1. Grundsätze
Rz. 47
Eine Kündigung erfolgt wegen des Betriebsübergangs, wenn dieser der tragende Grund, nicht nur der äußere Anlass für die Kündigung ist. Das Kündigungsverbot ist also dann nicht einschlägig, wenn es neben dem Betriebsübergang einen sachlichen Grund gibt, der "aus sich heraus" die Kündigung zu rechtfertigen vermag. Es schützt damit nicht vor Risiken, die sich jederzeit unabhängig vom Betriebsübergang aktualisieren können und führt nach der ständigen Rspr. des BAG insbesondere nicht zur Lähmung der als notwendig erachteten unternehmerischen Maßnahmen. Allerdings sind Betriebsveräußerer und Betriebserwerber gehindert, bei der Übernahme der Belegschaft eine Bestenauslese mit dem Ziel zu treffen, sich insbesondere von dem besonders schutzwürdigen älteren, schwerbehinderten, unkündbaren oder sonst sozial schwächeren Arbeitnehmer zu trennen. Dementsprechend genügt auch die Forderung eines Betriebserwerbers, die Belegschaft vor dem Betriebsübergang zu verkleinern, für sich nicht, sodass ein Interessent den Erwerb des Betriebs nicht von Kündigungen abhängig machen darf. Das BAG hat mit einer Entscheidung aus dem Jahre 2003 die Möglichkeiten einer sanierenden Kündigung erheblich erweitert. Sinn und Zweck der Regelungen des § 613a BGB ist es nämlich nicht, den Erwerber auch bei einer aufgrund betriebswirtschaftlicher Gesichtspunkte voraussehbar fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit zu verpflichten, das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer noch einmal künstlich zu verlängern, damit er selbst die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen aussprechen kann. Zulässige Konzepte sind daher insbesondere Personalreduzierung beim Betriebsveräußerer zur "Erhöhung der Verkäuflichkeit" sowie die vorweggenommene Verwirklichung eines Erwerberkonzeptes. Dabei gelten die dargestellten Grundsätze uneingeschränkt auch im Insolvenzverfahren, § 128 InsO.
2. Personalreduzierung beim Veräußerer wegen "Erhöhung der Verkäuflichkeit"
Rz. 48
Bei dieser Alternative handelt es sich um den klassischen Fall einer Sanierungskündigung. Der bisherige Betriebsinhaber ist zur Fortführung des Betriebs nicht mehr in der Lage und daher auf eine Veräußerung seines Unternehmens angewiesen. Um den Verkauf attraktiv zu gestalten, muss der Betrieb rationalisiert werden. Die Fortführung des Betriebs setzt daher in diesen Fällen neben dem Betriebsübergang weiter voraus, dass ein Strukturplan durchgeführt und der Betrieb verkleinert wird. Diesem Zweck dienen die betriebsbedingten Kündigungen. Das BAG verneint in diesen Fällen eine Unwirksamkeit der Kündigungen nach § 613a Abs. 4 S. 1 BGB. Freilich müssen im Übrigen die weiteren Anforderungen an eine betriebsbedingte Kündigung nach dem KSchG erfüllt sein, insbesondere muss eine Sozialauswahl durchgeführt werden. Personalreduzierungen mit dem Ziel der Sanierung können daher betriebsbedingte Kündigungen auch dann rechtfertigen, wenn der Betriebsinhaber sie in enger zeitlicher Nähe zu einem Betriebsübergang ausspricht. Wenn daher eine Kündigung von einem Betriebsinhaber, unabhängig von der Veräußerung, aus notwendigen betriebsbedingten Gründen ausgesprochen werden müsste, verstößt sie nicht gegen das Verbot des § 613a Abs. 4 S. 1 BGB.
3. Kündigung nach Erwerberkonzept
Rz. 49
Beabsichtigt der Betriebserwerber den zu übernehmenden Betrieb nur mit einer geringeren Anzahl von Arbeitnehmern weiterzuführen und sollen die Kündigungen bereits vor dem Betriebsübergang von dem bisherigen Betriebsinhaber ausgesprochen und durchgeführt werden, wird diese Problematik als Veräußererkündigung aufgrund eines Erwerberkonzeptes bezeichnet. Die Zulässigkeit solcher vorweggenommener Kündigungen ist ganz überwiegend anerkannt und hat durch die Grundsatzentscheidung des BAG vom 20.3.2003 zu weitgehender Rechtssicherheit in der Praxis geführt. Auch hier gilt, dass ein verbindliches Konzept oder ein Sanierungsplan des Erwerbers vorliegen müssen, deren Durchführung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärungen bereits greifbare Formen angenommen hat. Ist dies der Fall, steht der Zulässigkeit einer Kündigung der Schutzgedanke des § 613a Abs. 4 BGB nicht entgegen.