a) Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit
Rz. 96
Eine besondere Machtstellung einzelner Gesellschafter kann sich auch aus einer unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Ausstattung der einzelnen Anteile ergeben. So eröffnet bei Aktiengesellschaften § 12 AktG ausdrücklich die Möglichkeit, stimmrechtslose Vorzugsaktien auszugeben, also die Anteile mit unterschiedlichen Herrschaftsrechten auszustatten. Dieselbe Möglichkeit besteht im Ergebnis auch bei der GmbH, in deren Satzung bspw. Mehrfachstimmrechte für bestimmte Geschäftsanteile oder Gesellschafter vereinbart werden können.
Rz. 97
Bei Personengesellschaften richtet sich die Stimmrechtsverteilung gem. § 709 Abs. 3 S. 3 BGB (der für die OHG über § 105 Abs. 3 HGB und für die KG über § 161 Abs. 1 HGB ebenfalls gilt) nur im Zweifel nach der Zahl der Gesellschafter; jedem von ihnen steht dann eine Stimme zu. Vorrangig kommt es jedoch nach § 709 Abs. 3 S. 1 BGB auf die vereinbarten Beteiligungsverhältnisse, hilfsweise auf die vereinbarten Beiträge, an (§ 709 Abs. 2 S. 1und 2 BGB). Die Regelung der Stimmrechtsverteilung ist also nach den Vorgaben des Gesetzes ausdrücklich dispositiv, so dass die Gesellschafter individuelle gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen treffen können. Hierbei sind in der Praxis oftmals vom kapitalmäßigen Anteil abweichende Stimm- und Herrschaftsrechte anzutreffen.
Rz. 98
Hinsichtlich der Kommanditgesellschaft gilt darüber hinaus die Besonderheit, dass die Kommanditisten gem. § 164 Abs. 1 S. 1 HGB von der Geschäftsführungsbefugnis ausgeschlossen sind. Ihre Möglichkeiten, auf die Unternehmensführung Einfluss zu nehmen, sind daher bereits von Gesetzes wegen beschränkt.
b) Auswirkungen auf die Bewertung
Rz. 99
In der Rechtsprechung zum Aktienrecht ist allgemein anerkannt, dass die unterschiedlichen Einflussmöglichkeiten, die Stammaktien einerseits und Vorzugsaktien andererseits gewähren, sich in der Bewertung niederschlagen müssen. Zur Begründung wird insbesondere darauf verwiesen, dass die Börsenkurse der Vorzugsaktien regelmäßig unter denen der Stammaktien liegen. Da es sich bei Stamm- und Vorzugsaktien um Aktien verschiedener Gattungen handelt, führt ihre unterschiedliche Behandlung auch nicht zu einem Verstoß gegen § 53a AktG, so dass der h.M. grundsätzlich zuzustimmen ist. Im Übrigen spricht auch nichts dagegen, sie auf unterschiedlich ausgestattete Geschäftsanteile an einer GmbH zu übertragen.
Rz. 100
Im Hinblick auf die Zielsetzung der Bewertung im Pflichtteilsrecht, nämlich den wirklichen Wert der Anteile zu ermitteln, müssen dieselben Grundsätze auch hier Anwendung finden. Dabei gelten aber die bei den Paketzuschlägen dargestellten Einschränkungen entsprechend (vgl. Rdn 76, 92), da die Ursache der erweiterten oder beschränkten Einflussmöglichkeiten für die Frage ihrer Einbeziehung in die Wertermittlung keine Rolle spielen kann. Es kommt somit auch hier auf die weitere Verwendung der Anteile an.
Rz. 101
Hinsichtlich eines Wertabschlags bei den Vorzugsaktien oder entsprechend ausgestalteten GmbH-Anteilen gelten die zu den Minderheitsabschlägen gemachten Ausführungen entsprechend (vgl. Rdn 94).
Rz. 102
Die unterschiedliche Ausgestaltung der Einflussmöglichkeiten bei Personen-, insbesondere Kommanditgesellschaften, also bspw. der gesetzlich vorgesehene Ausschluss der Kommanditisten von der Geschäftsführung (§ 164 S. 1 HGB), wurde bislang von der Rechtsprechung noch nicht problematisiert. Ansätze für eine Berücksichtigung finden sich bislang lediglich in einer Entscheidung des LG Konstanz vom 1.10.1987. Im Ergebnis wird man aber festhalten müssen, dass unterschiedliche Stimm- und Herrschaftsrechte sich im Regelfall nicht auf die zu erwartenden Zahlungsströme zwischen Gesellschaft und Gesellschafter auswirken werden. Nur bei einer gedachten Veräußerung des Anteils kann der Umfang der mit ihm verbundenen Einflussmöglichkeiten wertbestimmend sein. In dieser Hinsicht bildet die Kommanditgesellschaft aber ohnehin einen Sonderfall, der weder mit ähnlichen Vorgängen bei anderen Personengesellschaften noch mit der Situation bei Kapitalgesellschaften ohne weiteres vergleichbar ist.