Dr. iur. Wolfram Viefhues
1. Überlegungen bei Vereinbarungen zwischen den Ehegatten
Rz. 50
Werden im Zusammenhang mit Trennung und Scheidung Vereinbarungen zwischen den Ehegatten über Unterhalt oder Zugewinn getroffen, so ist schon im Hinblick auf das Haftungsrisiko des beratenden Anwalts zwingend erforderlich, dass diese Fragen immer deutlich angesprochen und dann auch ausdrücklich und unzweifelhaft geregelt werden. Dies gilt selbstverständlich auch für Vergleiche, die in gerichtlichen Verfahren abgeschlossen werden.
Rz. 51
Werden in der Vereinbarung nur Teilbereiche geregelt, so sollte jedenfalls Klarheit geschaffen werden, auf welche Weise die Anrechnung erfolgt, so dass bei einer späteren Auseinandersetzung über weitere Bereiche keine Auslegungsstreitigkeiten auftreten können.
Rz. 52
Praxistipp:
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Selbst wenn man von einem Vorrang einer Anrechnung im Unterhalt ausgeht, so spricht viel dafür, eine davon abweichende Vereinbarung der Eheleute dem Formerfordernis des § 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB zu unterwerfen. |
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Soweit eine Unterhaltsregelung während der Trennungszeit für den nachehelichen Unterhalt abgeschlossen wird, ist die Form des § 1585c BGB zu beachten. |
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Der BGH hat es letztlich als für den Zugewinn bindend angesehen, wenn die Beteiligten kraft – ggf. stillschweigender – Vereinbarung eine arbeitsrechtliche Abfindung des Unterhaltsverpflichteten in die Unterhaltsberechnung einbezogen haben. Dabei hat er ebenfalls die Formbedürftigkeit betont und die Bindung im Ergebnis aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleitet. |
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Soweit darin ein Verzicht auf zukünftigen Trennungsunterhalt gesehen werden könnte, können sich hieraus Wirksamkeitsbedenken ergeben. Denn ein Unterhaltsverzicht für die Zeit des Getrenntlebens ist für die Zukunft nicht möglich (§§ 1360a Abs. 3, 1361 Abs. 4 BGB i.V.m. § 1614 BGB; vgl. auch § 1585c BGB). |
2. Rechtsfolgen einer bestehenden wirksamen Vereinbarung
Rz. 53
Kommt es zu einer Konkurrenzsituation zwischen Unterhalt und Zugewinn, ist immer zu prüfen, ob bereits einmal durch eine frühere wirksame Vereinbarung Fakten geschaffen worden sind, die auch für nachfolgende Auseinandersetzungen bindend sind. Denn haben die Beteiligten eine wirksame Vereinbarung über Unterhalt oder Zugewinn durch Scheidungsfolgenvergleich oder Ehevertrag getroffen und darin die Frage der Anrechnung eindeutig geregelt, so bindet diese einvernehmliche Festlegung sowohl die Beteiligten als auch das Gericht, wenn es über den anderen Punkt zu einem gerichtlichen Verfahren kommt. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die erfolgte Anrechnung auch eindeutig aus dem Text der vorangegangenen Vereinbarung ergibt.
Rz. 54
Steht die Formvorschrift des § 1378 Abs. 3 Satz 2 BGB der Wirksamkeit entgegen, hat aber ein Ehegatte bereits Nutzen aus einer (formunwirksamen) Vereinbarung gezogen, kann die Berufung auf den Formverstoß treuwidrig sein (Verstoß gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens).
3. Vorliegen einer zeitlich früheren gerichtlichen Entscheidung
Rz. 55
Auch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung kann Bindungswirkung entfalten.
Werden also getrennte gerichtliche Verfahren durchgeführt, kommt es darauf an, welche Entscheidung zuerst rechtskräftig wird.
Nur dann, wenn im Verbundverfahren über Zugewinn und Unterhalt gleichzeitig entschieden wird, hat das Gericht von Amts wegen die Frage des Vorrangs zu klären.