Dr. Oliver Brockmann, Dr. Michael Nugel
Rz. 62
Ob und in welchem Umfang Aufnahmen aus Minikameras im Straßenverkehr gegen das geltende Datenschutzrecht verstoßen bzw. in einem Zivilprozess zur Unfallrekonstruktion verwertet werden können wurde lange Zeit in der Rechtsprechung und Literatur kontrovers erörtert. Zwischenzeitlich hat sich der BGH in einer Grundsatzentscheidung dafür ausgesprochen, dass diese Aufnahmen i.d.R. im Zivilprozess verwertbar sind. Ungeklärt ist weiterhin die Frage, unter welchen Voraussetzungen diese Aufnahmen datenschutzrechtlich zulässig sein können. Überzeugender Weise lassen sich die damit verbundenen Fragen nur lösen, wenn in einem ersten Schritt die technischen Grundlagen und Möglichkeiten richtig erfasst werden und darauf aufbauend unter Beachtung der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien eine sachgerechte Einzelfallprüfung vorgenommen wird.
I. Der Einsatz von Dashcams
Rz. 63
Diese Kameras werden in der Regel nach vorne gerichtet im Fahrzeug montiert, wobei einzelne Varianten auch eine zweite Kamera beinhalten, die den Bereich hinter dem Fahrzeug filmt und beide Aufnahmen verbindet. Sogar einzelne Fahrzeughersteller bieten bereits in Zusammenarbeit mit Kameraherstellern den festen Einbau solcher Kameras im Pkw an, welche mit der Bordelektronik verbunden sind. Auch für viele Handys gibt es inzwischen als sog. App eine Software, welche solche Aufnahmen ermöglicht, ohne dass eine gesonderte Kamera erworben werden muss.
1. Aufnahmearten
Rz. 64
Im Regelfall wird die Kamera mit dem Stromsystem des Fahrzeuges gekoppelt und beginnt mit der Aufnahme, wenn der Motor gestartet wird. Es handelt sich dann um eine dauerhafte fortlaufende Aufnahme bis zu dem Moment, an dem der Motor wieder ausgestellt wird. Unabhängig davon besteht die Möglichkeit, die Kamera grundsätzlich ausgeschaltet zu lassen und sie erst manuell mit einer gesonderten Anweisung des Verwenders einzusetzen. Daneben gehen einzelne Hersteller dazu über, Kameras auch selber in Fahrzeuge einzubauen, die aber dauerhafte Aufnahmen nur anlassbedingt speichern, wenn über Sensoren ein Aufprall erkannt wird und Assistenzsysteme wegen einer drohenden Kollision oder vergleichbaren Sachverhalten eingreifen.
2. Möglichkeiten der Speicherung
Rz. 65
Nahezu alle derzeit auf dem Markt angebotenen Kameras bieten zur Speicherung der Filmaufnahmen eine so genannte Schleifenlösung. Dies bedeutet, dass getätigte Aufnahmen im Rahmen einer so genannten Endlosschleife bei dem Erschöpfen der Speicherkapazität wieder von Anfang an überschrieben werden. Die Aufnahmen werden also nicht unbegrenzt aufbewahrt, sondern im regelmäßigen Betrieb immer wieder überschrieben. Als Speichermedium wird dabei i.d.R. eine vom Verwender einzusetzende SD-Karte verwendet. Er entscheidet damit in der Regel selber, wie groß der zur Verfügung stehende Speicherplatz ist und wie schnell die (i.d.R. erst einmal im Dauerbetrieb) angefertigten Aufnahmen wieder überschrieben werden.
Rz. 66
Eine dauerhafte Speicherung auf der Karte erfolgt im Regelfall nur dann, wenn entweder der Verwender dies manuell über einen entsprechenden Befehl anordnet oder aber ein so genannter Notfall von der Kamera selber erkannt wird. Als Grundlage dafür dient in der Regel ein so genannter "G Sensor", der Erschütterungen oder eine scharfe Bremsung des Fahrzeuges misst. Erfasst er einen solchen Tatbestand wird ein entsprechender Zeitabschnitt, den der Verwender im Rahmen der Voreinstellungen im Regelfall selber bestimmen kann, dauerhaft gespeichert, um ihn gegen ein Überschreiben im Rahmen der Endlosschleife zu schützen. I.d.R. wird hierfür von den Kameraanbietern ein Zeitrahmen von 1, 3 oder 5 Minuten als mögliche Voreinstellung angeboten.
3. Umfang der gewonnenen Daten
Rz. 67
Die ureigene Funktion der Kamera liegt darin, das Geschehen vor der Kamera entsprechend aufzuzeichnen, wobei i.d.R. auch das Datum der Aufzeichnung nebst Uhrzeit wiedergegeben wird. Darüber hinaus sind viele Kameras auch mit einem GPS Sensor ausgestattet. Dieser ermöglicht eine Bestimmung des Standortes des Fahrzeuges zum Zeitpunkt der Aufnahme. Darüber hinaus ermöglicht er auch im Regelfall eine eigene Messung der gefahrenen Geschwindigkeit. Hier kann der Verwender selber entscheiden, ob diese Geschwindigkeit auch in dem Film angezeigt wird. Unabhängig davon sind diese Begleitdaten im Regelfall aber immer in der Kamera vorhanden und könnten selbst dann, wenn sie ausgeblendet werden, im Rahmen einer genauen Analyse wiedergewonnen werden. Daneben bieten viele Kameras auch die Funktion an, dass der Verwender sein eigenes Kennzeichen zur Identifizierung anzeigen lassen kann. Einzelne Kameras werden auch zusammen mit einer Softwarelösung angeboten, mit deren Hilfe sodann die Aufnahmen am Rechner einschließlich der Zuordnung gem. GPS auf einer weiteren Kartei angezeigt werden kann.
II. Rechtliche Bewertung
Rz. 68
Aufbauend auf diesen technischen Erkenntnissen und dem insoweit aufzuklärenden Sachverhalt schließt sich sodann die Prüfung an, ob die...