1. Funktionsnachfolge
Rz. 14
Der Betriebsübergang ist von der sog. Funktionsnachfolge abzugrenzen. Wird lediglich eine bestimmte Tätigkeit bei einem Erwerber fortgeführt, ohne dass materielle oder immaterielle Aktiva übernommen werden, liegt grundsätzlich kein Betriebsübergang vor. Gerade der Verlust eines Auftrages an einen Mitbewerber stellt damit regelmäßig lediglich einen Fall der Auftrags- bzw. Funktionsnachfolge dar und führt nicht zu den Rechtsfolgen des § 613a BGB. Dies wird meist auch beim klassischen Outsourcing der Fall sein, wenn die bislang im eigenen Betrieb durchgeführten Aufgaben nunmehr fremd vergeben werden und der neue Auftragnehmer weder Arbeitsmittel noch Personal übernimmt. Problematisch wird es in diesen Fällen erst dann, wenn der Mitbewerber den überwiegenden Teil des Personals des bisherigen Auftragnehmers übernimmt. Wenn der neue Auftragnehmer nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt für diese Tätigkeit eingesetzt hatte, kann es über die Funktionsnachfolge hinaus zum Betriebsübergang kommen. Es kann deshalb sein, dass der Mitbewerber bzw. neue Auftragnehmer es selbst in der Hand hat, einen Betriebsübergang herbeizuführen. In diesem Zusammenhang ist allerdings die Rechtsprechung des EuGH, der sich die Rechtsprechung des BAG angeschlossen hat, zu beachten. Das Kriterium der eigenwirtschaftlichen Nutzung wurde aufgegeben und abgestellt wird nunmehr allein auf den Wertschöpfungsgedanken. Betriebsmittel sind nunmehr wesentlich, wenn bei wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht.
Rz. 15
Praxishinweis
In Fällen, in denen das wirtschaftliche Substrat eines Unternehmens im Wesentlichen durch die menschliche Arbeitskraft gekennzeichnet ist, vorrangig also im Dienstleistungsgewerbe (Reinigung und Bewachung), kann ein Betriebsübergang dann ausgeschlossen sein, wenn der wesentliche Teil der Arbeitnehmer nicht übernommen bzw. eingestellt wird. Jedenfalls sollte nicht der ganz überwiegende Teil der Arbeitnehmerschaft übernommen werden. Nach dem BAG reicht dabei ein Anteil von 60 % oder 75 % der früheren Beschäftigten noch nicht aus, um die Übernahme der Hauptbelegschaft feststellen zu können; jedenfalls dann nicht, wenn keine hohen Anforderungen an die Qualifikation der Arbeitnehmer zu stellen sind. Wesentliches Indiz für die Annahme eines Betriebsübergangs ist in solchen Fällen, ob die bisher bestehende Arbeitsorganisation bewahrt wird, also auch sog. Know-how-Träger übernommen werden. Ist dies der Fall, kann auch die Übernahme einer geringeren Anzahl von Arbeitnehmern ausreichen.
2. Betriebsstilllegung
Rz. 16
In der betrieblichen Praxis wird häufig unter Verkennung des Betriebsübergangs von einer Betriebsstilllegung einerseits und einer Betriebsneugründung andererseits ausgegangen. Die unternehmerische Entscheidung, dass der bisherige Betriebsinhaber seinen Betrieb aufgibt, ist nämlich immer dann irrelevant, wenn der Betrieb als solcher fortgeführt wird, wenn auch mit einem neuen Inhaber. In diesen Fällen liegt keine Betriebsaufgabe, Betriebsschließung oder Betriebsstilllegung vor. Eine Betriebsstilllegung und ein Betriebsübergang schließen sich vielmehr gegenseitig aus.
Rz. 17
Beispiel
Ein Tankstellenbesitzer gibt aus Altersgründen seine Tankstelle auf und veräußert die Tankstelle mit Grundstück an einen Käufer zum 1.1.2017. Seinen Arbeitnehmern gegenüber kündigt er zum 31.12.2016 wegen "Betriebsschließung".
Hier handelt es sich im Rechtssinn um einen Betriebsübergang, nicht um eine Betriebsschließung. Die Folge: Die Kündigungen sind nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam, der neue Tankstellenbesitzer tritt ab 1.1.2017 in die bisherigen Arbeitsverhältnisse ...