Rz. 26
Am Prozess der Familienstrategie nehmen idealerweise alle Familienmitglieder teil, die direkt oder indirekt auf das Vermögen Einfluss nehmen. Dazu gehören Schwiegerkinder und potentielle Gesellschafter der nachwachsenden Generation (etwa ab der Pubertät).
Die Familienstrategie zielt darauf, auf der Basis eines gemeinsamen Interesses der Familienmitglieder dauerhaft Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit herzustellen.
Der Prozess ist in mehrere auf einander aufbauende Bausteine gegliedert. Schon während des Prozesses verändert sich das Miteinander der Familienmitglieder. Versachlichung, unterschiedliche Blickwinkel, Konkretisierung und gemeinsame Folgenabschätzung erweitern die Wahrnehmung. Sensibilität und Verstehen ergänzt das bis dahin ungeregelte Miteinander. Die Erkenntnis, dass einige Herausforderungen und Konflikte für Unternehmerfamilien charakteristisch und nicht "hausgemacht" sind, entlastet ebenso wie die Vereinbarung von Kommunikationsregeln.
Die Erörterung der Verantwortlichkeiten in der Familie, für und im Unternehmen sowie die Erarbeitung geeigneter Regeln und Plattformen erfolgen erst, nachdem die Familie Fundament und Perspektive geklärt hat.
Rz. 27
Die Familienstrategie ist ergebnisoffen: Fehlt der Familie die gemeinsame Grundlage für eine langfristige Kooperation, wird sie Beteiligungs- und Führungsmodelle erörtern, die weniger oder keine Kooperation der Familienmitglieder voraussetzen, z.B. Thronfolgelösung, Verkauf des Unternehmens oder Fremdmanagement. Diese Optionen sind auch relevant, wenn die notwendigen fachlichen und persönlichen Qualifikationen für die Aufgaben in den eigenen Reihen fehlen, bzw. nicht zeitgerecht erworben werden können.
Die Akzeptanz der Ergebnisse profitiert von der sachbezogenen Diskussion und von der überparteilichen Beratung im gemeinsamen Prozess der Familienstrategie.
I. Zeitpunkt für den Beginn einer Familienstrategie
Rz. 28
In jeder Generation kann die Familienstrategie sowohl im Generationswechsel als auch im Vorfeld oder im Nachhinein ihren Nutzen entfalten. Sowohl präventiv als auch im Konfliktfall ist sie wirkungsvoll. Oft ist von außen nicht einmal mit Sicherheit zu sagen, wie eine Unternehmerfamilie mit den beschriebenen typischen Herausforderungen und Konfliktpotentialen umgeht, ob das Vertrauen intakt, ihr Einfluss auf Unternehmen oder Vermögen günstig ist. Wenn Konflikte zum Zeitpunkt der Vermögensübertragung eskalieren, ist jedenfalls davon auszugehen, dass sie schon eine Vorgeschichte haben.
Rz. 29
Mitunter aber wirkt die Lage ruhig und ausgeglichen. Mindestens zwei Fälle lassen sich unterscheiden:
Trügerische Ruhe herrscht, wenn die Autorität der Eltern verhindert, dass Kinder oder Schwiegerkinder ihre Interessen äußern. Eltern unterschätzen bisweilen, welche Kraft ihre Erwartungen an die Kinder haben. Insbesondere, wenn sich keine geeignete Kommunikations- und Konfliktkultur festigen konnte, werden die Kinder nicht ermutigt, ihre eigenen Vorstellungen zu äußern. Stabilität aber beruht auf dem reflektierten Ausgleich von Interessen.
Womöglich aber ist die Ruhe ein Zeichen intakter Balance: Einige Familien verfügen über eine Familienkultur, die die Unterscheidung von Funktion und Person früh trainiert, Konflikte versachlicht, Teamgeist fördert, offen, lebendig und über Grenzen hinweg kommuniziert. Aber sie sind die Ausnahme. Und auch diese Familien müssen eine ungeheure Energie aufbringen, um Generationenwechsel zu meistern. Denn die Balance ist vielen äußeren Einflüssen ausgesetzt: neue Familienmitglieder mit anderen Interessen sind zu integrieren, im Vermögen, im Unternehmen gibt es Umbrüche, gesellschaftliche Veränderungen dynamisieren Generationenkonflikte.
Rz. 30
Die Familienstrategie setzt auf der jeweiligen Situation der Familie auf. Ob präventiv oder im Konfliktfall, der strukturierte Prozess und seine Ergebnisse entlasten und werden von den Familienmitgliedern als nützlich erlebt. Der Einfluss der Familie auf das Vermögen wird im positiven Wortsinne kanalisiert.
II. Bausteine der Familienstrategie
Rz. 31
Die Familienstrategie festigt das Fundament, erarbeitet eine Perspektive und klärt die Verantwortlichkeiten. Sie macht Unternehmerfamilien strategiefähig, um die Brisanzfragen von Führung, Beteiligung und Mitarbeit im Unternehmen zu klären. Sie stellt diese Fragen jedoch nicht an den Anfang. In den Familien entzünden sich die Konflikte ja gerade an den Fragen: Wer bekommt was? Wer darf was? Wer verdient was? Sie sind emotional aufgeladen, verlangen aber nach sachlich fundierten Lösungen.
Abb. 4: Bausteine im Prozess der Familienstrategie
Rz. 32
In der Familienstrategie geht es nicht u...