Dr. iur. Wolfram Viefhues
I. Berechtigung zur Durchsetzung des Kindesunterhaltes
Rz. 97
Das minderjährige Kind kann seinen Unterhaltsanspruch nicht selbst durchsetzen.
§ 1629 Abs. 1 BGB erlaubt dem Sorgeberechtigten die gesetzliche Vertretung des Kindes, also auch die Geltendmachung von Kindesunterhalt. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB ermöglicht bei gemeinsamer elterlicher Sorge dem Elternteil, der das Kind in seiner Obhut hat, Unterhalt gegen den anderen Elternteil durchzusetzen, ohne dass die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben oder eine Entscheidung nach § 1628 BGB getroffen worden ist.
Rz. 98
Praxistipp:
Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Elternteil, der der Unterhalt für ein gemeinsames Kind verlangt und sich dazu auf seine Obhut Betreuung und damit seine Berechtigung aus § 1629 BGB zur Geltendmachung des Kindesunterhaltes beruft.
Dann ist jedoch weiter zu unterscheiden:
Rz. 99
Solange die Eltern getrennt leben oder eine Ehesache zwischen ihnen anhängig ist, besteht eine gesetzliche Verfahrensstandschaft für die Geltendmachung des Minderjährigenunterhaltes (§ 1629 Abs. 3 BGB), die die gemeinsame gesetzliche Vertretung überlagert.
Folglich kann der betreuende Elternteil den Kindesunterhalt nur im eigenen Namen gerichtlich geltend machen, muss also selbst als Antragsteller im Rubrum der Antragsschrift bezeichnet sein (und nicht nur als gesetzlicher Vertreter des Kindes).
Rz. 100
Praxistipp:
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Aus dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 S. 2 ZPO ergibt sich, dass der Streitgegenstand deutlich bestimmt werden muss. Dazu gehört bei einem von einem Elternteil in Verfahrensstandschaft geltend gemachten Anspruch auf Kindesunterhalt die Angabe der Personalien des Kindes, die sinnvollerweise in den Antrag und den Tenor der gerichtlichen Entscheidung aufgenommen werden. |
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Wird für mehrere Kinder Unterhalt verlangt, so müssen die entsprechenden Beträge im Antrag sowohl hinsichtlich des laufenden Unterhaltes als auch der Rückstände genau aufgeschlüsselt werden. Die unaufgeschlüsselte Angabe eines Gesamtbetrages im Zahlungsantrag für mehrere Unterhaltsberechtigte ist unzulässig und führt dazu, dass der gesamte Titel nicht mehr vollstreckungsfähig wird. |
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Diese Anforderungen müssen auch bereits bei der vorgerichtlichen Zahlungsaufforderung, die den Gegner in Verzug setzen soll, beachtet werden. |
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Sind freiwillige Zahlungen geleistet worden, so sind diese auch – unter Angabe der vorgenommenen Verrechnungsmodalitäten – in der Klageschrift genau aufzuführen. Die Formulierung "bereits gezahlte Beträge sind anzurechnen" macht den Titel inhaltlich unbestimmt und deshalb insgesamt nicht vollstreckungsfähig. |
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Siehe dazu ausführlich § 22 Rdn 1 ff. |
Rz. 101
Ist auf diesem Wege der Titel erlangt worden, dann ist auch der Elternteil Inhaber dieses Titels und vollstreckt daraus im eigenen Namen (gesetzliche Vollstreckungsstandschaft).
Rz. 102
In der Praxis sind folgende Fälle der Beendigung dieser Verfahrensstandschaft zu beachten:
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die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den anderen Elternteil |
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der Wechsel der Obhut, |
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der |
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oder der Volljährigkeit des Kindes. |
Rz. 103
Der Wegfall der Verfahrensstandschaft hat ausnahmsweise nur Auswirkungen auf neue, nicht jedoch auf bereits anhängige Verfahren,
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wenn die Eltern wieder zusammenleben oder |
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die Anhängigkeit des Scheidungsverfahrens durch Rücknahme des Scheidungsantrages endet. |
In diesen Fällen dauert in dem laufenden Verfahren die Verfahrensstandschaft fort bis zum Abschluss des Unterhaltsverfahrens, soweit die elterliche Sorge keinem anderen als dem geltend machenden Elternteil übertragen worden ist.
Rz. 104
Praxistipp:
Aus den Regelungen zur Verfahrensstandschaft ergeben sich weitere Konsequenzen:
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Für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bei eines in Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens auf Kindesunterhalt ist auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisses des antragstellenden Elternteils und nicht auf diejenigen des Kindes abzustellen. |
Rz. 105
Wenn der Unterhalt nach dem Abschluss des Scheidungsverfahrens tituliert werden soll, tritt der betreuende Elternteil auch bei gemeinsamem Sorgerecht als gesetzlicher Vertreter des Kindes auf (§ 1629 Abs. 2 S. 2 BGB).