Dr. iur. Wolfram Viefhues
1. Einführung
Rz. 21
Das Schlagwort "Verbot der Doppelverwertung" taucht in Rechtsprechung und familienrechtlicher Literatur in verschiedenen Problemkreisen auf. Dahinter steckt der Grundgedanke, dass man Geld nur einmal ausgeben kann.
Rz. 22
Für die anwaltliche Praxis ist es aber – bevor man sich in juristischen Feinheiten verliert – wichtig, erst einmal klar zu erkennen, in welchen Fallgestaltungen dieses Problem tatsächlich relevant werden kann, welche Risiken sich daraus ergeben und welche Maßnahmen hier erforderlich sind, um vom Mandanten Schaden abzuwenden (Haftungsgefahr!). Denn in der Praxis zählt weniger die dogmatische Durchdringung des Rechtsproblems als die Frage, wie sich das ganz konkret auf die Situation des Mandanten auswirkt und mit welcher Argumentation man in Verhandlungen mit dem Gegner und ggf. später in der gerichtlichen Auseinandersetzung "Punkte machen" kann. Zudem relativieren sich viele der z.T. heftig umstrittenen Fragestellungen, wenn man das Thema einmal aus dem Blickwinkel der praktischen Zusammenhänge betrachtet.
2. Wann kann das Problem auftreten?
Rz. 23
Auslöser der gesamten Diskussion sind Fälle der folgenden Art, in denen eine Einmalzahlung eine Rolle spielt:
Beispiel 1:
Der Ehemann erhält eine Einmalzahlung (z.B. Abfindung, Tantieme, Steuerrückzahlung) von 30.000 EUR.
Zwischen den Ehegatten wird zuerst der Unterhalt festgesetzt. Dabei wird die Einmalzahlung auf das Durchschnittseinkommen umgelegt (z.B. mit mtl. 1.000 EUR) und danach der geschuldete Unterhalt errechnet und durch eine Vereinbarung der Ehegatten festgelegt.
Zehn Monate später wird der Scheidungsantrag zugestellt. Auf dem Konto des Ehemannes befindet sich noch ein Restbetrag von 20.000 EUR aus dieser Einmalzahlung.
Die Ehefrau stellt diese 20.000 EUR in ihre Zugewinnausgleichsberechnung ein.
Wird jetzt ein gerichtliches Verfahren eingeleitet und dort der Zugewinn errechnet, schlagen diese 20.000 EUR beim Mann zu Buche. Sind keine weiteren Vermögensbeträge vorhanden, müsste der Ehemann 10.000 EUR an die Frau ausgleichen.
Hier ist es Aufgabe des Anwaltes des Ehemannes, dies unter Hinweis auf das Doppelverwertungsverbot zu verhindern. Denn die auf dem Konto zum Stichtag noch vorhandenen 20.000 EUR sind ja bereits für den festgesetzten Unterhalt "verplant". Entfaltet hier der Anwalt keine entsprechenden Aktivitäten zum Schutze seines Mandanten, wird dieser im Zugewinnverfahren zur Zahlung von 10.000 EUR verpflichtet und muss außerdem weiterhin Unterhalt in der festgesetzten Höhe zahlen. Denn das Gericht hat keine Kenntnis von der zwischen den Ehegatten zuvor getroffenen Regelegung zum Unterhalt, wenn der entsprechende Sachvortrag nicht ausdrücklich ins konkrete gerichtliche Verfahren eingebracht wird (Parteimaxime!). Unterlässt der Anwalt also diesen Sachvortrag im Zugewinnausgleichsverfahren, entsteht dem Mandanten ein Schaden und der Anwaltsregress ist nicht mehr fern!
Bei dieser Fallgestaltung ist es also vordringliche Aufgabe des Anwaltes des Unterhaltspflichtigen
▪ |
bereits bei der Unterhaltsfestsetzung sich einen "Merker" zu setzen, dass die darin eingerechnete Einmalzahlung – soweit sie zum Stichtag noch als (restliches) Kapital bei seinem Mandanten vorhanden ist – nicht uneingeschränkt dem Zugewinn unterfallen kann |
▪ |
im Rahmen der Zugewinnberechnung diesen Umstand zu berücksichtigen |
▪ |
und ggf. im gerichtlichen Verfahren den Sachverhalt vorzutragen und auf die Berücksichtigung dieser Besonderheiten bei der Berechnung des Ausgleichsbetrages zu dringen. |
Rz. 24
Aber auch der Anwalt der Unterhaltsberechtigten sollte diese Umstände im Auge behalten, um nicht Gefahr zu laufen, einen zu hohen Zugewinnausgleichsbetrag zu errechnen und ins gerichtliche Verfahren einzubringen, der dann mit einer negativen Kostenfolge für seine Mandantin abgewiesen werden könnte.
Rz. 25
Praktisch auftreten kann das Problem aber auch bei umgekehrter Fallgestaltung.
Beispiel 2:
Der Ehemann erhält eine Einmalzahlung (z.B. Abfindung, Tantieme, Steuerrückzahlung) von 30.000 EUR.
Zwischen den Ehegatten wird zuerst der Zugewinn geregelt und dabei dieser Betrag ausgeglichen. Sind keine weiteren Vermögensbeträge vorhanden, müsste der Ehemann 15.000 EUR an die Ehefrau ausgleichen.
Zehn Monate später streiten sich die Ehegatten über Unterhalt. In diesem Verfahren trägt die Ehefrau unbestritten vor, der Ehemann habe eine Einmalzahlung (z.B. Abfindung, Tantieme, Steuerrückzahlung) von 30.000 EUR erhalten.
Das Gericht legt die Einmalzahlu...