Dr. Joachim Wichert, Walter Krug
I. Auslegungsbedürftige Verfügungen von Todes wegen
Rz. 36
Grundsätzlich fällt die Auslegung letztwilliger Verfügungen in den Kompetenzbereich des Schiedsgerichts, d.h. ein Schiedsgericht kann über derartige Auslegungsfragen entscheiden. Probleme können sich bei der Schiedsgerichtsbarkeit dann ergeben, wenn der Erblasser eine auslegungsbedürftige Verfügung von Todes wegen hinterlassen hat und der pflichtteilsberechtigte Kläger nicht weiß, gegen wen er seine Klage richten soll bzw. wenn die Beklagten im Prozess unter Bezugnahme auf die Schiedsordnung einwenden, dass für die Frage der Entscheidung über die Erbenstellung der ordentliche Gerichtsweg nicht zulässig ist. Dies gilt im Übrigen nicht nur für den Pflichtteilsberechtigten, sondern auch für alle übrigen Nachlassgläubiger.
Als Lösung könnte zum einen die Aussetzung des Verfahrens und die richterliche Anordnung, die Frage des Nachlassschuldners vor dem Schiedsgericht klären zu lassen, in Betracht kommen. Möglich wäre aber auch die Anordnung einer Klagepflegschaft nach §§ 1960 Abs. 1 S. 1, 1961 BGB, wenn die Erbfolge ungewiss ist.
Um derartige Probleme zu vermeiden, kommt für den Erblasser die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers in Betracht. Hierauf sollte ein Berater hinweisen.
II. Sachliche Grenzen des Schiedsverfahrens
Rz. 37
Das Schiedsverfahren erfährt folgende Grenzen:
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Verstoß des Schiedsspruchs gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts, |
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§ 1042 ZPO: Einhaltung unverzichtbarer Verfahrensregeln:
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Rechtliches Gehör, |
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Ermittlung des Sachverhalts, |
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Zulassung von Rechtsanwälten. |
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§ 2065 BGB: Nach dieser Vorschrift kann der Erblasser die Bestimmung des Erben nicht einem Dritten überlassen. Er kann auch nicht anordnen, dass ein anderer bestimmen soll, ob eine letztwillige Verfügung gelten soll oder nicht. Mit anderen Worten: Das Schiedsgericht kann nicht an die Stelle des Erblassers treten. Es kann den Erben nicht auswählen. |
III. Verfahrensrecht/Beweiserhebung
Rz. 38
Gemäß § 1042 Abs. 3 und 4 ZPO kann ein Schiedsgericht
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aufgrund einer bereits vorhandenen Schiedsordnung, |
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aufgrund eines zwischen den Parteien und dem Schiedsrichter geschlossenen Schiedsrichtervertrages, der das Verfahrensrecht festlegt, |
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aufgrund der nationalen Prozess- und Verfahrensordnung |
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sowie im Übrigen nach freiem Ermessen |
entscheiden.
Der Schiedsrichtervertrag ist von einer Schiedsvereinbarung zu unterscheiden. Letztere wird im Falle des Fehlens einer Schiedsklausel in der letztwilligen Verfügung nur zwischen den Parteien geschlossen, um so die Möglichkeit zu schaffen, sich der Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen. Grundlage des Verfahrens ist in der Regel eine bereits vorhandene Schiedsordnung.
Rz. 39
Gemäß § 1042 Abs. 4 ZPO werden, soweit eine Schiedsordnung bzw. eine Vereinbarung der Parteien nicht vorliegt, die Verfahrensregeln vom Schiedsgericht nach freiem Ermessen bestimmt. Das Schiedsgericht ist berechtigt, über die Zulässigkeit einer Beweiserhebung zu entscheiden, diese durchzuführen und das Ergebnis frei zu würdigen.
Allerdings stehen dem Schiedsgericht keine Zwangsmittel zur Verfügung. Das Schiedsgericht ist daher auf die Mithilfe der staatlichen Gerichte angewiesen, wozu diese gemäß § 1050 ZPO auch verpflichtet sind.
IV. Vorrang des Schiedsverfahrens
1. Einrede der Schiedsvereinbarung
Rz. 40
§ 1026 ZPO regelt den Vorrang des Schiedsverfahrens vor der ordentlichen staatlichen Gerichtsbarkeit.
In den Fällen, in denen eine Klage vor dem ordentlichen Gericht erhoben wird, obwohl der Streitgegenstand der Zuständigkeit des Schiedsgerichts unterliegt, ist eine derartige Klage als unzulässig abzuweisen, "sofern der Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt", § 1032 Abs. 1 ZPO.
2. Feststellungsinteresse bezüglich Wirksamkeit der Schiedsklausel
Rz. 41
Die Frage der Wirksamkeit einer Schiedsklausel kann gem. § 256 Abs. 1 ZPO in einem Feststellungsprozess geklärt werden. Der Zulässigkeit des Antrags auf Feststellung der Unwirksamkeit der Anordnung des Schiedsgerichts steht nicht entgegen, dass die Beklagtenseite gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt, es werde Klage in einer Angelegenheit erhoben, die Gegenstand einer Schiedsklausel ist. Diese Rechtsfolge des § 1032 Abs. 1 ZPO tritt dann nicht ein, wenn das Gericht feststellt, dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist. Daraus folgt, dass über die Gültigkeit, die Wirksamkeit und die Durchführbarkeit der Schiedsklausel eine Sachentscheidung durch ein staatliches Gericht getroffen werden kann.
Ein Feststellungsantrag ist auch nicht etwa deshalb unzulässig, weil der Kläger keinen Antrag auf Unzulässigkeitserklärung des schiedsrichterlichen Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO vor dem Oberlandesgericht gestellt hat. Beide Verfahren – sowohl das nach § 1032 Abs. 2 ZPO als auch die Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO – sind grundsätzlich zulässig. Ein Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO kann bis zur Bildung des Schiedsgerichts beim zuständigen Oberlandesgericht gestellt werden.
Handelt es sich um Feststellungsklagen gegenüber einem noch lebenden Erblasser, sind diese regelmäßig unzulässig, da ein ...