Rz. 44
Grundsätzlich ist bei Versicherungsverträgen die Leistungszeit nach dem Kalender bestimmt, sodass bei Nichtzahlung einer fälligen Prämie gem. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB Verzug eintritt, ohne dass es einer Mahnung bedarf. Allerdings entfällt der Versicherungsschutz nicht bereits mit dem Verzug hinsichtlich einer Folgeprämie, sondern der Versicherer hat lediglich die Möglichkeit, gem. § 38 VVG eine sog. qualifizierte Mahnung auszusprechen. Dadurch sollen dem Versicherungsnehmer die Folgen der Versäumung einer rechtzeitigen Prämienzahlung noch einmal zwingend vor Augen gehalten werden. Die qualifizierte Mahnung kann der Versicherer auf Kosten des Versicherungsnehmers aussprechen. Sie verlangt gem. § 38 Abs. 1 VVG die Bestimmung einer mindestens zweiwöchigen Zahlungsfrist in Textform unter Angabe der rückständigen Prämie, Zinsen und Kosten.
Rz. 45
Der Rückstand ist exakt und korrekt aufzuschlüsseln, sodass bereits eine unzutreffende Abweichung im Bereich weniger Cent zur Unwirksamkeit der qualifizierten Mahnung führt (BGH VersR 1992, 1501). Die Aufschlüsselung und die Belehrung über die Rechtsfolgen haben gesondert für die verschiedenen Versicherungsarten zu erfolgen (also insbesondere KH- und Kaskoversicherung), damit der Versicherungsnehmer sich gezielt nur den KH-Versicherungsschutz erhalten kann (OLG Frankfurt VersR 1998, 356). Die Belehrung hat auch darauf hinzuweisen, dass gem. § 38 Abs. 2 VVG eine verspätete Zahlung den Versicherungsschutz wieder eintreten lässt. Die Belehrung muss so eindeutig und unmissverständlich sein, dass der Versicherte ohne Zeitverlust tätig werden kann, um sich seinen Versicherungsschutz zu erhalten. Eine Belehrung auf der Rückseite eines Mahnschreibens verfehlt diesen Zweck und führt zur Unwirksamkeit der Mahnung (BGH VersR 1999, 1525).
Rz. 46
Die Rechtsfolgen des Fristablaufs einer nach vorgenannten Grundsätzen ordnungsgemäßen qualifizierten Mahnung sind:
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Leistungsfreiheit des Versicherers bei Eintritt des Versicherungsfalles während des Verzuges mit der Prämie, den Zinsen oder den Kosten, § 38 Abs. 2 VVG |
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der Versicherer kann fristlos kündigen, solange der Versicherungsnehmer in Verzug ist, § 38 Abs. 3 S. 1 VVG |
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der Versicherer kann auch bereits in der qualifizierten Mahnung eine bedingte Kündigung aussprechen, welche mit dem Ablauf der Zahlungsfrist wirksam wird, falls der Versicherungsnehmer dann noch im Verzug ist, § 38 Abs. 3 S. 2 VVG. |
Rz. 47
Die Kündigung wird unwirksam, wenn die Zahlung (verspätet) innerhalb eines Monats nach Kündigung bzw. Fristablauf erfolgt (§ 38 Abs. 3 S. 3 VVG). Allerdings heilt die Nachzahlung der Prämie die Kündigungsfolge nur ex nunc, sodass die Leistungsfreiheit bei einem zwischenzeitlich eingetretenen Versicherungsfall bestehen bleibt (§ 38 Abs. 3 S. 3 letzter Hs. VVG).