1. Das Erfordernis der Teilungsreife
Rz. 20
Eine Erbteilungsklage, die den gesamten Nachlass umfassen soll, hat nur Erfolgsaussicht, wenn der Nachlass teilungsreif ist. Deshalb geht der Klagantrag – neben der Herausgabe – auf Zustimmung zu einer Summe dinglicher Verträge = Teilungsplan und Ersetzung der Zustimmung durch rechtskräftiges Urteil gem. § 894 ZPO. Mangels Teilungsreife im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung wäre eine Erbteilungsklage als zurzeit unbegründet abzuweisen, weil die materiellrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Erbteilung nicht vorliegen.
Rz. 21
Was bedeutet Teilungsreife?
Die Aufteilung des Nachlasses unter die Miterben beinhaltet im Grundsatz zwei materiellrechtliche Erfordernisse und ein prozessrechtliches:
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Die Nachlassverbindlichkeiten müssen erfüllt sein (§ 2046 BGB) und |
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der dann noch vorhandene Rest des Nachlasses muss entsprechend den Erbquoten in gleichartige Teile ohne Wertverlust aufgeteilt werden können (§§ 2042 Abs. 2, 752 BGB), |
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Bestimmtheit des Klageantrags gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und damit Bestimmtheit des Urteilstenors, der die eingeklagten Willenserklärungen mit Rechtskraft ersetzt, § 894 ZPO. |
Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Erbteilungsklage ist aber nicht, dass das Vermittlungsverfahren nach §§ 363 ff. FamFG beim Notar durchgeführt worden wäre.
a) Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten
aa) Vom Gesetz festgelegte Reihenfolge
Rz. 22
Dass vor der Erbteilung die Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen sind, schreibt § 2046 Abs. 1 S. 1 BGB insofern vor, als er eine Reihenfolge bestimmt: Zuerst werden die Nachlassverbindlichkeiten erfüllt und danach wird der Überschuss geteilt (§ 2047 BGB). Und wer diese Reihenfolge nicht einhält, kann nach der Erbteilung für noch offene Nachlassverbindlichkeiten keine Haftungsbeschränkung durch Nachlassverwaltung (§ 1975 BGB) mehr erlangen, vgl. § 2062 Hs. 2 BGB, wonach ein Antrag auf Anordnung der Nachlassverwaltung nach Vornahme der Erbteilung nicht mehr gestellt werden kann.
Ein schlüssiger Plan zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft setzt demnach voraus, dass zuvor alle Nachlassverbindlichkeiten berichtigt sind.
Die Variante des § 2046 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach für nicht fällige und streitige Verbindlichkeiten Rückstellungen zu machen sind, greift erst ein, wenn ein anderer Weg der Aufklärung von Nachlassverbindlichkeiten nicht besteht.
Nota bene: Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören auch Pflichtteils- und Vermächtnisansprüche, § 1967 Abs. 2 BGB.
Rz. 23
Aber auch aus § 2045 BGB ergibt sich die Reihenfolge der vorrangig zu erfüllenden Nachlassverbindlichkeiten: Dem Erbteilungsanspruch kann die Einrede des nicht durchgeführten Gläubigeraufgebots entgegen gehalten werden. Damit sollen die Voraussetzungen für die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten und damit letztlich für die Erbteilung geschaffen werden. Denn die Erben sind in einer misslichen Lage: Woher sollen sie die Nachlassverbindlichkeiten kennen? Deshalb geht das Gesetz von der Prämisse aus, die Erben würden das Aufgebot der Nachlassgläubiger betreiben (§§ 1970 ff. BGB), um alle Nachlassverbindlichkeiten in Erfahrung zu bringen und sie zu erfüllen. Außerdem steht hinter dieser Regelung die Verschärfung der Erbenhaftung nach der Teilung des Nachlasses gem. §§ 2058, 2059, 2062 Hs. 2 BGB. Und folgerichtig gibt das Gesetz jedem Miterben eine Einrede gegen den Erbteilungsanspruch, solange das Gläubigeraufgebot nicht durchgeführt ist.
Es gelten die Aufgebotsvorschriften der §§ 433 ff. FamFG.
Die Reihenfolge der Vorgehensweise der Miterben ist für diese in einer Dreistufigkeit klar vorgegeben:
(1) |
Durchführung des Gläubigeraufgebots (§ 2045 BGB), |
(2) |
Erfüllung der jetzt bekannten Nachlassverbindlichkeiten (§ 2046 BGB) – evtl. Zurückbehaltung von Nachlassmitteln für nicht fällige und streitige Verbindlichkeiten, |
(3) |
Aufteilung des verbliebenen Überschusses unter den Miterben (§ 2047 BGB). |