I. Grundsätze
Rz. 55
Der Betriebsübergang lässt den Sonderkündigungsschutz als solchen unberührt. Soweit deshalb z.B. Betriebsräte, Schwangere oder Arbeitnehmer in der Elternzeit, schwerbehinderte Menschen, tarifvertraglich ordentlich unkündbare Arbeitnehmer oder aber auch Auszubildende und Wehr- bzw. Zivildienstleistende von einem Betriebsübergang betroffen sind, bleibt deren Sonderkündigungsschutz unverändert erhalten. Geht der Betrieb auf einen Betriebserwerber über, tritt dieser in sämtliche Arbeitsverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten ein, wozu auch der bestehende Sonderkündigungsschutz gehört. In diesem Zusammenhang muss sich der Betriebserwerber die Kenntnis des Betriebsveräußerers von der Schwerbehinderteneigenschaft des Arbeitnehmers zurechnen lassen.
Rz. 56
Überdies haben auch die sonderkündigungsgeschützten Arbeitnehmer das Recht, dem Betriebsübergang zu widersprechen. Dies birgt allerdings das Risiko, dass der Betriebsveräußerer sie nicht mehr beschäftigen kann. Ist der Betrieb insgesamt übergegangen und auch keine andere Betriebsstätte beim Veräußerer verblieben, sind betriebsbedingte Kündigungen auch der sonderkündigungsgeschützten Arbeitnehmer grundsätzlich nach § 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Freilich müssen auch die übrigen Voraussetzungen eingehalten, insbesondere die behördlichen Zustimmungen eingeholt werden. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die einschlägigen Darstellungen in diesem Handbuch verwiesen (§ 7).
II. Betriebsräte
Rz. 57
Betriebsräte werden betriebsbezogen gebildet. Geht daher ein Betrieb unverändert auf einen Betriebserwerber über, bleibt der gebildete Betriebsrat im Amt und der Kündigungsschutz nach § 15 KSchG unverändert erhalten. Es gelten uneingeschränkt die allgemeinen Grundsätze (siehe § 7 Rdn 92 ff.). Entsprechendes gilt grundsätzlich auch für einen Betriebsteilübergang. Widerspricht ein Betriebsratsmitglied dem Betriebsübergang, muss der Betriebsveräußerer seine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten prüfen (vgl. auch § 15 Abs. 5 KSchG). Regelmäßig wird das Betriebsratsmitglied durch den Widerspruch aus dem beim Betriebserwerber fortbestehenden Betriebsrat ausscheiden. In diesen Fällen besteht dennoch der einjährige nachwirkende Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG beim Betriebsveräußerer fort, der die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für das ehemalige Betriebsratsmitglied prüfen muss und nur bei jeglichen fehlenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten betriebsbedingt kündigen kann.
III. Schwerbehinderte Menschen
Rz. 58
Schwerbehinderten Menschen kann nur mit Zustimmung des Integrationsamtes ordentlich oder außerordentlich gekündigt werden. Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt auch beim Betriebsübergang. Insoweit kann auf die ausführliche Darstellung unter § 7 (siehe § 7 Rdn 54 ff.) verwiesen werden. Eine Besonderheit gilt hier in der Insolvenz. Hat ein Insolvenzverwalter vor dem Eintritt eines Betriebsübergangs beim Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung beantragt, gilt die nach dem Betriebsübergang weiter an ihn zugestellte Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers nicht als eine gegenüber dem Betriebserwerber erteilte Zustimmung. Der Betriebserwerber kann sich daher auf diese Zustimmung nicht berufen.
IV. Arbeitnehmer in Mutterschutz, Elternzeit und Pflegezeit
Rz. 59
Keine Besonderheiten ergeben sich ferner hinsichtlich des besonderen Kündigungsschutzes nach § 9 MuSchG bzw. § 18 BEEG für Schwangere und Arbeitnehmer in der Elternzeit sowie Sonderkündigungsschutz nach § 5 PflegeZG. Probleme können sich allenfalls dann ergeben, wenn dem Betriebserwerber dieser Sonderkündigungsschutz nicht bekannt ist. Eine Kenntnis des früheren Arbeitgebers muss er sich nicht zurechnen lassen. Im Übrigen wird auf eine Entscheidung des OVG NW vom 21.3.2000 hingewiesen. Danach können nur die Arbeitsgerichte verbindlich feststellen, ob ein Betrieb stillgelegt worden oder auf einen anderen Inhaber nach § 613a BGB übergegangen ist. Ist der Betriebsübergang streitig, darf die zuständige Behörde die Zulässigkeitserklärung nach § 18 BEEG nicht mit der Begründung verweigern, der Betrieb sei von einem anderen Inhaber übernommen worden. Für die weiteren Voraussetzungen an eine Kündigung nach § 9 MuSchG bzw. § 18 BEEG wird auf die Darstellung in § 7 (siehe § 7 Rdn 2 ff., 29 ff.) verwiesen.
V. Tariflich unkündbare Arbeitnehmer
Rz. 60
Bei tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern gelten ebenfalls keine Besonderheiten. Die Arbeitsverhältnisse gehen mit allen Rechten und Pflichten, also auch mit dem Sonderkündigungsschutz, auf den Betriebserwerber über. Für die weiteren Einzelh...