Birgit Eulberg, Michael Ott-Eulberg
A. Vorbemerkung
Rz. 1
Die Beantragung des Nachlassinsolvenzverfahrens ist oftmals der einzige Weg, sich vor Zwangsvollstreckung aus dem Nachlass heraus zu schützen. Die Nachlassinsolvenz kann zu Rückforderungen von Grundstücksüberlassungen, sonstige Schenkungen wie Bezugsrechte aus Lebensversicherungen und Begünstigungen aus Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall führen.
Für das Nachlassinsolvenzverfahren gelten die §§ 315 bis 331 InsO. Weitere Rechtsnormen sind §§ 1975, 1980, 1971, 1988 BGB.
B. Grundsätze
Rz. 2
Mit dem Erbfall vermischt sich das Vermögen des Erblassers mit dem Vermögen des Erben nach Ablauf der Ausschlagungsfrist. Bis zum Ablauf der Ausschlagungsfrist handelt es sich noch um getrenntes Vermögen, es besteht noch keine Eigenhaftung des vorläufigen Erben. Es können noch keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Erbenvermögen vorgenommen werden. Nach dem Ablauf der Ausschlagungsfrist können Nachlassgläubiger mit Titeln, nach Umschreibung in das Eigenvermögen des Erben vollstrecken.
Rz. 3
Jeder Erbe haftet unbeschränkt, jedoch beschränkbar (§§ 1967, 2058, 1975 BGB). Bei der Beschränkung der Haftung werden Nachlass und Eigenvermögen wieder zwei getrennte Vermögensmassen (§§ 1967, 1977 BGB). Zur Nachlassseparation führt sowohl die Nachlassverwaltung als auch die Nachlassinsolvenz. Während die Nachlassverwaltung (§ 1975 BGB) immer die volle Befriedigung der Gläubiger zum Ziel hat, da noch keine Überschuldung, sondern allenfalls Zahlungsfähigkeit vorliegt, ist das Ziel der Nachlassinsolvenz die verhältnismäßige Befriedigung der Gläubiger. Die Nachlassgläubiger können dann nur noch auf den Nachlass zugreifen, § 325 InsO. Nachlassgläubiger, denen gegenüber der Erbe bereits unbeschränkt haftet, können weiter das Eigenvermögen des Erben in Anspruch nehmen, die Gläubiger des Erben jedoch können nicht das Nachlassvermögen in Anspruch nehmen.
Rz. 4
Die Verwaltung des Nachlasses wird dem Erben im Fall des Nachlassinsolvenzverfahrens völlig entzogen. Die Verwaltung steht ausschließlich dem Nachlassinsolvenzverwalter zu. Die Nachlassgläubiger können Befriedigung nur aus dem Nachlass suchen. Ist das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet, können die Nachlassgläubiger ihre Ansprüche grundsätzlich nur gegen den Insolvenzverwalter geltend machen. Maßnahmen der Zwangsvollstreckung, die zugunsten von Nachlassgläubigern in das Eigenvermögen des Erben erfolgt sind, sind auf Antrag des Erben, der die Möglichkeiten, seine Haftung zu beschränken, noch nicht verloren hat, aufzuheben (§ 784 Abs. 1 ZPO). Im eröffneten Nachlassinsolvenzverfahren schützen die Bestimmungen der §§ 89, 321 InsO den Nachlass.
Rz. 5
Das Nachlassinsolvenzverfahren beendet eine bestehende Nachlassverwaltung (§ 1988 Abs. 1 BGB) sowie ein laufendes Aufgebotsverfahren (§ 993 Abs. 2 ZPO). Das Amt des Nachlassverwalters endet mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
C. Gegenstand des Insolvenzverfahrens
Rz. 6
Nur der ganze Nachlass, §§ 1922, 1967 BGB, nicht Teile hiervon, kann Gegenstand des Insolvenzverfahrens sein, § 316 Abs. 3 InsO. Der Nachlass als nicht rechtsfähiges Sondervermögen kann nicht Schuldner des Nachlassinsolvenzverfahrens sein. Da der oder die Erben (bekannt oder unbekannt) Träger des Sondervermögens sind, fällt ihnen die Schuldnerrolle zu. Das Verfahren wird allerdings unter dem Namen des Erblassers geführt. Ein Verbraucher- oder Kleininsolvenzverfahren wird nach dem Tod des Schuldners ohne Unterbrechung als allgemeines Nachlassinsolvenzverfahren fortgesetzt.
D. Zuständigkeit, § 315 InsO
I. Sachliche Zuständigkeit
Rz. 7
Sachlich zuständig für das Insolvenzverfahren ist nicht das Nachlassgericht, sondern das Insolvenzgericht, § 3 InsO mit § 315 InsO.
II. Örtliche Zuständigkeit
Rz. 8
Örtlich zuständig ist das Insolvenzgericht, in dessen Bezirk der Erblasser zum Zeitpunkt des Todes seinen allgemeinen Gerichtsstand, § 315 InsO, hatte. § 315 InsO ist gegenüber § 3 InsO lex specialis. Es tritt eine Konzentration ein: Dasjenige Amtsgericht ist Insolvenzgericht für einen ganzen Landgerichtsbezirk, wo der Sitz des betreffenden Landgerichts ist, § 2 InsO. Landgerichtliche Abweichungen sind möglich. Der allgemeine Gerichtsstand des Erblassers zur Zeit seines Todes, also sein letzter Wohnsitz gem. § 13 ZPO, bestimmt die örtliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts, § 315 InsO, und nicht der Wohnsitz des Erben. Hatte der Erblasser jedoch bei einer selbstständigen Tätigkeit seinen wirtschaftlichen Mittelpunkt an einem anderen Ort als dem seines allgemeinen Gerichtsstands, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk der Unternehmenssitz liegt.
III. Funktionelle Zuständigkeit
Rz. 9
Der Richter ist gemäß § 18 RPflG zuständig. Der Rechtspfleger kann nach Eröffnung gemäß § 18 Abs. 2 RPflG die Befugnisse vom Richter übertragen bekommen.
E. Antrag, § 317 Abs. 1 InsO
I. Antragsberechtigung
Rz. 10
Das Nachlassinsolvenzverfahren beginnt nur auf Antrag, es wird nicht von Amts wegen eröffnet, § 13 InsO.
Rz. 11
Berechtigt, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Nachlass zu beantragen, sind: