Rz. 55
Das BVerfG hatte mit Beschluss vom 7.7.2010 die Verlängerung der sog. Spekulationsfrist bei der Veräußerung von Grundstücken durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/ 2002 für verfassungswidrig erklärt: Gesetzliche Regelungen, die für künftige belastende Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpfen (sog. unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung), sind nicht grundsätzlich unzulässig. Die unechte Rückwirkung ist mit den grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes jedoch nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist, und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt. Die Verlängerung der sog. Spekulationsfrist bei der Veräußerung von Grundstücken durch § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 39 S. 1 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/ 2002 ist mit belastenden Folgen einer unechten Rückwirkung verbunden, die zum Teil den Grundsätzen des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes widersprechen.
Rz. 56
Löst der unterhalts- und/oder zugewinnausgleichspflichtige Ehegatte seine Unterhalts- und/oder Zugewinnausgleichsverpflichtung durch Übertragung von Vermögensgegenständen des Privatvermögens ab, entsteht für sich gesehen kein steuerpflichtiges Einkommen bei dem unterhalts- und/oder zugewinnausgleichsberechtigten Ehegatten.
Rz. 57
Werden an den ausgleichsberechtigten Ehegatten unter Verzicht auf Zahlung des Ausgleichanspruchs Wirtschaftsgüter übertragen, dann kann insoweit ein entgeltliches Rechtsgeschäft vorliegen, bei dem stille Reserven aufgedeckt und versteuert werden müssen. Vor allem bei der Übertragung von Immobilien drohen Steuerbelastungen aus einem privaten Veräußerungsgeschäft ("Spekulationsteuer") gemäß § 23 EStG: Wird allerdings ein Vermögensgegenstand übertragen, bei dem die Spekulationsfrist seit der Anschaffung noch nicht abgelaufen ist, liegt auf seiten des Verpflichteten ein entgeltliches Veräußerungsgeschäft vor, das innerhalb der Spekulationsfrist des § 23 EStG zu einer entsprechenden Einkommensteuerpflicht führen kann: Der Unterhalts- bzw. Zugewinnausgleichsverzicht des berechtigten Ehegatten ist in diesem Falle als Entgelt für die Eigentumsübertragung anzusehen. Dies gilt gleichermaßen für die Weiterübertragung solcher Wirtschaftsgüter durch den unterhalts- bzw. zugewinnausgleichsberechtigten Ehegatten innerhalb der Spekulationsfrist nach der entgeltlichen "Anschaffung" im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung.
Rz. 58
Im Rahmen der Besteuerung eines solchen privaten Veräußerungsgeschäfts wird der Veräußerungsgewinn im Rahmen der Besteuerung nach § 23 EStG aus der Differenz zwischen Veräußerungspreis bzw. gemeinem Wert zum Übertragungszeitpunkt und den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten (Kauf- oder Herstellungspreis, Maklerkosten, Notariats- und Grundbuchkosten, Grunderwerbsteuer etc.) unter Berücksichtigung der Abschreibungen ermittelt; es wird also der Buchwert auf der Grundlage der zwischenzeitlich vorgenommenen Abschreibungen zugrunde gelegt, wenn das Objekt nach dem 31.7.1995 angeschafft und veräußert bzw. nach dem 31.12.1998 fertiggestellt und veräußert wird (§§ 23 Abs. 3 S. 4, 52 Abs. 39 S. 4 EStG). Dies bedeutet für diese Objekte faktisch eine Nachbesteuerung der zwischenzeitlich durch Abschreibung gebildeten und bei der Veräußerung realisierten stillen Reserven. Verluste aus Spekulationsgeschäften werden nur bis zur Höhe des Spekulationsgewinns des gleichen Kalenderjahres anerkannt (§ 23 Abs. 4 S. 3 EStG).
Rz. 59
Für Verträge zwischen nahen Angehörigen wird der Maßstab der "Üblichkeit" bzw. den sog. "Fremdvergleich" herangezogen. Im Rahmen von Scheidungsfolgenvereinbarungen wird häufig nicht eine Gegenleistung vereinbart, die exakt dem Wert des übertragenen Immobilienvermögens (Eigentumswohnung, Miteigentumsanteil, Hausobjekt) entspricht; insbesondere werden häufig keine Ausgleichszahlungen des Übertragungsempfängers an den übertragenden Ehegatten oder umgekehrt geleistet, die der Differenz zwischen dem tatsächlichen Verkehrswert und der mit der Übertragung erfüllten Scheidungsfolge (Unterhalt, Zugewinnausgleich) entsprechen.
Rz. 60
Dennoch rechtfertigen die Grundsätze des Fremdvergleichs es nicht, an die Stelle einer im Vertrag tatsächlich vereinbarten Leistung der Besteuerung eine höhere Gegenleistung unter Hinweis darauf zugrunde zu legen, dass eine solche höhere Gegenleistung unter fremden Dritten gefordert und erbracht worden wäre. Dies bedeutet umgekehrt aber auch, dass bei einem unter dem tatsächlichen Verkehrswert liegenden Veräußerungspreis das Rechtsgeschäft in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufzuspalten ist, und auf diese Weise selbst dann ein steuerpflichtiger Gewinn entstehen kann, wenn die Gegenleistung deutlich unter den Anschaffungskosten liegt.