Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 70
§ 1572 BGB ist Anspruchsgrundlage, wenn der berechtigte Ehegatte wegen Krankheit oder anderer Gebrechen ganz oder teilweise nicht erwerbstätig sein kann. Ist wegen der Krankheit nur eine Teilerwerbstätigkeit möglich, so kommt ein Anspruch auf Teilunterhalt aus § 1572 BGB in Betracht. Die Krankheit muss die entscheidende Voraussetzung für die Nichtaufnahme einer Erwerbstätigkeit sein.
a) Darlegungen zur Krankheit und deren Auswirkungen
Rz. 71
Wer sich gegenüber seiner Erwerbsobliegenheit auf eine krankheitsbedingte Einschränkung seiner Erwerbsfähigkeit berufen will, muss grundsätzlich Art und Umfang der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden angeben, und er hat ferner darzulegen, inwieweit sich die behaupteten gesundheitlichen Störungen ganz konkret auf die Erwerbsfähigkeit auswirken. Er darf sich nicht generell auf eine (völlige) Erwerbsunfähigkeit berufen, sondern ist auch im Hinblick auf die Möglichkeit einer Teilerwerbsfähigkeit gehalten, Art und Umfang der gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden darzulegen. Darüber hinaus bezieht sich die Darlegungslast gerade auch auf das Bestehen des Anspruchs zu dem maßgebenden Einsatzzeitpunkt.
OLG Brandenburg Beschl. V. 26.2.2020 – 9 UF 248/19
Zitat
Ein Unterhaltsberechtigter, der trotz Erwerbslosigkeit Unterhalt beansprucht, hat die Darlegungs- und Beweislast für seine Bedürftigkeit. Er muss in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte er im Einzelnen unternommen hat, um einen zumutbaren Arbeitsplatz zu finden und die sich ergebenden Erwerbsmöglichkeiten auszunutzen. Eine Beweiserleichterung nach § 287 Abs. 2 ZPO kommt ihm nicht zugute. Eine behauptete vollständige Erwerbsunfähigkeit ist auch für eine stundenweise Geringverdienertätigkeit von vornherein durch eine Unterhaltspartei darzulegen und zu beweisen. Sie trägt nicht nur die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie keine Vollzeitstelle zu erlangen vermag, sondern auch dafür, dass dies in gleicher Weise für eine geringfügige Beschäftigung im Mini-Job-Bereich usw. gilt.
Rz. 72
Praxistipp:
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Zum Nachweis einer vollen oder teilweisen Erwerbsunfähigkeit ist in aller Regel ein Sachverständigengutachten einzuholen; ärztliche Atteste reichen regelmäßig nicht aus. |
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Darzulegen sind immer Art und Umfang der behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden und zudem, inwieweit die behaupteten gesundheitlichen Störungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken. |
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Ohne einen ausreichenden Sachvortrag ist der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aber ein unzulässiger Ausforschungsbeweisantrag! |
b) Behandlungsobliegenheit
Rz. 73
Zudem besteht eine unterhaltsrechtliche Obliegenheit zur Behandlung der Krankheit., Erforderlich sind substantiierte Darlegung zu den bisherigen Therapiebemühungen in der Vergangenheit, den dadurch erreichten oder nicht erreichten Verbesserungen der gesundheitlichen Situation und dazu, welche zukünftigen Bemühungen um eine gesundheitliche Verbesserungen geplant sind oder – im umgekehrten Fall – dass auch in Zukunft keinerlei Besserung zu erwarten ist.
c) Erwerbsunfähigkeitsrente
Rz. 74
Bezieht der Unterhaltspflichtige eine Rente wegen voller Erwerbsminderung (Erwerbsunfähigkeitsrente), so ergibt sich daraus lediglich, dass er nicht drei Stunden oder mehr arbeitstäglich erwerbstätig sein kann und dass er einer Vermittlung durch die Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung steht. Eine vollständige Unfähigkeit für sämtliche Tätigkeiten, etwa im Geringverdienerbereich, ergibt sich daraus indessen noch nicht.
Rz. 75
Praxistipp:
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Damit bleibt auch bei Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente aus unterhaltsrechtlicher Sicht noch eine – geringe – Erwerbstätigkeit unterhalb dieser Schwelle – also von bis zu 3 Stunden arbeitstäglich – möglich. Hierzu muss konkret vorgetragen werden, dass auch ein beruflicher Einsatz in diesem geringeren Umfang nicht möglich ist! |
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Fehlt dieser Sachvortrag, kann dem anspruchstellenden Ehegatten in diesem Umfang wegen Verletzung seiner Erwerbsobliegenheiten ein fiktives Einkommen zugerechnet werden, dessen Höhe gem. § 287 ZPO geschätzt werden kann. |
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Der BGH hat akzeptiert, dass der Antragsgegnerin ein beispielsweise durch Bürotätigkeiten erzielbares Einkommen von zwischen 400 EUR und 450 EUR pro Monat zugerechnet worden ist. |
Auch hier müssen die Tatbestandsvoraussetzungen zum Einsatzzeitpunkt gegeben sein.
OLG Koblenz, Beschl. v. 19.2.2016 – 13 WF 22/16
Zitat
1. Begehrt ein Antragsteller erst über zehn Jahre nach der rechtskräftigen Scheidung nachehelichen Unterhalt, so muss er substanziiert darlegen, dass die Voraussetzungen eines An...