Rz. 131
Das bestätigende Anerkenntnis führt zum Neubeginn der Verjährung (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Es reicht schon jedes tatsächliche Verhalten des Schuldners, aus dem sich unzweideutig ergibt, dass er davon ausgeht, dass der Anspruch dem Grunde nach besteht (std. Rspr., vgl. z.B. BGH VersR 1970, 549; 1974, 571; NJW 1997, 516; NJW 1999, 1101; VersR 2003, 251; VersR 2009, 230; DAR 2015, 579). Ein solches tatsächliches Anerkenntnis ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Schädiger oder der für ihn handelnde Haftpflichtversicherer auf Verlangen Schadensersatzleistungen erbringt (BGH VersR 2009, 230; DAR 2015, 579). Schon die Bitte um Stundung wird als Anerkenntnis gewertet (BGH NJW 1978, 1914). Abschlagszahlungen – selbst bei Vorbehalten zur Höhe – reichen ebenso aus (BGH VersR 1974, 571). Zu den Voraussetzungen eines deklaratorischen Anerkenntnisses vgl. OLG Karlsruhe DAR 2019, 571; OLG Schleswig zfs 2019, 698.
Rz. 132
Ein Anerkenntnis nach Ablauf der Verjährungsfrist beseitigt nicht die bereits eingetretene Verjährung (BGH NJW-RR 1987, 288, 289; NJW 1997, 516; DAR 2015, 579).
Rz. 133
Handelt es sich um teilbare Verbindlichkeiten, beschränkt sich die Anerkenntniswirkung auf den anerkannten Teil (BGH VersR 1973, 232). Ob nun ein umfassendes oder nur ein Teilanerkenntnis vorliegt, ist letztlich Auslegungsfrage (BGH VersR 1968, 277). Die vorbehaltlose Erfüllung von Einzelansprüchen (Mehrbedarf, Heilungskosten etc.) führt regelmäßig zum Neubeginn der Verjährung hinsichtlich des Gesamtanspruches (BGH NJW-RR 1986, 324).
Neubeginn der Verjährung durch Anerkenntnis und befristeter Verjährungsverzicht stehen nicht in einem Sachzusammenhang, sind also unabhängig voneinander zu prüfen (BGH v. 27.1.2015 – VI ZR 87/14 – DAR 2015, 579). Dementsprechend kann trotz des Ablaufs eines befristeten Verjährungsverzichts eine zuvor geleistete Zahlung zum Neubeginn der Verjährung und damit zu einer erst später eintretenden Verjährung führen.
aa) "Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht"
Rz. 134
Einerseits soll eine Zahlung i.d.R. selbst dann zum Neubeginn der Verjährung führen, wenn sie "ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht" erfolgt (BGH VersR 1972, 398, 399). Auch nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB liegt in einer Abschlagszahlung grundsätzlich der Wille zur Anerkennung des Gesamtanspruchs, es sei denn, es lag offensichtlich eine Kulanzregelung vor oder die Abschlagszahlung bezog sich auf einen Teil des Anspruchs (OLG Oldenburg NJW-RR 1998, 1283). Andererseits soll aber dann, wenn dabei erklärt wird, die Haftung werde gerade nicht anerkannt, die in der Zahlung liegende Anerkennung nicht zum Neubeginn der Verjährung jedenfalls über den gezahlten Betrag hinaus führen (OLG Köln VersR 1967, 463). Wegen der verbleibenden Rechtsunsicherheiten sollte daher vorsichtshalber bei Zahlungen ohne "ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht" nicht von einem Neubeginn der Verjährung ausgegangen werden.
Rz. 135
Häufig wird der Vorbehalt, dass die Zahlung ohne Anerkennung eine Rechtspflicht erfolge, deshalb eingefügt, um eine erleichterte Möglichkeit der Zurückforderung zu erhalten. Allerdings liegt in dem Vorbehalt – schon mangels einer entsprechenden von dem Empfänger der Zahlung so aufzufassenden Erklärung – kein Rückzahlungsvorbehalt. Der Vorbehalt hat demnach vielmehr die Bedeutung, dass sich der Versicherer dagegen verwahrt, in Kenntnis einer Nichtschuld zu leisten (Diehl, Anmerkung zu BGH, zfs 2005, 11 f.).
bb) "Zahlung aus Kulanz"
Rz. 136
Bei einer Kulanzregelung wird ein Rückforderungsverzicht ausgesprochen, sodass die Rückforderung nach § 814 BGB ausgeschlossen ist (BGH WM 1968, 1201; OLG Nürnberg NJW-RR 1991, 109).
cc) "Zahlung zur Klaglosstellung"
Rz. 137
Die Klaglosstellung durch den Versicherer ist ein taktisch gewähltes Mittel zur Minderung des Prozessrisikos. Der Versicherer zahlt denjenigen Betrag, den er in jedem Falle nach seiner Einschätzung zahlen müsste und führt in dem folgenden Rechtsstreit nur noch eine Auseinandersetzung über streitige Spitzenbeträge. Er erkennt damit den gezahlten Betrag als Mindestbetrag an und löst damit insoweit einen Neubeginn der Verjährung aus.
Rz. 138
Eine Rückforderung des zur Klaglosstellung gezahlten Betrages ist nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB wegen des damit verbundenen widersprüchlichen Verhaltens des Versicherers ausgeschlossen (Diehl, Anmerkung zu BGH, zfs 2005, 10 ff.).