I. Einleitung
1. Allgemeines
Rz. 775
Die Reisekrankenversicherung sieht grundsätzlich Leistungen des Versicherers während des Auslandsaufenthaltes des Versicherten vor. Hiervon umfasst sind neben dem Aufwendungsersatz von Heilbehandlungskosten regelmäßig auch die Kosten des Krankenrücktransportes sowie die Beerdigung oder Überführung im Todesfall.
Rz. 776
Der Abschluss einer solchen Reisekrankenversicherung ist vor allem deswegen interessant, weil der Reiserücktransport von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen nicht oder nur eingeschränkt übernommen wird. Gesetzlich Krankenversicherte sind zudem nur bei Reisen in EU–Länder und Staaten, mit denen ein Sozialversicherungsabkommen besteht, versichert und dies auch nur nach dem Recht des Reiselandes. Auch der Versicherungsschutz privat Krankenversicherter ist im Ausland beschränkt.
Rz. 777
Reisekrankenversicherungen werden auch für Personen mit ständigem Wohnsitz außerhalb der Bundesrepublik Deutschland angeboten, die sich zu Reisen innerhalb Deutschlands aufhalten (Incoming-Versicherungen). Vereinzelt gibt es auch Reisekrankenversicherungen für Personen mit Wohnsitz in Deutschland für Urlaubsreisen innerhalb Deutschlands; zumeist mit geringerem Leistungsumfang.
Rz. 778
Zudem wird neben der eigentlichen Reisekrankenversicherung zum Teil auch eine Assistenz- bzw. Notfallversicherung angeboten, die im Wesentlichen die aktive Betreuung und Organisation der Rückholung erkrankter oder verletzter Personen umfasst.
2. Rechtsgrundlagen
Rz. 779
Die §§ 192–208 VVG gelten grundsätzlich auch für die Reisekrankenversicherung. Aus § 194 VVG ergibt sich, dass die §§ 74–80 und 82–87 VVG anzuwenden sind, soweit der Versicherungsschutz nach den Grundsätzen der Schadensversicherung gewährt wird. Die in den §§ 1–73 VVG enthaltenen Vorschriften für sämtliche Versicherungszweige sind nur mit Ausnahme der §§ 23–27 und 29 VVG anzuwenden; bezüglich der §§ 19 Abs. 3 und 21 Abs. 3 S. 1 VVG gelten Einschränkungen. In § 195 Abs. 2 VVG wird klargestellt, dass in Reiseversicherungsverträgen Vertragslaufzeiten vereinbart werden können.
Rz. 780
Anders als in der Krankheitskosten- und der Krankentagegeldversicherung gibt es für die Reisekrankenversicherung keine Musterbedingungen. Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) sind daher von Versicherer zu Versicherer verschieden und weichen sowohl bei den Voraussetzungen, als auch im Leistungsumfang in nicht unerheblichem Maße voneinander ab. Beispielhaft wird auf die in Prölss/Martin abgedruckte AVB-Reiseversicherung – Variante A bzw. Variante B oder die in der 7. Aufl. (dort zu Rn 876) abgedruckten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Auslandsreise-Versicherung verwiesen.
Hinweis
Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich im Wesentlichen nur auf Outcoming-Policen.
II. Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Versicherungsschutzes
1. Gegenstand des Versicherungsschutzes
Rz. 781
Der Reisekrankenversicherer bietet Versicherungsschutz für Krankheiten, Unfälle und andere im Vertrag genannte Ereignisse bei einem im Ausland unvorhergesehen eingetretenen Versicherungsfall. Der Versicherer zahlt grundsätzlich nicht für Behandlungen, die bereits vor Beginn der Auslandsreise feststanden.
Rz. 782
Versicherungsfall in der Reisekrankenversicherung ist nicht die Krankheit, sondern deren medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheits- oder Unfallfolgen im Ausland und der Krankentransport. Als Versicherungsfall gelten regelmäßig auch Todesfälle mit den dann zu erstattenden Kosten für die Überführung bzw. die Bestattung am Sterbeort.
Erforderlich ist, dass es sich um Kosten einer akut aufgetretenen Krankheit oder eines Unfalles im Ausland handelt.
Rz. 783
Soweit in den AVB auf einen unvorhergesehenen oder unerwarteten Versicherungsfall abgestellt wird, enthält diese Bestimmung zusätzlich ein subjektives Element.
Eine Erkrankung ist dann unvorhergesehen eingetreten, wenn der Versicherungsnehmer ihren Eintritt während der Auslandsreise nicht vorhergesehen hat und ihn ohne Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit auch nicht vorhersehen konnte. Hierbei ist auf die subjektive Sicht des Versicherungsnehmers bzw. der betroffenen versicherten Person abzustellen.
Rz. 784
Der BGH hat ausdrücklich klargestellt, dass allein entscheidend ist, welche Informationen dem Versicherungsnehmer bzw. dem Versicherten durch behandelnde Ärzte konkret gegeben worden waren. Mithin ist ein medizinischer Sachverständiger nicht zu der Frage zu hören, inwieweit Vorerkrankungen das Risiko einer akuten Krankheit nach medizinischem Ermessen objektiv erhöht haben. Insbesondere erkenne der durchschnittliche Versicherungsnehmer beim Vergleich der Leistungsbeschreibung in Form des Vorliegens einer akuten, unerwarteten Erkrankung mit dem Risikoausschluss für absehbare Erkrankungen, dass akute, mithin im versicherten Zeitraum neu und plötzlich auftretende Erkrankungen Versicherungsschutz genießen, während die Behandlung bereits bestehender und bekannter Vorerkrankungen einschließlich möglicher Behandlungsfolgen vom Versicherungsschutz ausgenommen ist. Er wird daher annehmen, dass eine akute, unerwartete Er...