Rz. 1
Vermögenserhalt ist Ziel vieler wohlhabender Familien. Für manche stellt es eher ein Minimalziel dar, für andere beschreibt es den Kern diesseits von unvertretbar hohem Risiko und moralischer Gradwanderung (Gier). Dabei kann man über den Begriff "Erhalt" vortrefflich streiten. Geht es um einen nominell gleichen Wert zu verschiedenen Zeitpunkten? Sind Inflation und Kaufkraft zu berücksichtigen? Geht es darum, das zu erhalten, was ein Vermögen heute vermag: z.B. Sicherheit vermitteln, Lebenschancen verwirklichen, Unabhängigkeit wahren, Status geben?
Häufig wollen Familien auch die Zusammensetzung des Vermögens bewahren: Familienunternehmen, Immobilien, diversifiziertes, fungibles Vermögen, Land und Forst, Sammlungen etc. in verschiedenen rechtlichen Einheiten, unter dem Dach einer Holding, einer Familiengesellschaft oder vielleicht in einer Stiftungskonstruktion. Die Erscheinungsformen sind vielfältig.
Rz. 2
Bei Überlegungen zum Vermögenserhalt bleibt immaterielles Vermögen oft außer Betracht. Für vermögende Familien kann es allerdings eine bedeutsame Ressource darstellen. Auf die Bedeutung von Werten und Traditionen für Familie und Vermögen ist noch zurück zu kommen.
Unabhängig von Zweck, Zusammensetzung und rechtlicher Konstruktion erfordert und veranlasst der Vermögenserhalt die Familie zu Kooperation und gemeinsamen Entscheidungen. Im Folgenden soll es darum gehen, wie die Familie sich organisieren kann, um angemessen zu kooperieren, und welche Anforderungen der Vermögenserhalt noch an sie stellt.
Rz. 3
Unternehmerfamilien stehen im Folgenden stellvertretend für wohlhabende Familien. Die Unternehmerfamilie ist damit Denkmodell für eine Gruppe von Familienmitgliedern, die ein gemeinsames Interesse haben: den Erhalt von Vermögen und Familie.
Rz. 4
Bei dieser Betrachtung wird nicht vergessen, dass sich eine Familie aus Individuen formt. Und Kooperation bedeutet für den Einzelnen sowohl Vorteile als auch Zugeständnisse – materiell, emotional, kurzfristig oder auf längere Sicht.
Das Gesetz sieht das Familienmitglied vor allem als Individuum – als autonomes Rechtssubjekt mit gesetzlichen und vertraglichen Rechten und Pflichten. Dahinter steht die Auffassung vom eigenverantwortlichen Handeln und Entscheiden mit der individuellen Freiheit, die Entscheidungsparameter zu bewerten und zu gewichten. Aus Sicht der Ökonomie geht es dabei um den Nutzen von Entscheidungsoptionen im Bestreben um Nutzenoptimierung. Die Entscheidung, langfristig zu kooperieren, kann demzufolge den optimalen materiellen und immateriellen Nutzen versprechen. Bindung ist also nicht mit Verzicht gleichzusetzen.
Rz. 5
Die Vermögensübertragung – insbesondere aufgrund von Generationenwechsel – wirkt sich erheblich auf die Bedingungen der Kooperation aus. Für Unternehmerfamilien empfiehlt es sich, die Übertragung von Vermögen nicht bloß als rechtlichen Akt wahrzunehmen, sondern ergänzend die Übergabe und Aneignung im nicht-juristischen Sinne zu gestalten.
Vermögen zu erhalten, ist ein dauerhafter gestalterischer Prozess, der auch, aber nicht nur die Übertragung des Vermögens umfasst. Für eine Unternehmerfamilie bleibt die zentrale Herausforderung, ihre Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit dauerhaft zu sichern, indem sie die Verhältnisse innerhalb der Familie und zum Unternehmen ordnet. Der Generationswechsel ist Prüfstein und Anlass für Veränderung.