Ingrid Groß, Dr. iur. Thomas Eder
a) Vorkommen in der Praxis
Rz. 77
Teil einer Trennungs-/Scheidungsvereinbarung ist nicht selten die Freistellung des anderen Elternteils – i.d.R. der Mutter – vom Unterhalt für volljährige Kinder; eine Freistellung für minderjährige Kinder kommt gelegentlich vor, wenn der freistellende Ehegatte – i.d.R. der Vater – den Mehr- und/oder Sonderbedarf allein übernimmt, an dem die Mutter sonst mit beteiligt wäre. Hintergrund ist, dass auf künftige Kindesunterhaltsansprüche nicht verzichtet werden kann (§ 1614 Abs. 1 BGB). Bei der Festlegung einer solchen Freistellungsvereinbarung ist darauf zu achten, dass genau festgelegt wird, bis zu welchem Zeitpunkt die Freistellung gelten soll und über welche Unterhaltsteile sie vereinbart ist, also nur Elementarunterhalt oder auch Mehrbedarf oder auch dazu noch Sonderbedarf. Der Elternteil, der freigestellt wird, muss wissen, dass er damit nicht aus der Haftung für die Kinder entlassen ist und er weiterhin mit gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen belastet ist, für den Fall, dass der andere seine Übernahmepflichten nicht erfüllt.
b) Problemstellung
Rz. 78
Zu bewerten ist zunächst die Freistellungsverpflichtung selbst. Eine ganz andere Situation ist, wenn die Freistellungsverpflichtung nicht eingehalten wird. In diesem Fall muss eine Unterhaltsklage oder eine Erstattungsklage geführt werden, die nach § 51 Abs. 1, Abs. 3 FamGKG i.V.m. § 23 Abs. 1 RVG zu bewerten ist.
c) Lösungsvorschläge
Rz. 79
Ein Freistellungsversprechen ist nicht einklagbar, so dass § 23 Abs. 1 RVG nicht in Betracht kommt, der dann § 42 FamGKG führen würde. § 23 Abs. 3 S. 1 RVG kommt in Betracht. Er verweist auf den ersten Blick an § 52 GNotKG ("Bewertungsvorschrift des GNotKG"). Dennoch ist er nicht heranzuziehen. Er spricht zwar von wiederkehrenden Leistungen, nicht aber von Freistellungen, so dass § 23 Abs. 3 S. 2 RVG anzuwenden ist, der aber inhaltlich dem § 42 Abs. 1 FamGKG entspricht.
§ 51 Abs. 1, 2 FamGKG ist nicht unmittelbar anwendbar. Es ist, sei es über § 23 Abs. 3 S. 2 RVG, sei es über § 42 Abs. 1, Abs. 3 FamGKG, ein Wert zu ermitteln, der insbesondere folgende Gesichtspunkte berücksichtigt:
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gegenwärtige Höhe, wahrscheinliche Änderungen innerhalb der Laufzeit der Freistellung; |
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Dauer des Unterhaltsanspruchs, der freigestellt wird; |
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Alleinhaftung des freigestellten Elternteils oder gänzliche oder teilweise Mithaft im Innenverhältnis; |
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Wahrscheinlichkeit, dass die Freistellungsabrede nicht eingehalten wird und der freistellende Elternteil einspringen muss. |
Zur Bedeutung des § 51 FamGKG in diesem Zusammenhang wird zutreffend ausgeführt, dass § 42 FamGKG unter Einbeziehung der Wertung des § 51 einzusetzen ist, wobei zu berücksichtigen sei, dass ein längerer Freistellungszeitraum auch eine höhere betragsmäßige Bewertungsmöglichkeit nach sich zieht. Eine Ermäßigung sei nach den Umständen des Einzelfalls vorzunehmen, wenn ein Elternteil nur von grundsätzlich möglichen, aber keineswegs feststehenden Unterhaltsansprüchen freigestellt werden soll.