Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 236
Die Schwierigkeit in der praktischen Anwendung der Befristungsregelungen liegt nun darin, dass
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eine Prognoseentscheidung für die Zukunft aufgrund der jetzigen Tatsachenlage getroffen werden muss, die naturgemäß mit Unsicherheiten verbunden ist |
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und dass es bei Prognoseentscheidungen im Hinblick auf die Präklusionswirkung nach § 238 FamFG zu einer Beschränkung des zukünftigen Rechtsschutzes kommt. |
Rz. 237
Im konkreten Fall ist im Rahmen des Leistungsverfahrens bei Vorliegen ehebedingter Nachteile für die Frage einer Befristung des Unterhaltes die Prognose zu treffen, wie lange der Unterhaltsberechtigte unter Berücksichtigung aller oben aufgeführten entscheidungsrelevanten Kriterien benötigt, um die in der Ehe eingetretene wirtschaftliche Verflechtung rückabzuwickeln, seine wirtschaftliche Selbstständigkeit wieder erreicht haben wird und die entstandenen ehebedingten Nachteile ausgeglichen sein werden.
In der Praxis geht es dabei bei der ersten Festsetzung des Unterhaltes regelmäßig um eine Vorhersage einer zukünftigen Entwicklung, die nur auf mehr oder weniger sichere Indizien gestützt werden kann. Soweit die betreffenden Gründe jedoch bereits zuverlässig vorherzusehen sind, ist die Entscheidung aufgrund einer Prognose zu treffen mit der Folge einer entsprechenden späteren Präklusionswirkung nach § 238 FamFG. Denn soweit die betreffenden Gründe schon zuvor eingetreten oder zuverlässig vorauszusehen waren, liegt keine nachträgliche Abänderung i.S.d. § 238 FamFG vor, die später eine Änderung des Titels ermöglichen würde.
Rz. 238
Die – spätere – Präklusion setzt allerdings voraus, dass die Umstände schon für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens erheblich waren. Das ist dann der Fall, wenn das Gericht des Ausgangsverfahrens bereits eine Herabsetzung oder Befristung hätte aussprechen müssen. Ist dies nicht der Fall gewesen, weil z.B. ein Erhöhungsverlangen des unterhaltsberechtigten Ehegatten vollständig abgewiesen worden ist, ist der Befristungseinwand in einem späteren Verfahren nicht präkludiert.
Rz. 239
Ist ein Umstand allein im Rahmen der Billigkeitsbetrachtung nach § 1578b BGB erheblich, so kommt es mithin grundsätzlich darauf an, ob der fragliche Umstand bereits im Ausgangsverfahren zu einer abweichenden Entscheidung hätte führen müssen.
Rz. 240
Praxistipp:
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Konkret bezieht sich das auf die Frage, ob vorhersehbar ist, wann die ehebedingten Nachteile enden. |
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Ist dies der Fall, kann die Herabsetzung/Befristung nicht später im Änderungsverfahren nachgeholt werden, es ist Präklusion gem. § 238 Abs. 2 FamFG eingetreten. |
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Kann dies dagegen nicht prognostiziert werden, so hat eine Herabsetzung/Befristung zu unterbleiben und kann dann später im Änderungsverfahren geltend gemacht werden. |