Willen des Erblassers beruhen muss. Dies gelte auch für die in §§ 2104, 2105 BGB vorgesehene konstruktive Nacherbfolge; auch hier müsse von dem Erblasser angeordnet sein, dass der Erbe entweder nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt oder Ereignis sein Erbe sein soll oder die Erbschaft erst ab Eintritt eines bestimmten Zeitpunkts oder Ereignisses eintreten soll. Entspricht die Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft dagegen nicht dem Willen des Erblassers, kann auf die Konstruktion einer Vor- und Nacherbfolge nicht zurückgegriffen werden. Im konkreten Fall ging es darum, dass aufschiebende Bedingung für den Erbverzicht war, dass andere Geschwister des Verzichtenden auf Abfindungsansprüche aus §§ 12, 13 HöfeO verzichtet haben, um den übergebenen Hof vor solchen Ansprüchen zu schützen. Die entsprechenden Verzichte wurden allerdings erst nach Eintritt des Erbfalls erklärt. Obgleich die Vertragsklausel keine Frist aufwies, sollte nach Ansicht des OLG Celle die Klärung der erbrechtlichen Verhältnisse entsprechend der Interessenlage der Vertragschließenden möglichst bald erfolgen; auf keinen Fall hätten die Übergeber bezweckt, dass die Erbfolge nach ihrem Tode in der Schwebe sein sollte.
Praxishinweis
Besteht bei aufschiebend bedingten Erbverzichten die Möglichkeit, dass der Bedingungseintritt erst nach dem Erbfall eintritt (was faktisch nie auszuschließen ist), so sollte daher formuliert werden, dass auch dann der Erbverzicht wirksam werden kann.
Checkliste: Erb- und Pflichtteilsverzicht
1. Auswahl: Erbverzicht oder Pflichtteilsverzicht?
▪ |
Der Pflichtteilsverzicht beseitigt zwar das Pflichtteilsrecht, ändert aber die... |