a) Rechtzeitige Information des Halters
Rz. 85
Die Fahrtenbuchauflage ist grundsätzlich nur zulässig, wenn dem Halter vorgeworfen werden kann, an der Aufklärung nicht mitgewirkt zu haben. Das setzt wiederum voraus, dass er rechtzeitig informiert worden ist. Rechtzeitig ist die Benachrichtigung des Halters nach immer noch geltender Rechtsprechung nur dann, wenn sie innerhalb von zwei Wochen nach der Zuwiderhandlung erfolgt ist (BVerwG NJW 1979, 1054; OVG des Saarlandes zfs 1998, 38; BayVGH 2016, 297; AG Berlin-Tiergarten DAR 2018, 398).
Nach Auffassung des OVG Lüneburg (NZV 2019, 653) soll die Verwaltungsbehörde auch dann von fehlender Mitwirkungsbereitschaft ausgehen können, wenn dem Halter ein Anhörungsbogen zugegangen ist, mit dem er gleichzeitig vorsorglich auch als möglicher Zeuge belehrt worden war, er aber insgesamt geschwiegen hat.
Rz. 86
Tipp: Nachweis des Zugangs des Anhörungsbogens
Die Behörde muss den rechtzeitigen Zugang des Anhörungsbogens nachweisen. Das setzt im Regelfall den Nachweis voraus, dass dieser den Halter auch erreicht hat. Im Gegensatz zur Verjährungsunterbrechung reicht hierzu der Nachweis der Absendung des Anhörungsbogens nicht aus (VG Frankfurt DAR 1991, 314; Nds. OVG zfs 2004, 433; VerfGH Berlin DAR 2011, 387; VG Potsdam, Beschl. v. 9.3.2012 - VG 10 [52/12]), a.A. VGH Kassel (DAR 2006, 291) und wohl auch OVG Lüneburg (NZV 2008, 52) mit dem nicht überzeugenden Hinweis darauf, dass der Anhörungsbogen ja nicht förmlich zugestellt werde, weshalb der Betroffene die Beweislast für den fehlenden Zugang habe.
Rz. 87
Achtung: Überlassung eines Fahrerfotos
Auf die Zwei-Wochen-Frist kann sich jedoch nur berufen, wer geltend machen kann, die Fristversäumung sei kausal für sein fehlendes Erinnerungsvermögen (VGH Kassel DAR 2006, 291). Das ist regelmäßig dann nicht der Fall, wenn dem Betroffenen ein zur Identifizierung geeignetes Fahrerfoto vorgelegt worden ist (VGH Mannheim NZV 1999, 396; Nds. OVG zfs 2005, 268), ihm aus sonstigen Gründen eine Mitwirkung möglich und zumutbar war (OVG Münster DAR 2006, 172) oder er sich bereits zuvor auf sein fehlendes Erinnerungsvermögen berufen hat (OVG Lüneburg DAR 2005, 231) bzw. er erkennbar ohnehin nicht bereit war, an der Aufklärung mitzuwirken (OVG Münster DAR 2011, 426); gleiches gilt, wenn die (geringe) zeitliche Verzögerung nachweislich nicht kausal war (OVG Münster DAR 2014, 282).
b) Firmenfahrzeuge
Rz. 88
Die Rechtsprechung (VG des Saarlandes zfs 1997, 318; OVG Münster DAR 1998, 156; VG Braunschweig NZV 2005, 165) misst, wenn ein Firmenfahrzeug betroffen ist, der ansonsten zweiwöchigen Informationsfrist keine Bedeutung bei. Sie begründet dies damit, dass in einem Geschäftsbetrieb anhand der üblicherweise gemachten Aufzeichnungen der Verantwortliche ermittelt werden könnte, wenn es der Halter nur wollte. Außerdem soll die Behörde dann, wenn der angesprochene Geschäftsführer sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft und Befragungen am Firmensitz erfolglos blieben, nicht - auch nicht durch einen einfachen Blick ins Internet (BayVGH zfs 2015, 476) - noch ermitteln müssen, ob es noch weitere Geschäftsführer gibt (Nds. OVG NZV 2013, 256).
Rz. 89
Achtung
Die Auferlegung eines Fahrtenbuches für den gesamten Fuhrpark ist grundsätzlich zulässig (Nds. OVG zfs 2015, 415; VG des Saarlandes DAR 2018, 226), was insbesondere bei gravierenden Verkehrsstraftaten zu gelten hat (VGH Bad. Württ. zfs 2014, 418). Das VG Neustadt (DAR 2015, 157) hält allerdings eine 12-monatige Fahrtenbuchauflage für den gesamten Fuhrpark bei einfachen Verkehrsverstößen für unverhältnismäßig.
c) Mietfahrzeug bzw. verliehenes Fahrzeug
Rz. 90
Da eine Vermietungsfirma aufgrund ihrer Aufzeichnungen immer in der Lage ist, den Mieter zu benennen, kann sie eine Fahrtenbuchauflage nur vermeiden, wenn sie diesen angibt. Das gilt auch dann, wenn dessen Ermittlung mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden ist (Nds. OVG zfs 2012, 536). Das gilt auch für den Halter, der behauptet, sein Fahrzeug verliehen bzw. für eine Probefahrt zur Verfügung gestellt zu haben, wenn er behauptet, die Personalien des Fahrers nicht zu kennen (VG Braunschweig NZV 2015, 153).
d) Angaben nach Verjährungseintritt
Rz. 91
Fehlende Mitwirkungsbereitschaft ist ebenfalls dann zu unterstellen, wenn der Betroffene den Verantwortlichen erst nach Verjährungseintritt benennt (OVG München NZV 1998, 88; 2018, 342), es sei denn, die Verjährung sei auf von der Behörde zu vertretende Versäumnisse zurückzuführen (VGH Mannheim DAR 2008, 278).
e) Keine Angaben zum in Frage kommenden Personenkreis
Rz. 92
Aus der Weigerung des Betroffenen, den als Fahrer in Betracht kommenden Personenkreis zu benennen, kann auf fehlende Mitwirkungsbereitschaft geschlossen werden. Das gilt auch dann, wenn das Fahrerfoto schlecht ist (VG Braunschweig DAR 2007, 165). Bei fehlender subjektiver Fähigkeit zur Identifizierung der Radaraufnahme bleibt der Fahrzeughalter insoweit zur Mithilfe bei der Aufklärung verpflichtet, als er den Personenkreis der möglichen Fahrer gegenüber der Ordnungsbehörde einschränken muss. Tut er dies nicht, ist die Auferlegung eines Fahrtenbuches vom Grundsatz her zulässig (OVG des Saarlandes zfs 2010, 120; Nds. OVG zfs 2012...