I. Zur Rechtslage in den vormals jugoslawischen Gebieten
Rz. 419
Bereits die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien war auf dem Gebiet des Erbrechts Mehrrechtsstaat, nachdem 1971 die Teilrepubliken und die autonomen Gebiete eigene Gesetzgebungskompetenz erhielten. So hatten schon vor 1990 die Republiken Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Slowenien und Serbien, in der Republik Serbien wiederum die autonomen Gebiete Kosovo und Wojwodina eigene Erbgesetze. Am 15.7.1982 war ein bundeseinheitliches internationales Kollisionsrecht, das Gesetz zur Lösung von Gesetzeskollisionen mit den Vorschriften anderer Staaten für bestimmte Verhältnisse (IPRG), erlassen worden. Dieses gilt heute noch in einigen Nachfolgestaaten wie Serbien und Kroatien fort.
Rz. 420
Nachdem sich seit 1990 sukzessive die Republiken Kroatien, Slowenien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina von der damaligen SFR Jugoslawien abgespalten hatten, bestand das zuletzt nur noch aus den Teilrepubliken Serbien und Montenegro bestehende Rumpf-Jugoslawien ab 1992 als "Bundesrepublik Jugoslawien" und ab 2003 als "Staatenbund Serbien-Montenegro" fort, bis sich im Jahre 2006 auch Montenegro für unabhängig erklärte. Die Republik Serbien ist seitdem autonom.
Rz. 421
Der Kosovo und die Wojwodina waren während den Zeiten Titos "autonome Provinzen" in der Republik Serbien und verfügten über ein eigenes Erbrechtsgesetz. Am 11.3.1993 sind in der Republik Serbien die autonomen erbrechtlichen Regeln für die vormals autonomen Provinzen Kosovo und Wojwodina aufgehoben worden, so dass das Erbgesetz der Republik Serbien auch für Kosovo-Albaner und die Einwohner der Wojwodina galt. Die internationale Verwaltung des Kosovo hat am 10.6.1999 das vor dem 22.3.1989 in der damaligen autonomen Provinz Kosovo geltende Recht mit Rückwirkung wieder in Kraft gesetzt, so dass für Kosovaren wieder das Gesetz über die Vererbung der autonomen Provinz Kosovo aus dem Jahre 1974 galt – welches einige Sonderregeln zum serbischen Erbgesetz enthielt. Dieses Gesetz wurde am 4.2.2005 von der UNMIK, unter deren Verwaltung der Kosovo weiterhin steht, durch ein neues Erbrechtsgesetz für die Provinz Kosovo ersetzt. Das neue Gesetz ist von starkem sozialpolitischem Engagement geprägt, das allerdings auf Kosten der rechtlichen Klarheit der Regeln geht. Das staatliche Erbgesetz gilt ohne Ansehung der Religionszugehörigkeit, also auch für muslimische Kosovaren.
II. Internationales Erbrecht
Rz. 422
Für die Erbfolge gilt gem. Art. 30 des Gesetzes zur Lösung von Gesetzeskollisionen mit den Vorschriften anderer Staaten für bestimmte Verhältnisse (IPRG) das Recht des Staates, dessen Staatsangehöriger der Erblasser im Zeitpunkt des Todes gewesen ist. Für die Testierfähigkeit gilt das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments gehabt hat. Nach serbischem Recht ist damit das Heimatrecht des Erblassers Erbstatut. Verstirbt ein serbischer Staatsangehöriger mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so wird dieser daher gem. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO nach deutschem und aus serbischer Sicht nach seinem serbischen Heimatrecht beerbt.
Rz. 423
Eine umfassende Reform des serbischen Gesetzes über das IPR, welches noch aus 1981 stammt, ist seit langem geplant. Der Gesetzesentwurf von 2014 sieht im Bereich des internationalen Erbrechts eine weitgehende Übernahme der Kollisionsnormen aus der EuErbVO vom 4.7.2012 vor. Allerdings ist der Gesetzgebungsprozess ins Stocken geraten.
Rz. 424
Für die Bestimmung des auf die Formwirksamkeit von Testamenten anwendbaren Rechts hatte die SFR Jugoslawien mit Wirkung zum 5.1.1964 das Haager Testamentsformübereinkommen vom 5.10.1961 ratifiziert und dessen Bestimmungen in Art. 31 des jugoslawischen IPRG inkorporiert. Das Übereinkommen ist von allen Nachfolgerepubliken Jugoslawiens durch ausdrückliche Erklärung übernommen worden. Die Geltung des Abkommens im Kosovo ist zweifelhaft.
III. Gesetzliche Erbfolge
Rz. 425
Erben erster Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers. Es tritt Erbfolge nach Stämmen ein (Art. 9 serbErbG). Eheliche, nichteheliche und adoptierte Abkömmlinge erben gleichberechtigt zu gleichen Teilen. Erben zweiter Ordnung sind die Eltern des Erblassers; bei Vorversterben eines Elternteils treten seine Abkömmlinge ein, ersatzweise der andere Elternteil bzw. dessen Abkömmlinge (Art. 12 f. serbErbG). Erben dritter Ordnung sind die Großeltern und ihre Abkömmlinge (Art. 1...